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1990 | OriginalPaper | Buchkapitel

Schlußwort

verfasst von : Jørgen Kjaer

Erschienen in: Friedrich Nietzsche

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Es gibt in diesem Buch keinen Schluß in dem Sinne, daß die Ergebnisse der Untersuchung nunmehr in schöner Abrundung vorgelegt werden können. Die vorausgehende Analyse ist ein Moment einer noch andauernden Auseinandersetzung mit Nietzsche, mit dem Problem der Humanität, der menschlichen Existenz und mit mir selbst. Folgendes hoffe ich doch im vorhergehenden plausibel begründet zu haben:1.Nietzsches Persönlichkeitsstruktur, sein Verhältnis zu anderen Menschen, seine Einstellung zum Leben, zur Welt und zum menschlichen Dasein, seine Leiden und seine Lebensprobleme sind vor allem das Ergebnis seiner Interaktion und Kommunikation mit der Mutter. Die Mutter ist für Nietzsche der Katalysator des Philosophierens und die Urheberin der Grundeinstellungen zur Welt, zum Menschen, zum Leben und zu ihm selbst, die in seiner Philosophie bewußt oder unbewußt zum Ausdruck kommen, und sie ist auch das verschwiegene, hintergründige Hauptthema und problem seiner Philosophie. In diesem Sinne ist Nietzsches Philosophie Vordergrund und Oberfläche. Nietzsche hat selber nachdrücklich die Maskenhaftigkeit der Sprache thematisiert, d.h. den Sachverhalt, daß sie die Wahrheit — bei Nietzsche ein Weib — sowohl enthüllt als auch verbirgt. Man hat auch in diesem Zusammenhang Nietzsche idealisiert und ihm die Souveränität des maskenhaftironischen Spielens zugeschrieben. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, daß das, was die Sprache verbirgt, manchmal nicht nur dem Publikum verborgen bleibt, sondern auch dem Sprechenden. Das Verbergen kann den Charakter der Verdrängung oder des Selbstbetrugs haben. Ich habe versucht nachzuweisen, wie man wesentliche Aspekte von Nietzsches Philosophie als selbstbetrügerische, selbstidealisierende Selbstinszenierung auffassen kann, die die Konfrontation mit seinem eigentlichen Problem abwehren sollte. Solcher Illusionismus ist alles andere als ein Spiel, durch das der Lebensmächtige sich souverän über die Kleinlichkeiten des trivialen Lebens erhebt, er folgt vielmehr einem Zwang, da er vergeblich seiner Ohnmacht zu entkommen versucht.

Metadaten
Titel
Schlußwort
verfasst von
Jørgen Kjaer
Copyright-Jahr
1990
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-663-06748-1_12