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2024 | Buch

Schlüsselwerke für die Strategische Kommunikationsforschung

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Über dieses Buch

Die strategische Kommunikationsforschung hat seit jeher Theorien anderer kommunikationswissenschaftlicher Forschungsfelder und wissenschaftlicher Disziplinen aufgegriffen, um mit diesen den eigenen Beobachtungsgegenstand zu beschreiben. Wenn man das als Defizit sehen möchte, beklagt man schnell den fehlenden eigenen Kern des Forschungsfeldes. Der Band „Schlüsselwerke für die strategische Kommunikationsforschung“ versteht dies ausdrücklich als Stärke und wirbt für die Potenziale dieser offenen Vorgehensweise. Wie arm wäre die strategische Kommunikationsforschung ohne Giddens, Goffman, Habermas, Luhmann, Meyer & Rowan, Weick und Co? Daher stehen in dem Band keine Schlüsselwerke der, sondern Schlüsselwerke für die strategische Kommunikationsforschung im Mittelpunkt. Die 42 vorgestellten Schlüsselwerke haben die strategische Kommunikationsforschung in der Vergangenheit geprägt oder haben das Potenzial, sie in den nächsten Jahren nachhaltig zu beeinflussen. Der Band ist in die fünf Abschnitte Strategie & Kommunikation, Gesellschaft & Öffentlichkeit, Organisation & Entscheidung, Wirkungen & Wirklichkeit(en) und Macht & Kritik gegliedert. Jeder Abschnitt beginnt mit einem einführenden Überblicksbeitrag, der die Schlüsselwerke einordnet und einen Überblick über die zentralen Fragen und Diskurse des jeweiligen Forschungsbereichs gibt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Strategie & Kommunikation

Einführender Überblickstext „Strategie & Kommunikation“

Clausewitz’ Vom Kriege, Whittingtons Strategy als Practice, Mertens Kommunikation, Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns, Blumers Symbolischer Interaktionismus, Goffmans Wir alle spielen Theater, Dawkins’ The Selfish Gene – es steht wohl außer Zweifel, dass ein jeder dieser Klassiker, eigenständig gelesen, dem Studenten der strategischen Kommunikation großen Gewinn und tiefe Einsichten verspricht. Und das ist nicht verwunderlich, handelt es sich doch um Werke, die unsere heutigen Arbeits-, Lebens- und Denkwelten maßgeblich geformt haben. Einige, wie Clausewitz’ Vom Kriege, sind Weltliteratur, in nahezu jede Sprache übersetzt, und regelmäßig in Listen der hundert wichtigsten Werke vertreten. Andere, wie Habermas, Goffman und Blumer sind soziologische Klassiker – ohne ein working knowledge ihrer Argumente und Konzepte sind die Sozialwissenschaften in ihrer heutigen Gestalt kaum zu verstehen. Whittingtons Strategy as Practice und Mertens Kommunikation gehören nicht ganz in die disziplinenübergreifende Kategorie, aber seriöse strategische Kommunikationsforscher kennen sie. Dawkins Bestseller The Selfish Gene, millionenfach verkauft und in über 25 Sprachen übersetzt, ist es schließlich zu verdanken, dass die „neue Synthese“ Eingang in die Sozial- und Geisteswissenschaften gefunden hat.

Howard Nothhaft
Blumer (1969): Symbolischer Interaktionismus

Der symbolische Interaktionismus ist ein eindrückliches Plädoyer für einen Forschungsansatz, der den Prozess der Entstehung von Bedeutungen im Sinne der Situationsdefinition und Interpretation in den Mittelpunkt rückt. Ausgehend davon, dass Menschen gegenüber Dingen auf Basis subjektiv zugeschriebener Bedeutungen handeln und Bedeutungen durch Interaktionen modifiziert werden können, schlägt Blumer diesen Vorgang als Denkansatz für sozialwissenschaftliche Forschungen vor, um durch Interpretation und Fremdverstehen die Wirklichkeit zu erfassen.

Astrid Spatzier
Dawkins (1976): Das egoistische Gen

Das egoistische Gen von Richard Dawkins hat das Potenzial, strategische Kommunikation aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Evolutionäre Ansätze sind in der strategischen Kommunikation bisher kaum existent, obwohl Gene, wie Dawkins zeigt, zur Ausprägung komplexer Strategien auf individueller und sozialer Ebene führen. Kommunikation ist hier insofern zentral, als dass strategisches Signalling ein wichtiger Koordinationsmechanismus ist und strategisches Storytelling auf der Basis evolutionär ausgeprägter Motive die Grundlage für Kooperation in sozialen Systemen bildet.

Jens Seiffert-Brockmann
Goffman (1959): Wir alle spielen Theater

Erving Goffman nutzt in dem Schlüsselwerk das Theater als Metapher für alltägliches Handeln. Abhängig von der jeweiligen Situation schlüpfen wir alle in unterschiedliche Rollen, die wir bestmöglich vor unserem Publikum inszenieren wollen. Diese Inszenierung kann als strategische Kommunikation aufgefasst werden, die auf der Vorderbühne stattfindet und auf der Hinterbühne vorbereitet wird. Dabei helfen sogenannte Rahmen (engl. Frames) die jeweilige Situation einzuschätzen und bieten Deutungsmuster für die eigene Inszenierung.

Ina von der Wense
Habermas (1981): Die Theorie des kommunikativen Handelns

Habermas legt mit seiner demokratiepolitisch affinen Theorie des kommunikativen Handelns (TKH) die universalen Voraussetzungen von sprachlich vermittelter Verständigung frei. Er differenziert ursprünglich zwischen kommunikativem, verständigungsorientiertem und strategischem, erfolgsorientiertem Handeln. Strategische Kommunikation ist fraglos eine Form erfolgsorientierten Handelns. Der Beitrag zeigt zunächst auf, dass strategische und verständigungsorientierte Kommunikation unter der Bedingung eines nicht-egozentrischen Erfolgskalküls miteinander vereinbar werden. Im Konzept einer verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit (VÖA) gewinnt die Versöhnung dieser beiden Handlungstypen sodann praktische Relevanz: Als eine Form von Public Relations ist VÖA klar im Bereich strategischer Kommunikation anzusiedeln.

Roland Burkart
Merten (1977): Kommunikation

Klaus Merten entwickelt mit seiner Begriffs- und Prozessanalyse von Kommunikation ein Kommunikationsverständnis, das Reflexivität in zeitlicher, sachlicher und sozialer Hinsicht als grundlegendes Kriterium jeglicher Kommunikation ausmacht. Damit liefert er der strategischen Kommunikationsforschung ihre zentrale begriffstheoretische Fundierung. Dies hat weitreichende Folgen. So resultiert für die strategische Kommunikationsforschung, dass sie die Kommunikation ihrer Erkenntnisse als Resultat reflexiver Prozesse einordnen kann. Es wird ihr ermöglicht, sich mit ihrem Untersuchungsgegenstand befreit von voreiligen Kausalannahmen, Realitätsunterstellungen und methodischer Dominanz quantitativer Methoden zu befassen. Stattdessen prägen die Funktionsweise sozialer Systeme und erkenntnistheoretischer Konstruktivismus die Forschungsagenda. Gerade für die Erforschung der Konsequenzen der heutigen Digitalisierung der strategischen Kommunikation wirft das Reflexivitätskriterium interessante Fragen auf, die die Grenzen der Technologiefokussierung in der strategischen Kommunikation und zwar in wissenschaftlicher wie praktischer Hinsicht aufdecken. Mertens Arbeit kommt daher aus heutiger Sicht vollkommen zu Recht der Status eines Schlüsselwerks für die strategische Kommunikationsforschung zu.

Jörg Tropp
Von Clausewitz (1832): Vom Kriege

Der Essay zeigt, wie die akademische Disziplin Strategische Kommunikation von der klassischen Militär- und Kriegstheorie lernen kann. Der zentrale, unsere Disziplin sprachlogisch von der Kommunikations- und Medienforschung abgrenzende Begriff ist „Strategie“. Da Strategiewissen jedoch vorausgesetzt werden darf, rückt der Aufsatz nicht den Strategiebegriff selbst, sondern die der Kriegs- und Strategietheorie eigentümliche Form grundsätzlich instrumenteller, gleichwohl anspruchsvoller Theoriebildung in den Vordergrund. In Auseinandersetzung mit Carl von Clausewitz‘ großem Werk Vom Kriege (1832), im Vergleich mit Sun-Tzus Die Kunst des Krieges dargestellt, geht der Beitrag damit der Frage nach: Wie kann, soll und muss realistische, nicht-triviale Theorie in unserer Disziplin aussehen?

Howard Nothhaft
Whittington (1996): Strategy as Practice

Strategy-as-practice untersucht die Strategiearbeit von Akteuren im Strategieprozess, deren eingesetzte Werkzeuge und Normen und die dazugehörigen Kompetenzen und Fertigkeiten. Die Forschungslinie grenzt sich von zweckrational geprägten effizienzorientierten und organisationsbezogenen Strategieschulen ab. Stattdessen sollen die tatsächlichen Strategieprozesse möglichst nah an den Akteuren erschlossen und reflektiert werden, um ein vollständigeres Bild der Strategiearbeit zu erreichen.

Swaran Sandhu

Gesellschaft & Öffentlichkeit

Einführender Überblickstext „Gesellschaft & Öffentlichkeit“

Die Schlüsselwerke in dem Teil Gesellschaft & Öffentlichkeit lassen folgende verbindende Forschungsperspektive erkennen: Die Texte sensibilisieren für Fragen, wie Akteur durch das gesellschaftliche Umfeld beeinflusst werden, wie die Akteure selbst mit Mitteln strategischen Handelns und Kommunikation ihr gesellschaftliches Umfeld beeinflussen und welche Rolle hierbei die Öffentlichkeit als Vermittlungsinstanz zwischen beiden Ebenen einnimmt. Alle Texte kreisen damit gleichzeitig um das Thema Wandel, nämlich wie Akteure durch ihr öffentlich-gesellschaftliches Umfeld verändert werden oder wie sie durch gleichförmiges Handeln selbst ihr gesellschaftlich-öffentliches Umfeld transformieren. Angesprochen sind damit Fragen des sozialen Wandels in der Gesellschaft, des Wandels der Öffentlichkeit sowie des Wandels des Handelns der Organisationen und Rollenträger sowie der Interdependenzen zwischen diesen drei Ebenen (vgl. Abb. 1).

