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23.03.2021 | Selbstmanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Resilienz ist ein dynamischer Prozess

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Aufgaben stapeln sich, Kollegen mobben, der Chef flippt aus - und auch noch Corona: Manchen Beschäftigte kann dieser Wahnsinn nichts anhaben. Aber einige Menschen leiden psychisch darunter. Die Gute Nachricht: Resilienz ist erlernbar.

Auch wenn im Corona-Jahr 2020 der Krankenstand gesunken ist (15,1 Fehltage), verzeichnet die Techniker Krankenkasse (TK) bei den Krankschreibungen aufgrund psychischer Diagnosen wie Depressionen und Angststörungen wieder einen Anstieg. So war jeder TK-versicherte Erwerbstätige statistisch gesehen im letzten Jahr aufgrund einer psychischen Diagnose durchschnittlich 2,98 Tage krankgeschrieben. Das ist ein erneuter Anstieg gegenüber den Vorjahren (2019: 2,89; 2018: 2,77; 2017: 2,71 Tage).

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Resilienz für die VUCA-Welt

Individuelle und organisationale Resilienz entwickeln

VUCA (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) bestimmt unsere Umwelt, im privaten wie im Unternehmenskontext. Krisen stehen auf der Tagesordnung, so dass Krisenantizipation, Anpassung, Regeneration von und Lernen aus der Krise immer wichtiger werden.

Corona zermürbt die Psyche

Die Corona-Pandemie ist zu einer zusätzlichen psychischen Belastung geworden. Wie das Kölner Rheingold Institut in einer tiefenpsychologischen Untersuchung (03/2021) ermittelt hat, ist die Stimmung in Deutschland infolge der Corona-Krise und wiederholter Shutdowns von Zermürbung, Aggressivität und Hoffnungslosigkeit geprägt. Die Deutschen trauern vor allem um verlorene Lebenszeit.

Das eröffnet die Frage, was Menschen tun können, um ihre psychische Widerstandskraft zu stärken - auch im beruflichen Kontext. Die Antwort darauf geben Psychologen. "Eine wichtige Ressource und zugleich Selbstmanagementkompetenz stellt Resilienz dar", schreiben Laura Helmin, Michelle Jakat und Ottmar L. Braun über "Positive Psychologie und Resilienztechniken". Was der Begriff meint, eröffnet die Wortherkunft. Resilienz wird abgeleitet von dem lateinischen Wort "resilire" und bedeutet 'zurückspringen' oder 'abprallen'. 

Resilienz als Selbstmanagementkompetenz stärken

Es geht also um die Fähigkeit, in schwierigen Lebenssituationen gewappnet zu sein, sich nicht unterkriegen zu lassen oder gar daran zu zerbrechen. Dabei meint die Psychologie, dass jeder selbst beeinflussen kann, wie er mit Stress und Rückschlägen umgeht, betonen Helmin, Jakat und Braun. Um stressresistenter zu werden, eignen sich daher gezielte Trainings, ist sich die Forschung einig.

Der Weg zum Erfolg beziehungsweise zur mentalen Stärke lautet also Resilienz als Selbstmanagementkompetenz zu stärken, etwa mit positiver Psychologie, Selbstdisziplin, Zielklarheit, Zeitmanagement und Arbeitstechniken, Selbst-PR, Networking und Small-Talk. Werden diese Techniken geübt, profitieren Betroffene durch Optimismus, Motivation und mehr Lebenszufriedenheit. Gleichzeitig nimmt destruktives Verhalten ab. Burnout, psychosomatische Beschwerden, depressive Verstimmungen und Fehlzeiten gehen zurück, lautet das Heilsverprechen der Psychologie.

Psychische Widerstandskraft ist vielschichtig

Doch die Einflussfaktoren auf die Resilienz sind alles in allem sehr vielschichtig, warnen Heike Kuhlmann und Sandra Horn. "Sie liegen sowohl im System 'Unternehmen' begründet als auch beim Einzelnen, und häufg gibt es neben beruflichen auch private Faktoren, die die Situation 'befeuern'. Auf jeden Fall kann jedoch eine übertriebene [...] Leistungskultur gegenteilige Auswirkungen haben als erwartet: Unzufriedenheit, kranke Menschen, Leistungsrückgang, Ineffizienz und der Beginn von abnehmender Wettbewerbsfähigkeit."

