Oberleitungs-Lkw sollen den Straßengüterverkehr dekarbonisieren. Drei Feldversuche mit O-Lkw gibt es in Deutschland. Doch die Öffentlichkeit, Hersteller und Politik zweifeln an der Technologie.
eHighway-Feldprüfung auf der Autobahn A5
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Lkw mit Oberleitungen (O-Lkw) werden seit einigen Jahren auf Teststrecken in Deutschland erprobt. Ähnlich einer elektrifizierten Eisenbahn bezieht das Fahrzeug den Strom mit einem Abnehmer aus einer Oberleitung. Der Vorteil: Kommt der Strom aus erneuerbaren Energiequellen fährt der Lkw lokal emissionsfrei statt mit Dieselantrieb. Auf Straßen ohne Oberleitungsinfrastruktur kommt ein Hybridsystem mit Diesel zum Einsatz. Alternativ lässt sich das System beispielsweise auch mit Batterie oder komprimiertem Erdgas betreiben. Ziel der Technologie ist also eine optimierte CO2-Bilanz aufgrund des eingesparten Dieselkraftstoffs.
Zur Erprobung der Oberleitungstechnologie sind drei Teststrecken in Deutschland gebaut worden: In Deutschland sind die sogenannten eHighways bislang auf der A5 zwischen Frankfurt und Darmstadt in Hessen sowie auf der A1 bei Lübeck in Schleswig-Holstein zu finden. Dort kommen jeweils O-Lkw von Scania zum Einsatz. Eine weitere Teststrecke gibt es in Baden-Württemberg entlang der B 462 im Murgtal bei Rastatt. Zuletzt ist die eHighway-Teststrecke in Hessen auf der A5 verlängert worden.
O-Lkw schon länger umstritten
Die drei Feldversuche mit Oberleitungen, durchgeführt von der deutschen Bundesregierung, sollen elektrische Antriebssysteme für schwere Nutzfahrzeuge testen und klären, wie sich Elektro-Lkw am besten mit Strom versorgen lassen – mit Batterien, Brennstoffzellen oder Oberleitungen? Für jede Optionen lassen sich Vorteile und Nutzen, aber Nachteile finden und Herausforderungen ausmachen. Doch vor allem die Oberleitungs-Idee wurde immer wieder heftig diskutiert: Sind sie statt Diesel-Trucks eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Lösung? Oder ein Irrweg, der Ressourcen und Staatsmittel verschwendet?
Um diese Fragen zu beantworten, haben das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), das Ifeu-Institut für Energie und Umweltforschung und das Öko-Institut im Rahmen des Projekts Bold (Begleitforschung Oberleitungs-Lkw in Deutschland) die drei Feldversuche wissenschaftlich begleitet. Der Abschlussbericht der Begleitforschung ist jetzt erschienen. Erforscht wurden darin rechtliche Aspekte, die Energiebereitstellung und das Marktpotenzial der Oberleitungstechnologie. Das Fazit: Die Wissenschaftler halten Oberleitungs-Lkw für eine vielversprechende Option, was die Klima- und Umweltauswirkungen angeht. Sie machen aber auch Herausforderungen hinsichtlich Infrastruktur, Markteinführung und politischer Rahmenbedingungen aus.
Nüchterne Bilanz
Der Bericht erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem die Kritik an der Oberleitungs-Technologie wieder lauter wird. So hat der Hessische Rundfunk kürzlich eigene Nachforschungen zu den Feldversuchen angestellt. Das Ergebnis: Es gebe "absehbare Anfangsprobleme […], überraschende Schwierigkeiten und dauerhaft technische Probleme". Der Nutzen für die Umwelt sei unklar und die TU Darmstadt habe für die hessische Teststrecke errechnet, dass die Einsparung an Treibhausgas bei stabilem Betrieb und hoher Auslastung höchstens 22 % betragen könne. Daneben würden an der Anlage sowie den Lkw häufiger technische Defekte auftreten. Auch die Wirtschaftlichkeit sei zweifelhaft. Die baden-württembergische Teststrecke soll kommendes Jahr als erste abgerissen werden.
Laut Hessischem Rundfunk sei darüber hinaus das Interesse von Lastwagenproduzenten an den Versuchen "allenfalls gering", heißt es. Auch die Bold-Begleitforschung zeichnet hier ein kritisches Bild. Demnach sähe Daimler Truck die Technologie kritisch. Lkw-Hersteller wie Scania hätten eine sehr positive Einstellung gegenüber der Technologie und würden Fahrzeuge für Feldversuche in Schweden und Deutschland zur Verfügung stellen. Die Mehrheit der Lkw-Anbieter sei unentschlossen. Zudem sei laut dem Bericht deutlich geworden, dass sich viele Hersteller derzeit auf batterieelektrische Lkw und stationäres Laden fokussierten. Auch Brennstoffzellen-Lkw blieben weiter eine Option für einige Hersteller.
Wenig Interesse im Ausland und allgemeiner Wissensmangel
Ähnlich verhalten wie bei den Herstellern ist die Begeisterung auch im Ausland. Viele internationale Akteure würden laut Bold-Bericht auf die Entscheidung der deutschen Regierung warten und Deutschland als Schlüsselland wahrnehmen, nach dem sich andere Länder richten. Schweden und Frankreich seien ebenfalls wichtig, spielten jedoch aufgrund ihrer geografischen Lage (Schweden) oder wegen ihrem Fokus auf Lkw mit Stromschienen anstelle von Oberleitungen (Frankreich) eine untergeordnete Rolle. Länder wie Österreich, Dänemark, Großbritannien, Italien und die Niederlande würden klare Barrieren für die Technologie sehen, wenn Schlüsselländer wie Deutschland sich politisch nicht klar dazu bekennen. Auf EU-Ebene zeige eine Befragung, dass elektrifizierte Straßensysteme bisher keine große Rolle in politischen Diskussionen spielten.
Zudem herrsche in der Öffentlichkeit ein allgemeiner Wissensmangel und irreführende Informationen hinsichtlich Kosten und der technologischen Einsatzbereitschaft der verschiedenen alternativen Antriebsmöglichkeiten vor, so der Bold-Bericht. Anwohner und lokale politische Akteure seien hier am kritischsten gewesen.
Signal aus der Politik?
Machen weitere Schritte auf dem Weg zu einer möglichen Einführung vor diesem Hintergrund Sinn? Die Unterstützung des Oberleitungstechnologie scheint in der Öffentlichkeit, bei Herstellern und der Politik zu gering; ein Markt für Oberleitungs-Lkw nicht in Sicht. Die Technik ist hier nicht Knackpunkt, obwohl die Fahrzeuge und die Infrastruktur technologisch weiterentwickelt werden müssten. So sieht es auch Dr. Till Gnann, der die Forschungsaktivitäten im Bold-Projekt am Fraunhofer ISI koordinierte. "Im Bold-Projekt wurde deutlich, dass der Bau einer Oberleitungsinfrastruktur für das deutsche Autobahnnetz im Langstrecken-Straßengüterverkehr technisch möglich, aber sehr herausfordernd ist". Die Frage sei vielmehr, welche Technologie sich letztendlich durchsetzen wird, wie lange der Bau der Infrastruktur dauern wird und wie lange sie aufgrund einer geringen Auslastung subventioniert werden kann. Es bedürfe "eines klaren Signals und einer Entscheidung in naher Zukunft für die Verwendung von elektrischen Oberleitungs-Lkw durch die deutsche Bundesregierung", so Gnann. Ob dieses Signal kommt, ist derzeit fraglich.