Mark Eisenegger
Bauman (2000): Flüchtige Moderne

Bauman zeigt im Schlüsselwerk „Liquid Modernity“ (2000) auf, dass gegenwärtige Gesellschaften einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen: von der festen, soliden, industriellen Moderne des 20. Jahrhunderts zur flüssigen, flüchtigen, flexiblen Moderne des 21. Jahrhunderts. Er reflektiert kritisch, wie sich zunehmende Ungewissheit, Unordnung und Unbeständigkeit auf Leben, Arbeit und Gesellschaft auswirken. Obwohl Bauman einer der einflussreichsten Denker der Gegenwart ist, bleibt sein Werk in der Forschung über strategische Kommunikation unbeachtet. Dies wirft die Fragen auf, warum Bauman in diesem Bereich bislang kaum rezipiert wurde und welche Potenziale seine Werke – insbesondere sein Schlüsselwerk „Liquid Modernity“ – für künftige Forschung birgt. Es kann als Warnruf verstanden werden, dass in der strategischen Kommunikation der Grat zwischen legitimer Beeinflussung und illegitimer Manipulation schmal ist.

Philipp Bachmann, Richard Moist
Castells (2009): Communication Power

Dieser Beitrag führt in Castells Communication Power ein und zeigt sein Potenzial für die strategische Kommunikation auf. Zentral ist dabei die Annahme, dass Macht primär eine Informationsmacht darstellt und durch Kommunikation entsteht, wobei Medien eine besondere Rolle spielen. Jedoch verändern sich Machtverhältnisse und die Rolle der Medien in der heutigen digitalisierten und globalisierten Welt. Castells beschreibt, wie Macht in einer vermehrt in Netzwerken strukturierten Gesellschaft erlangt, identifiziert aber auch herausgefordert werden kann. Dabei wird deutlich, dass sich die strategische Kommunikation stärker mit Medienstrukturen auseinandersetzen und eine Netzwerkperspektive einnehmen soll.

Jérôme Chariatte
Giddens (1984): Die Konstitution der Gesellschaft

Das Spektrum der Sozialtheorien wird für gewöhnlich an zwei Polen abgesteckt: Handlungs- versus Strukturtheorien. Anthony Giddens gelingt es mit „The Constitution of Society“, diesen ewigen Mikro-Makro-Dualismus zu überwinden: In der Strukturationstheorie werden Handeln und Struktur komplementär statt konträr gedacht. Aus dieser Idee entwickelt Giddens ein in sich schlüssiges Gesamtwerk, das die Psychologie des Menschen ebenso in den Blick nimmt wie die Konsequenzen der Moderne. Giddens’ Leben und Werk halten für die Erforschung der strategischen Kommunikation wertvolle Einsichten bereit.

Philipp Bachmann, Richard Moist
Habermas (1962): Strukturwandel der Öffentlichkeit

Habermas hat die freie, öffentliche Kommunikation als das konstituierende Merkmal der modernen Gesellschaft beschrieben. Daraus leitet sich auch in der digitalen Ära eine Forschungsprogrammatik ab, Gegenwartsgesellschaften über eine Untersuchung der öffentlichen Kommunikation zu erschließen. Die PR-Wissenschaft hat bisher ambivalent auf Habermas’ Öffentlichkeitstheorie reagiert. In kritischer Habermas-Perspektive wird PR als manipulative Praxis entlarvt. In positiver Habermas-Lesart hingegen werden normative Maßstäbe für eine qualitativ gehaltvolle, verständigungsorientierte strategische Kommunikation abgeleitet.

Mark Eisenegger
Luhmann (1996): Die Realität der Massenmedien

Niklas Luhmann beschreibt Massenmedien als gesellschaftliches Funktionssystem, das aus den drei Programmbereichen (1) Nachrichten und Berichte, (2) Unterhaltung und (3) Werbung besteht. Auch wenn die für ein Funktionssystem konstitutiven Bestimmungsmerkmale nicht in einer Stringenz ausgearbeitet werden, die Zweifel an der Einheit des Systems zerstreuen könnte, hat das Werk doch bis heute eine gewisse Anziehungskraft und fungierte als Initialzündung für die Einbeziehung strategischer Kommunikation in die kommunikationswissenschaftliche Systemforschung.

Joachim Preusse
Noelle-Neumann (1980): Die Schweigespirale

Die Schweigespirale ist eine Theorie der öffentlichen Meinung und eine Medienwirkungstheorie. Im Kern besagt sie, die Furcht, sich zu isolieren, führe dazu, dass Menschen nicht zu ihrer Meinung stehen, wenn sie ein Meinungsklima wahrnehmen, in dem eine andere Meinung die (vermeintliche) Mehrheitsmeinung ist. Sie verfallen dann in Schweigen, wogegen diejenigen, die sich in der Mehrheit wähnen, immer lautstärker werden. Für die strategische Kommunikationsforschung bietet die Theorie der Schweigespirale zahlreiche Ansätze zur theoretischen Weiterentwicklung wie zur empirischen Erforschung.

Juliana Raupp

Organisation & Entscheidung

Einführender Überblickstext „Organisation & Entscheidung“

(Hinweis an den Verlag: einfach den Text-Beginn nehmen)

Peter Winkler
Ajzen (1985): A theory of planned behavior

Mit seinem Schlüsselwerk begründete Icek Ajzen (1985) die Theorie des geplanten Verhaltens. Er entwickelte die Theorie als Erweiterung der Theory of Reasoned Action, um auch solches Verhalten erklären zu können, das nicht willentlich kontrollierbar ist. Die Theorie gilt als eine der wichtigsten sozialpsychologischen Theorien zur Erklärung von Verhalten. Für die strategische Kommunikation ist sie als Grundlage für die Entwicklung von Interventionen zur Verhaltensänderung relevant. Typische Anwendungsbereiche sind Gesundheits-, Wissenschafts- und Umweltkommunikation sowie Public Relations.

Constanze Rossmann
Freeman (1984): Strategic Management

Der Begriff Stakeholder gehört zum klassischen Vokabular der strategischen Kommunikation. Demgegenüber hat der Stakeholder-Ansatz, der sich ausdrücklich als Managementansatz versteht, hier erst später im Zuge von Wertschöpfungs- und Nachhaltigkeitsdiskussion weitergehenden Eingang gefunden. Da sich der Einfluss von Stakeholdern nicht auf die direkt am Wertschöpfungsprozess beteiligten Gruppen beschränkt, ist das Thema heute aus aktuellen Diskursen nicht mehr wegzudenken. Der hohe Stellenwert von Kommunikation im Umgang mit Stakeholder-Beziehungen legt perspektivisch die Annahme nahe, dass sich Kommunikationsmanagement absehbar zu Stakeholder-Management weiterentwickelt.

Peter Szyszka
Kühl (2018): Organisationskultur

Dem dominierenden weiten Verständnis von Organisationskultur, zu dem so unterschiedliche Phänomene wie grundlegende Annahmen, Taken-for-granted-Verhalten oder das Organisationsklima gezählt werden, setzt Stefan Kühl in dem Schlüsselwerk ein enges Verständnis entgegen. In Anlehnung an Luhmann konzipiert er Organisationskultur als die Summe der informalen Strukturen bzw. nichtentschiedenen Entscheidungsprämissen. Dabei unterscheidet er zwischen prinzipiell entscheidbaren, aber nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen sowie unentscheidbaren Entscheidungsprämissen.

Olaf Hoffjann
Luhmann (2000): Organisation und Entscheidung

In „Organisation und Entscheidung“ legt Niklas Luhmann die Grundzüge seines Verständnisses von Organisationen als autopoietische Systeme dar. Organisationssysteme operieren entlang ihrer spezifischen System-Umwelt-Differenz und erreichen über die kommunikative Form der Entscheidung Geschlossenheit und Wiedererkennbarkeit. Das Werk bietet für die strategische Kommunikationsforschung zahlreiche Anknüpfungspunkte: von der erwartungsleitenden Verfasstheit organisationaler Entscheidungsprämissen über die beobachtungsorientierte Definition von Steuerung bis hin zu Überlegungen zur gesellschaftlichen Evolution von Organisationen.

Anke Oßwald
Meyer und Rowan (1977): Institutionalized organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony

Der Aufsatz von John W. Meyer und Brian Rowan hinterfragt die Vorstellung von Organisationen als rationale Zweckorganisationen. Die Autoren stellen die These auf, dass formale Organisationsstrukturen nicht bestehen, weil sie eine effiziente Aufgabenerfüllung gewährleisten, sondern weil sie durch institutionalisierte gesellschaftliche Erwartungen geprägt sind. Tatsächlich können die gesellschaftlich legitimierten Organisationstrukturen eine effiziente Aufgabenerfüllung sogar behindern. Um dieses Dilemma aufzulösen, kommt es zu einer Ausweichbewegung in Form der „Entkopplung“ von formaler Struktur und Arbeitsebene.

Paula Nitschke
Miller (2015): A Crude Look at the Whole: The Science of Complex Systems

Vorgestellt wird die Theorie komplexer adaptiver Systeme als neuer Zugang, um die Rolle der strategischen Kommunikation von Organisationen in einer digitalen Öffentlichkeit realitätsnäher zu untersuchen und digitale Kommunikationsphänomene zu verstehen. Anhand von Beispielen aus anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen werden neun Kernmerkmale dieser Systeme aufgezeigt und ihre Anwendung in der strategischen Kommunikation angeregt.

Irina Lock, Djamila Heß
Schimank (2000): Handeln und Strukturen

In Handeln und Strukturen entwickelt Uwe Schimank das theoretische Modell der Akteur-Strukturdynamiken; es gilt als einflussreicher Vorschlag, Handlungs- und Systemtheorien zu verbinden. Wie anderen Akteurstheorien ist ihm ein dynamischer Konnex zwischen der Mikro- und der Makro-Ebene zentral. Danach bringen Handlungen soziale Strukturen hervor, stärken, schwächen oder verändern sie, während zugleich Normen und Institutionen als Muster der Bewältigung von Interdependenzen zwischen Akteuren dieses Handeln beeinflussen. Derart kann Handeln nicht isoliert von Strukturen betrachtet werden und umgekehrt; beides sind wechselseitig wirksame Phänomene. Zentrale Begriffe bei Schimank sind handelndes Zusammenwirken, Transintentionalität und drei Arten sozialer Strukturen: Erwartungsstrukturen Deutungsstrukturen und Konstellationsstrukturen.

Klaus Kamps
Smith & Lewis (2011): Toward a Theory of Paradox

Mit diesem Schlüsselwerk liefern Wendy Smith und Marianne Lewis die Grundlage für eine allgemeine Theorie organisationaler Paradoxien. Ausgehend von der Annahme, dass sich spätmoderne Organisationen mit rasch ändernden, vielfältigen Umweltanforderungen konfrontiert sehen, sprechen sich die Autorinnen für eine Anerkennung dadurch ausgelöster organisationaler Paradoxien aus. Dazu leiten sie verschiedener Arten organisationaler Paradoxien ab, setzen ihr Paradoxie-Verständnis in Bezug zu angrenzenden Konzepten und schlagen ein Gleichgewichtsmodell zu einem strategisch nachhaltigen Umgang mit Paradoxien vor.

Peter Winkler
Taylor & van Every (2000): The Emergent Organization

Das Buch „The emergent organization: Communication as its site and surface“ von James R. Taylor und Elizabeth van Every, legte vor knapp 25 Jahren den Grundstein für die Theorieperspektive „Communication Constitutes Organization“ (CCO), die das Forschungsfeld Organisationskommunikation bis heute stark prägt. Der Beitrag stellt das wegweisende Buch in seinen Grundzügen vor und diskutiert die wesentlichen Implikationen für die Forschungsfelder Organisationskommunikation sowie Strategische Kommunikation.

Dennis Schoeneborn
Weick (1969): Der Prozeß des Organisierens

Entgegen dem damaligen Zeitgeist sprach sich Karl E. Weick 1969 in „The Social Process of Organizing“ dafür aus, dass Organisationen lernen müssen, mit Chaos umzugehen, anstatt diesem mit ausgefeilten Hierarchien zu begegnen. Das Werk liefert keine klaren Anweisungen, sondern zielt darauf ab, eine ‚Grammatik‘ zu schaffen, die die Wahrnehmung von Organisationen erklärt. Weicks Schlüsselkonzept Sensemaking handelt davon, wie Menschen Sinn in mehrdeutigen Situationen suchen. Weicks Ansatz ist vor allem in der Forschung über Issues Management bedeutsam.

Diana Ingenhoff, Philipp Bachmann

Wirkungen & Wirklichkeit(en)

Einführender Überblickstext „Wirkungen & Wirklichkeit(en)“

Wirkungen und Wirklichkeiten finden trotz ihrer immensen Relevanz eher selten Eingang in die empirische und theoretische Forschung zur strategischen Kommunikation. Das erstaunt umso mehr, wenn man bedenkt, wie präsent die Wirkungsforschung in anderen Fachgebieten der Kommunikationswissenschaft, wie beispielsweise in der politischen Kommunikation, der Gesundheits- und Wissenschaftskommunikation oder der Werbe- und Journalismusforschung, ist. Sind Wirkungen im Bereich der strategischen Kommunikation etwa weniger relevant? Dieser Gedanke ist nicht stichhaltig, wenn man die Ziele strategischer Kommunikation betrachtet: Hallahan et al. (2007, S. 3) definieren strategische Kommunikation als „purposeful use of communication by an organization to fulfill its mission“ – Kommunikation wird also zielgerichtet bzw. geplant eingesetzt, um eine spezifische „Mission“ zu erfüllen. Und bei der Erfüllung dieser „Mission“ geht es meist darum, das Verhalten bestimmter Stakeholder zu beeinflussen, also bestehende Verhaltensweisen zu verstärken oder zu verändern, manchmal auch neues Verhalten zu formen (Miller 1980). Diese Beeinflussung des Verhaltens erfolgt dabei nicht direkt im Sinne einer Stimulus-Response-Annahme, sondern über den Umweg von Einstellungen, Kognitionen, Emotionen und Intentionen (Perloff 2008; Stiff und Mongeau 2003). Interessanterweise sind diese und damit verwandte Konstrukte seit Jahrzehnten im Fokus der Forschung zur strategischen Kommunikation: So beschäftigt sich diese beispielsweise mit Reputation, Image, Vertrauen oder Legitimität und rückt diese ins Zentrum fachlicher Debatten (Barnett et al. 2006; Einwiller 2014; Merkelsen 2011; Seiffert-Brockmann 2016). Doch bleibt es oft bei der Begriffsbestimmung und Abgrenzung sowie der Messung der Konstrukte – zugrunde liegende Wirkungen werden deutlich seltener empirisch untersucht (Koch 2021) und auch Wirkungstheorien und -modelle werden kaum entwickelt (mit wenigen Ausnahmen zu CSR und Krisen, vgl. z. B. Coombs 2007; Kim 2019).

Thomas Koch
Berger & Luckmann (1966): The Social Construction of Reality

Das Buch von Peter L. Berger und Thomas Luckmann hat den Rang eines soziologischen Klassikers. Die Autoren begründen darin eine neue Wissenssoziologie, die an der Interaktion der Individuen in der Alltagswelt ansetzt und erklärt, wie durch ko-konstruktive Prozesse gesellschaftliche Wirklichkeit geschaffen wird. Das Werk sensibilisiert die strategische Kommunikationsforschung für die Dialektik von Individuen und Institutionen. Es zeigt Potenziale für ‚strategische Institutionalisierung‘ auf, verdeutlicht aber auch Grenzen einer strategischen Bearbeitung der institutionellen Umwelt.

Paula Nitschke
Chaiken, Liberman & Eagly (1989): Heuristisch-Systematisches Modell

Das Heuristisch-Systematische Modell (HSM) unterscheidet zwei idealtypische Modi der Verarbeitung persuasiver Botschaften: die wenig aufwendige heuristische Verarbeitung bei geringer Motivation oder Verarbeitungskapazität sowie die aufwendige systematische Verarbeitung, die bei hoher Motivation und Kapazität zusätzlich auftritt. Die Verarbeitung persuasiver Botschaften kann drei Motiven dienen: Akkuratheit, Verteidigung und Eindrucksmanagement. Das Zusammenspiel der beiden Modi wird durch verschiedene Hypothesen (Abschwächung, Additivität, Verstärkung, Verzerrung) beschrieben.

Sabine Einwiller, Gerd Bohner
Entman (1993): Framing

Der kurze Text Robert M. Entmans hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die Framing-Forschung und weist bis heute eine enorme Sichtbarkeit auf. Dies liegt an seiner breit zitierten Frame-Definition und der Idee, Frames über vier Frame-Elemente fassbar zu machen. Entmans Elemente sind abstrakt und zugleich konkret genug, um sie auf diverse Themen übertragen und in Inhaltsanalysen operationalisieren zu können. Durch sein Schlüsselwerk ist es theoretisch und methodisch greifbarer geworden, wie Akteure um Deutungen ringen.

Daniel Völker
Friestad & Wright (1994): The Persuasion Knowledge Model

Mit dem Persuasion Knowledge Model präsentierten Marian Friestad und Peter Wright 1994 ein theoretisches Modell, das beschreibt, wie Menschen Persuasionsversuche bewältigen (coping). Eine zentrale Rolle spielt dabei das Persuasionswissen. Es beschreibt das Wissen z. B. über persuasive Taktiken und Ziele oder die Wirksamkeit von Persuasionsversuchen. Mit dem Modell legen die Autor:innen die Basis für eine Persuasionstheorie, die erklärt, wie Wissen über Persuasion entsteht, angewandt wird und sich auf den Persuasionserfolg auswirkt.

Johannes Beckert
Hovland, Janis & Kelley (1953): Communication and Persuasion

Carl Hovland, Irving Janis und Harold Kelley stellen in dem Schlüsselwerk verschiedene Studien vor, die Wirkungen persuasiver Kommunikation analysieren. Die Autoren und deren Forschungsgruppen führten diese Untersuchungen im Rahmen des sog. „Yale Communication and Attitude Change Programs“ durch. Dieses, von der Rockefeller Foundation umfänglich geförderte, Programm sollte erforschen, wie sich Einstellungen, Intentionen und Verhalten erfolgreich beeinflussen lassen. Die im Buch berichteten Befunde zeigen, dass verschiedene Merkmale der Quelle, der persuasiven Nachricht selbst und Eigenschaften der Rezipierenden die Effektivität persuasiver Kommunikation moderieren.

Thomas Koch
Kahneman (2012): Schnelles Denken, langsames Denken

Wir Menschen glauben gerne an unsere Entscheidungsfreiheit, tagtäglich erleben wir das Gefühl von Handlungsmacht. Daniel Kahneman stellt diese Sichtweise mit seinem Buch Schnelles Denken, Langsames Denken massiv in Frage. Wie kein Zweiter versteht er es, mithilfe anekdotischer Rückgriffe auf bahnbrechende psychologische Studien unser Verständnis von begrenzter Rationalität zu vertiefen. Das Buch ist eine Einladung, die Rolle menschlicher Kognition im Prozess der strategischen Kommunikation neu zu denken und eine neue Theorie der (strategischen) Verhaltenskommunikation zu entwickeln.

Jens Seiffert-Brockmann
Katz & Lazarsfeld (1955): Personal Influence

Personal Influence ist eines der einflussreichsten Werke der Massenkommunikationsforschung der Nachkriegszeit. Elihu Katz und Paul Lazarsfeld entwickeln darin nicht nur den Two-Step Flow of Communication, aufbauend auf vorangegangenen Werken der sog. Columbia-Schule, weiter, sondern konkretisieren auch das Meinungsführerkonzept. Zentral ist die These, dass sich Einflüsse von Medieninhalten auf Menschen nicht direkt entfalten, sondern diese über die Kommunikation mit anderen Menschen vermittelt werden. Sie integrieren damit die interpersonale Kommunikation in Massenkommunikationsprozesse.

Nora Denner
Kunda (1990): Motiviertes Denken

Kunda argumentiert, dass Motivation das Denken und Schlussfolgern beeinflussen kann. Hat eine Person die Motivation, korrekt zu sein, wendet sie die kognitiven Prozesse an, die am wahrscheinlichsten zu einer korrekten Schlussfolgerung führen. Häufig haben Menschen aber die Motivation, zu bestimmten Schlussfolgerungen zu gelangen. Dann dominieren kognitive Prozesse, die die bevorzugte Schlussfolgerung am wahrscheinlichsten machen. Die Fähigkeit, bevorzugte Schlussfolgerungen zu ziehen, ist dadurch eingeschränkt, dass Personen vertretbare Rechtfertigungen konstruieren möchten.

Sabine Einwiller
McCombs & Shaw (1972): Agenda Setting

Mit ihrem 1972 publizierten Aufsatz zur Agenda-Setting-Funktion der Massenmedien begründeten McCombs und Shaw eine empirische Forschungstradition, die sich mit vielfältigen Thematisierungsfunktionen der Medien beschäftigt. In der strategischen Kommunikationsforschung finden sich zahlreiche Anwendungen zu Wechselwirkungen zwischen Medien, Organisationen, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit. Dazu gehören Auswirkungen der Medienberichterstattung auf die Reputation von Unternehmen, die öffentliche Wahrnehmung von Wirtschaftsthemen sowie der politische Einfluss von Organisationen.

Anke Wonneberger
McGuire (1968): Personality and Attitude Change

McGuires Modellierung zum Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen im Persuasionsprozess gilt als zentrales Werk der Kognitionspsychologie. Die Grundidee eines sechsstufigen Informationsverarbeitungsprozesses, der vom Absenden der Nachricht bis zur Einstellungsänderung und darauf beruhenden Handlungen reicht, inspirierte zahlreiche weitere theoretische wie empirische Arbeiten aus verschiedensten Disziplinen. Darüber hinaus ist der Beitrag auch mehr als 50 Jahre nach seiner Entstehung ein hervorragendes Beispiel für das Zusammenspiel komplexer theoretischer Überlegungen und empirischer Forschung.

Benno Viererbl
Merton (1949): Patterns of Influence

Der Buchbeitrag stellt die sog. Rovere-Studie von Robert K. Merton vor. Die qualitative Befragung von EinwohnerInnen einer US-Kleinstadt erbrachte Erkenntnisse zur Identifikation und Differenzierung von Meinungsführenden sowie zur Verschränkung von interpersonaler und massenmedialer Kommunikation. Die Studie wird in der strategischen Kommunikationsforschung im Vergleich zu anderen Feldern bislang selten thematisiert. Ihre Erkenntnisse werfen jedoch zentrale Fragen für die Forschung zu externer wie interner Kommunikation auf und bieten zahlreiche Impulse, z. B. für die Betrachtung von Influencer Relations.

Helena Stehle
Von Glasersfeld (1997): Radikaler Konstruktivismus

Ernst von Glasersfeld entwickelt in dem Schlüsselwerk „Radikaler Konstruktivismus“ die Grundlagen dieser erkenntnistheoretischen Perspektive. Der Radikale Konstruktivismus grenzt sich von realistischen Positionen ab und geht von der Unzugänglichkeit der Welt aus. Alles Wissen existiere nur in den Köpfen von Menschen. Dem (Überein)Stimmen realistischer Wahrheitstheorien setzt der Radikale Konstruktivismus das Passen und den Viabilitätsbegriff entgegen. Kognitive Strukturen sind viabel, wenn sie zu neuen Erfahrungen ebenso passen wie zu anderen benutzten Schemas und Theorien. Durch Interaktionen können sich viable Strukturen bewähren, sodass die Unterstellung einer gemeinsamen Wirklichkeit entsteht. In der strategischen Kommunikationsforschung sind mit dem Radikalen Konstruktivismus insbesondere die Besonderheiten von PR-Wirklichkeiten vielfach beschrieben worden.

Olaf Hoffjann

Macht & Kritik

Einführender Überblickstext „Macht & Kritik“

(Hinweis an den Verlag: Einfach den Text-Beginn nehmen)

Kerstin Thummes
Horkheimer und Adorno (2004): Dialektik der Aufklärung

Ausgangspunkt der Dialektik der Aufklärung ist die Frage, warum es Jahrhunderte nach der Aufklärung zu Faschismus und industrieller Massenvernichtung kommt. Die Autoren vertreten die These, dass in industriekapitalistischen Gesellschaften Vernunft lediglich als Rationalität des homo oeconomicus verstanden und im Alltag gelebt wird. Ergebnis sei nicht Freiheit, sondern moralische Indifferenz und totalitäre Herrschaft. Der Beitrag zeichnet die Kernargumente der vierteiligen philosophische Kulturanalyse nach, wobei der Schwerpunkt auf der Konzeption von Kulturindustrie und Massenmedien liegt.

Peter Gentzel
Blau (1964): Exchange and Power in Social Life

In seinem Werk „Exchange and Power in Social Life“ (1964) geht Peter M. Blau der Frage nach, wie soziale Strukturen, die seiner Konzeptualisierung nach durch individuelle und kollektive Tauschprozesse entstehen, soziales Handeln gleichzeitig ermöglichen und beschränken. Blau versucht über die Kombination einer mikrosoziologischen Betrachtung individueller Beziehungen, makrosoziologische Schlüsse über Kräfteverhältnisse in einer sozialen Ordnung herauszuarbeiten. Zentral diskutierte Begriffe in Blaus Austauschtheorie sind unter anderem der soziale Austausch, individuelle Erwartungen, soziale Integration und Differenzierung, Macht, Legitimation, Kooperation und Opposition.

Julia Stranzl
Bourdieu (1979): Entwurf einer Theorie der Praxis

Bourdieus „Entwurf einer Theorie der Praxis“, den er im Grunde über sein Werk hinweg fortgeschrieben hat, ist im Kontext von Public Relations und strategischer Kommunikation bislang kaum rezipiert worden. Gerade weil sich dieser Gegenstand auf der Schnittstelle zwischen sozialwissenschaftlich geprägter PR-Forschung und Management-Ansätzen bewegt, liefern seine als Theoreme entwickelten Schlüsselbegriffe, allen voran Habitus, Strategie, soziales Feld und soziales Kapital, ein noch weitgehend unerschlossenes Potenzial für eine tiefer gehende integrative Erklärung von Zusammenhängen strategischer Kommunikation.

Peter Szyszka
Collins und Bilge (2020): Intersectionality

Der Beitrag beleuchtet das Werk der amerikanischen Soziologin Patricia Hill Collins und legt den Schwerpunkt auf ihre Überlegungen zu Intersektionalität. Damit ist die Beobachtung gemeint, dass verschiedene soziale und politische Merkmale einer Person (wie beispielsweise Geschlecht oder soziale Klasse) zu Formen von Diskriminierung oder Privilegierung führen und sich aufschichten können. Zusätzlich führen diese Merkmalskombinationen zu sehr spezifischen Erfahrungs- und Lebenswelten. Nach einer Kurzbiografie der Autorin werden die Entstehungsgeschichte sowie der gesellschaftliche Kontext des Werkes skizziert. Dabei werden zentrale Konzepte vorgestellt (bspw. Matrix of Domination und die Demokratisierung von Wissensproduktion) und insbesondere auf die Verzahnung von kritischer Analyse und gesellschaftlich orientiertem, aktivistischem Handeln eingegangen. Nach der kurzen Einführung der Kernkonzepte und Prämissen wird der Inhalt des Werkes zusammengefasst, die kritische Rezeption und Wirkungsgeschichte wiedergegeben und Potenziale für die strategische Kommunikationsforschung aufgezeigt.

