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22.11.2016 | Smart Cities | Interview | Online-Artikel

"Das Smart Home darf kein Wolkenkuckucksheim sein"

verfasst von: Andreas Burkert

4 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Prof. Dr. Bernd Aschendorf

ist Professor für elektrische Maschinen und Gebäudesystemtechnik an der Fachhochschule Dortmund.

Das E-Haus des ZVEH vereint vernetzte Gebäudetechnik und intelligentes Energiemanagement. Im Gespräch mit Springer-Autor Bernd Aschendorf erfahren wir, warum es nicht richtungsweisend ist. 

Springer Professional: Herr Aschendorf, vor wenigen Wochen wurde auf der IFA in Berlin das E-Haus des ZVEH (Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke) präsentiert. Nahezu alles was Rang und Namen hat, lobt das Gebäude als das derzeit innovativste Haus. Ihnen aber gefällt es nicht. Warum?

Bernd Aschendorf: Das E-Haus macht von außen einen passablen Eindruck. Ein Teil widmet sich intensiv modernen Techniken der Gebäudesystemtechnik. Angefangen beim SmartMetering des Verbrauchs und regenerativer Energien über eine intelligente Küche, ein Badezimmer, ein Wohnzimmer mit Unterstützung für ältere Menschen (AAL) und ein Wohnzimmer mit Multimedia-Einbindung. So weit, so schön. Wenn Sie allerdings beispielsweise auf jene Darstellung blicken, die zeigt, wie im Netzwerk über Ethernet die einzelnen Systeme zusammengeführt werden, erkennen Sie bedauerlicherweise erste wesentliche Fehler.

Was meinen Sie damit konkret?

Betrachten wir etwa Free at home von Busch-Jaeger und eNet von Jung und Gira. Diese kommunizieren dort als offene Systeme am Ethernet. Dabei sind diese Systeme noch immer geschlossen und können nicht mit dem angeblichen Standard der Gebäudesystemtechnik KNX und anderen Systemen kommunizieren. Stand heute.

Dabei lassen sich die Systeme doch über einen Server konfigurieren?

Ja. Und natürlich lässt sich etwa eNet auch Web-basiert visualisieren. Dass das Tablet-Gateway aber nur 24 Aktoren adressieren kann, keine SmartMeter einbindet und bald nicht mehr am Markt angeboten wird, ist ärgerlich. Auch, dass es erhebliche Probleme mit der zugehörigen App für Android und iOS gibt wird verschwiegen. 

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Automatisierungspyramide der Gebäudeautomation

Standardisiert werden die verschiedenen Aufgaben der Gebäudeautomation in übereinander liegende Schichten angeordnet. Im Vergleich zur Industrieautomation, die die Aufgaben einer Maschinensteuerung in drei oder mehr Schichten anordnet, sind es in der Gebäudeautomation klassisch drei Schichten, die mit Feldbus-, Automations- und Leitebene bezeichnet werden.


Hat Ihnen denn nichts am E-Haus des ZVEH gefallen?

Doch. Beispielsweise die Möglichkeit der Nachrüstung. Ein sehr wichtiger Schritt des ZVEH. Immerhin ist es seit langem bekannt, dass im Nachrüstbereich, dem Retro-Fitting, wesentliche Umsätze zu erwarten sind.

Welches sind Ihrer Ansicht nach die größten Hindernisse zum Smart Home?

Nach wie vor ist die Information des Bauherren über das Smart Home das größte Hindernis. Kaum ein Elektroinstallateur ist in der Lage, Smart Home und Smart-Home-Produkte zu erklären und anzupreisen. Meist ist er, wenn überhaupt, geneigt, KNX anzubieten. Nach wie vor ist dies viel zu teuer und nur für die Nachrüstung geeignet. Eine gezielte, neutrale Bauherrenberatung mit Hauskonfigurator fehlt völlig.

Welche Chancen ergeben sich mit einem Smart Home speziell für Unternehmen?

Das Smart Home bietet den Unternehmen gute Absatzchancen und völlig neue Arbeitsfelder mit intelligenten Berufen, die weit über den bisher bekannten Systemintegrator hinaus gehen werden. Bald werden weiße Technik (Kühlschränke, Herde, etc.) mit brauner Technik (Radio, Fernsehen, Multimedia), Kommunikationstechnik zusammenwachsen und das Smart Home erst richtig intelligent machen. Der noch geringe Absatz der Gebäudesystemtechnik wird mit neutraler Bauherrenberatung und intelligenter Gebäudekonfiguration explodieren. Ich gehe von Verzehn- bis Verhundertfachung des Umsatzes mit Gebäudesystemtechnik aus. 

Welches sind Ihrer Ansicht nach die größten Stolperfallen bei der Umsetzung eines vernetzten Hauses?

Dies ist die Unkenntnis des Bauherren und auch Archtitekten über moderne Technologien, aktuelle Technologien (Internet of Things), Kommunikationstechnik et cetera. Auch die mangelhafte Ausbildung derjenigen, die zukünftig diese Produkte in Betrieb nehmen müssen, hilft uns nicht unbedingt weiter. Was sich auch dringend ändern muss, sind Dokumentationen der Produkte und Hotlines, hier wurden schlimmste Erfahrungen gesammelt.

Für wie sicher halten Sie die derzeit am Markt verfügbaren Systeme?

Darüber wird offen in Expertenzeitschriften diskutiert. Ich halte die gängigen Systeme derzeit noch nicht für sicher genug, erst recht wegen der mangelhaften Ausbildung. Wenn ich Ratschläge geben würde, dann: Keinesfalls das Smart Home öffnen, sondern mit dem Smart Home über automatisierte, intelligente E-Mails kommunizieren! Dies ist einigermaßen sicher.

Was müssen die am Markt etablierten Unternehmen noch leisten, um das "intelligente Haus“ voranzutreiben?

Sie müssen endlich ihre Arroganz gegenüber dem Markt ablegen, Hotlines müssen helfen und nicht lehrmeisterisch agieren, Dokumentationen müssen verständlich werden und insbesondere müssen die Kosten nach unten.

Kommen wir zurück zum E-Haus, warum ist es nicht für die Vermarktungsanregung geeignet ?

Weil die gezeigten Anwendungen und Systeme völlig am Anwender vorbeigehen. Wir benötigen die Darstellung bodenständiger Technik, nicht Wolkenkuckucksheime, wie Kameras in Kühlschränken, die schon nach 5 Minuten den neuen Inhaltszustand darstellen. Wir müssen hin zur echten neutralen Bauherrenberatung und zur einfachen Konfiguration von Häusern mit Bussystemen.

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