Da atmet der stress- und corona-geplagte Arbeitnehmer erleichtert auf. Nicht alles ist also in ihm selbst zu suchen. Auch der Arbeitgeber ist in der Pflicht, Rahmenbedingungen für die psychische Gesundheit zu schaffen. Die Springer-Autorinnen definieren folgende Handlungsfelder für Unternehmen: 

  • Mitarbeiter müssen wieder mehr im Mittelpunkt stehen.
  • Die Unternehmenskultur sollte das Miteinander und Zugehörigkeitsgefühl fördern, sodass Mitarbeiter mitgestalten können und Sinn erleben. 
  • Mitarbeiter brauchen Unterstützung, wie sie Druck und Veränderungen bewältigen können.
  • "Mehr für sich zu tun", muss erlaubt sein und sollte von Führungskräften vorgelebt werden. Diese brauchen zudem psychosoziale Kompetenz, um ihre Mitarbeiter zu unterstützen und zu stärken.
  • Coaching oder Resilienztrainings gehören in den Unternehmensalltag, um bei Beschäftigten mentale Stärke und individuelle Resilienz zu fördern. 

Warnen möchten wir an dieser Stelle davor, dass das Thema Resilienz von Unternehmen missbraucht wird. [...] Unternehmen könnten es ausnutzen wollen nach dem Motto: Je mehr Widerstandskraft, umso mehr Arbeit können wir den Mitarbeitern aufbürden. Der Schuss geht garantiert nach hinten los: Da geht am Ende auch die stärkste Psyche kaputt. Und natürlich würde nicht nur intern die Unzufriedenheit weiter steigen, sondern auch das Image des Unternehmens im Außen darunter leiden. Alles im allem eine sehr "ungesunde" Entwicklung! (Heike Kuhlmann und Sandra Horn, in "Resilienz", Seite 166)

Sieben grundlegende Resilienzfaktoren

Resilienz ist kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sondern entwickelt sich in der Interaktion mit der Umwelt, betonen Kuhlmann und Horn, und könne auch im Erwachsenenalter trainiert werden. In diesem Zusammenhang verweisen die Autorinnen auf das Modell von Monika Gruhl, die sieben Resilienzfaktoren definiert hat:

  1. Zukunft gestalten: An den eigenen Werten und Bedürfnissen orientierte Ziele setzen und verfolgen. 
  2. Akzeptanz: Das Unabänderliche annehmen. 
  3. Verantwortung: Die Opferrolle verlassen.
  4. Optimismus: An die Möglichkeit eines positiven Ausgangs glauben, statt Selbstmitleid oder Schuldzuweisungen, die eigenen Handlungsspielräume nutzen.
  5.  Selbstregulation: Den eigenen Zustand (Gedanken, Gefühle, Stimmungen) dem Kontext angemessen steuern.
  6.  Lösungsorientierung: Die Energie auf mögliche Lösungen richten, statt auf Probleme.
  7. Beziehungen gestalten: Gleichwürdige Beziehungen pflegen, Unterstützung geben und von anderen annehmen.

Neurowissenschaftliche Aspekte der Resilienzforschung

Noch stehe die Resilienzforschung erst am Anfang, so der Neurowissenschaftler Raffael Kalisch von der Universität Mainz, der Resilienz als dynamischen Prozess verstanden wissen will, der in Krisen aktiviert wird wie das Immunsystem. Die psychische Widerstandskraft resultiert für ihn aus einem Bewertungsstil des Menschen, der auch in schlimmen Situationen davon ausgeht, dass die Dinge einen positiven Verlauf nehmen werden. Wie dieser Bewertungsstil entsteht, was dabei im Gehirn passiert und wie diese Denkart gegebenfalls beeinflusst werden kann, untersucht der Mainzer Forscher in einer Langszeitstudie.

Nach seinen bisherigen Analysen unterschreibt der Wissenschaftler, das Resilienz lernbar ist. Im Buchkapitel "Resilienzforschung und ausgewählte Studien zur Resilienz", fasst Monika Huber seinen Ansatz zusammen. Demnach passt sich "dieses Bewertungssystem mit dem Erleben von Krisen und Widerständen" an, wächst mit, denn das Gehirn sei neuroplastisch veranlagt, also in der Lage, sich selbst zu verändern. "Damit ist gewährleistet, dass bis ins hohe Alter neue mentale Landkarten in den Gehirnen entstehen können." Jeder hat also eine Chance, einen psychischen Schutzschild gegen Stress und Krisen zu entwickeln. Nur die Frage nach dem Wie ist bislang noch nicht umfassend geklärt. 

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