Melanie Malczok
Jullien (1999): Über die Wirksamkeit

In Francois Julliens „Über die Wirksamkeit“ wird ein alternativer Weg zum westlichen Zugang zu Strategie und Wirksamkeit gelegt, der über den ‚Umweg China‘, also die chinesische Philosophie verläuft. Jullien zeigt, dass aus westlicher Perspektive Strategie immer vom einzelnen Unternehmen gedacht ist und Wirksamkeit als Annäherung an ein hypothetisches Ideal konzipiert wird, das es zu erhalten gilt. In der chinesischen Philosophie hingegen ist Wirksamkeit etwas, das sich zwangsläufig einstellt und sich aus dem Potenzial einer Situation ergibt. Der Beitrag zeigt die zentralen Argumentationslinien von Julliens Text auf und zeichnet seine Wirkungsgeschichte in der strategischen Kommunikationsforschung nach.

Lars Rademacher
Laclau und Mouffe (1991): Hegemonie und radikale Demokratie

Gegen deterministische Gesellschaftskonzeptionen stellt die poststrukturalistische Sozialtheorie von Laclau und Mouffe die – im Begriff der Hegemonie zusammengezogene – Unabschließbarkeit und Machtförmigkeit jedes Diskurses heraus. Radikale Demokratie erweist sich als die diesem Befund angemessene, vorzugswürdige Form der politischen Ordnung. In analytischer (Hegemonie) wie auch in normativer Hinsicht (radikale Demokratie) liefert das Schlüsselwerk wichtige Impulse für die Forschung zu strategischer Kommunikation, die sich überdies in der disziplinären Selbstreflexion fruchtbar machen lassen.

Oliver Raaz
Lyotard (1979): Das postmoderne Wissen

Jean-François Lyotard, einer der Autoren des philosophischen Postmodernismus, entwirft 1979 eine Gesellschafts- und Zeitanalyse, die viele der heute aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen der Kommunikations- und Informationsgesellschaft vorwegnimmt. Sein Ausgangspunkt sind Wissen und Wissenschaft in der modernen Gesellschaft vor dem Hintergrund einer zunehmenden Datafizierung aller Teilsysteme. Letzten Endes geht es Lyotard aber vor allem um das Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft und um Fragen nach Macht und Gerechtigkeit.

Lisa Dühring
Schlüsselwerke für die strategische Kommunikationsforschung. Eine Einleitung

Schlüsselwerk-Bände stellen immer den Versuch einer Kanonisierung dar. Das Versprechen lautet, möglichst viele relevante Werke eines Forschungsfeldes zu berücksichtigen. Das provoziert (zum Glück) vielerorts Kritik: Warum sollen die Werke A und B wichtig sein? Und warum fehlen die Werke X, Y und Z? Im Zentrum dieser Kritik stehen völlig zu Recht die Herausgeber*innen und ihre Auswahlentscheidungen. Angesichts der Vielzahl der mittlerweile vorliegenden Schlüsselwerk-Bände würde man schon eine Inhaltsanalyse zu den Begründungen und Methoden zur Auswahl von Schlüsselwerke erwarten – vielleicht gibt es sie schon längst. Ein Satz wird wohl in ähnlicher Form in einer jeden Einführung zu finden sein: „Die Herausforderung bei der Auswahl von Schlüsselwerken besteht darin, dass es kein eindeutiges Kriterium dafür gibt, welche Bücher und Artikel als Schlüsselwerke betrachtet werden können und welche nicht“ (Kühl 2015, S. 19). Das gilt auch für diesen Band. Diese Auswahl der Schlüsselwerke ist nur eine von vier Entscheidungen, die in dieser Einführung begründet werden und die sich direkt aus dem Titel „Schlüsselwerke für die strategische Kommunikationsforschung“ dieses Bandes ergeben. Zu benennen ist erstens das Forschungsfeld, also das Verständnis von strategischer Kommunikation. Wie zu zeigen sein wird, hängt von diesem Verständnis ab, welche Diskurse und damit welche Schlüsselwerke überhaupt in Betracht kommen. Zweitens ist der Begriff der strategischen Kommunikationsforschung begründungspflichtig. Drittens ist zu begründen, warum dieser Band nicht „Schlüsselwerke der strategischen Kommunikationsforschung“, sondern „Schlüsselwerke für die strategische Kommunikationsforschung“ heißt. All das ist die Voraussetzung, um schließlich viertens die Frage nach den Auswahlkriterien und dem Auswahlprozess der in diesem Band vorgestellten Schlüsselwerke zu erläutern – und damit zur Diskussion zu stellen.

Olaf Hoffjann, Swaran Sandhu
Metadaten
Titel
Schlüsselwerke für die Strategische Kommunikationsforschung
herausgegeben von
Olaf Hoffjann
Swaran Sandhu
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-45292-6
Print ISBN
978-3-658-45291-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-45292-6

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