Skip to main content

03.03.2020 | Schadensversicherung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Corona bleibt für Versicherer unberechenbar

verfasst von: Swantje Francke

4 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Weltweit 3.000 Todesopfer bisher und 150 Infizierte in Deutschland lassen Versicherer das Coronavirus noch aus sicherer Distanz betrachten. Doch frei von Risiko ist die Epidemie für sie nicht.

In Erwartung einer epidemischen Ausbreitung des Coronavirus stellt sich vielen Unternehmen die Frage, wie sie sich gegen drohende Betriebsausfälle absichern. Auch Versicherungen verfolgen die Ausbreitung des Virus mit größtem Interesse. Wie hoch die finanziellen Belastungen für sie werden, ist längst nicht abzusehen. 

Empfehlung der Redaktion

2019 | Buch

Strukturierte Verbesserung des Supply Chain Risikomanagements

Meike Schröder entwickelte eine Methode zur strukturierten Verbesserung des Supply Chain Risikomanagements (SCRM), welche sich aus den beiden modularen Lösungsbausteinen des SCRM-Reifegradmodells und der SCRM-Auditierung zusammensetzt.

Versicherungsschutz gegen Betriebsschließung 

Die Wirtschaft befürchtet wegbrechende Aufträge, unterbrochene Lieferketten, Produktionsstillstand und Betriebsschließungen – sogenannte indirekte Kosten, die durch den epidemischen Verlauf der Corona-Infektionen auf Unternehmen zukommen könnten. Diese zu versichern, so noch nicht geschehen, lautet das Gebot der Stunde.

Doch rollt die Corona-Welle ja bereits. Ist es zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch möglich, ein sprichwörtlich "brennendes Haus" noch zu versichern? Dennis Sturm, Geschäftsführer des Versicherungsmaklers STC und Berater zum Thema Betriebsschließungen durch das Coronavirus, ist sich da nicht mehr so sicher wie noch vor einer Woche: "Ja, derzeit, also Ende Februar, war es noch möglich, am Markt Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen auch aufgrund des Coronavirus zu erhalten. Wie lange noch, ist aber fraglich. Tendenziell sehen wir, auch durch den Druck der Rückversicherer, ein umfassendes Rückrudern im Markt."

Police nur so gut wie ihr Bedingungswerk 

Zudem ist es von enormem Unterschied, ob ein Unternehmen gegen Betriebsunterbrechung oder gegen Betriebsschließung versichert ist. Während nämlich Betriebsunterbrechungsversicherungen klassische Schäden durch Feuer, Überschwemmungen oder Sturm absichern, sind es die Betriebsschließungspolicen, die gegen eine Infektionswelle durch das Coronavirus schützen sollen. Es handelt sich um Multi-Risk-Policen, in deren Bedingungswerken auf das Infektionsschutzgesetz Bezug genommen und die dort aufgeführten Krankheiten als mitversichert erachtet werden.

Erst seit 1. Februar 2020 ist auch das Coronavirus als CorViMV unter § 6 im Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgenommen. Diesbezüglich ist ein genauer Blick auf die Version des IfSG geboten, auf die sich die Police bezieht. Ein allgemeingültiger Verweis auf §§ 6 und 7 IfSG sichert Schutz bei behördlich angeordneten Schließungen, gegebenenfalls Sachentschädigungen für verderbliche Ware.

Risiken entspringen den Kapitalmärkten 

Selbst, wenn der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) die Auswirkungen für die Versicherungswirtschaft bisher noch als gering erachtet, stellt der Verband die Transport- und Luftfahrtversicherung sowie die Kreditversicherung als am stärksten betroffen von Corona-bedingten Konjunkturrisiken heraus. 

Folgende Punkte bewertet der GDV als perspektivisch kritische Faktoren für die genannten Versicherungssparten:

  • Die Konsumdelle am chinesischen Markt, wo die großen deutschen Automobilbauer über ein Drittel ihrer Gewinne erwirtschaften. 
  • In Deutschland gibt die Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen nach wie auch der Bedarf, ausgedehnte Shopping-Touren durch den stationären Handel zu unternehmen.
  • Deutsche Exporte bestehen zu mehr als der Hälfte ihres Wertes aus zugelieferten Vorleistungen aus dem Ausland
  • Die Unsicherheit, die die Investitionsbereitschaft in Unternehmen bremst und Finanzinstitute von der Kreditvergabe abhält. 
  • Für Kreditversicherer steigt das Insolvenzrisiko als Folge konjunktureller Rückwirkung von häufigeren Schadensregulierungen

Vom reinen Versicherungsbezug gelöst, lauert der eigentliche Schaden für Versicherungsunternehmen in den Kapitalmärkten, wo die Versicherer mit dem Geld ihrer Versicherungskunden arbeiten. Aktienkurse und Unternehmensanleihen im Sinkflug wirken sich dann direkt auf die Bücher der Versicherer aus. Allein durch sinkende Kapitalmarktzinsen im Zuge der Virus-Krise entsteht Druck auf die Solvabilität der Versicherer. Laut Einschätzung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in "Europäische Versicherer – Auswirkungen von Covid-19: Erste Einschätzungen" sei die aufsichtsrechtliche Solvenz der großen europäischen Versicherer und Rückversicherer jedoch robust genug, um nach derzeitigem Stand keine wirklichen Kapitalengpässe entstehen zu lassen.

Corona trübt Prämien und Neugeschäft 

Des Weiteren geben die Autoren des LBBW-Papers zu bedenken, dass es im Zuge krisenbedingter BIP-Rückgänge auch zu Rückgängen der Versicherungsprämien kommt, da letztere zu großen Teilen an Wirtschaftsleistungen wie Produktion, Transport und Lagerung von Waren oder Ausrichtung von Veranstaltungen gekoppelt sind.

Als negativen Effekt auf die Höhe der Prämieneinnahmen benennt die Analyse außerdem ein sinkendes Neugeschäftsvolumen im Zuge von Verkaufsstopps beziehungsweise verschärfte Ausschlussklauseln für bestimmte Verträge, darunter Reiserücktrittsversicherungen und Betriebsunterbrechungspolicen mit Pandemieklauseln.

Auf das Neugeschäft der Assekuranz werden den Autoren zufolge vorerst eingeschränkte Kundenkontakte von Vertriebsmitarbeitern drücken. Im Vorteil sind hier jene Versicherer, die sich in ihrem Kundenkontakt bereits auf digitalen, wenngleich auch unpersönlicheren Pfaden bewegen. So hält Springer-Autor Michael Müller in "Der Einfluss kundenorientierter Verhaltensweisen auf den Verkaufserfolg" auf Seite 24 fest:

Allerdings haben sowohl Akademiker als auch Praktiker hin und wieder davor gewarnt, dass eine übertriebene Kundenorientierung ungewollte Nebeneffekte haben kann. Beispielsweise kann die Kundenorientierung eines Unternehmens dessen Innovativität beeinträchtigen, da die Kundenbedürfnisse sich oftmals auf bekannte bzw. vertraute Produkte beschränken (vgl. Lukas/Ferrel 2000, S. 240)."

Die Konzentration auf diese Bedürfnisse könnte Firmen dazu verleiten, den Status Quo beizubehalten und gleichzeitig ihre Innovationsbemühungen zu vernachlässigen.

Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren