Social Medien haben in China eine große Relevanz. Yinyuan Liu erläutert im Interview, worauf deutsche Firmen achten müssen, wenn sie eine Social-Media-Strategie für den chinesischen Markt entwickeln.
Springer Professional: Warum sollten sich deutsche Unternehmen, die in China investieren wollen mit Social Media beschäftigen? Welche Relevanz haben Soziale Netzwerke in China?
Yinyuan Liu: Social Media sind heutzutage aus dem Unternehmensmarketing nicht mehr wegzudenken. Im Vergleich zu Europa in China aber eine ganz andere Dimension: Über 90 Prozent der fast 700 Millionen Internetnutzer sind in Sozialen Netzwerken aktiv. Besonders ist der Instant-Messenger-Dienst (IM) WeChat zu einem wichtigen Teil des Lebens vieler Chinesen geworden. Neben dem Versenden von Text- und Sprachnachrichten kann man damit auch Wasser- und Stromrechnungen begleichen, Banküberweisungen durchführen, Gelder verschenken, Flug-, Zug-, Eintrittskarten kaufen oder Taxis bestellen und bezahlen.
Auch Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen werden auf Social-Media-Kanälen häufiger ausgetauscht als hierzulande. Nicht nur positive sondern auch negative Produktbewertungen verbreiten sich deshalb schnell. Unternehmen in China, die heute nicht in den wichtigen chinesischen Social Media aktiv sind, laufen in Gefahr, (potenzielle) Kunden schnell an Konkurrenten zu verlieren und dadurch ihre Existenz zu gefährden.
Worauf müssen deutsche Unternehmen unbedingt achten, wenn sie für China eine Social-Media-Strategie entwickeln wollen?
Wichtig ist es, die chinesische Social-Media-Landschaft zu verstehen, die kulturellen Unterschiede und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erkennen und diese bei der Formulierung der Social-Media-Strategie zu berücksichtigen. Es ist wichtig, "Best Practices" der chinesischen Unternehmen zu identifizieren und von diesen zu lernen. Eine ständige Überwachung der wichtigen Social-Media-Kanäle ist geboten.
Welche kulturellen Aspekte gilt es zu beachten?
Kulturelle Anpassungen sind für Unternehmen in einem fremden Land generell erforderlich. In Bezug auf das Social Media Marketing in China sollten deutsche Unternehmen insbesondere die folgenden kulturellen Aspekte beachten:
- Präsentation und Kommunikation/Dialoge mit den Chinesen sollten immer auf Chinesisch erfolgen, egal auf welcher Plattform.
- Berücksichtigung der chinesischen Traditionen, Bräuche, Gepflogenheiten sowie der gesetzlichen Feiertage: Wie werden diese gefeiert? Was sind die Vorlieben und was ist verboten?
- Berücksichtigung des im Vergleich zu Deutschland unterschiedlichen Rechtssystems und dessen Wahrnehmung, zum Beispiel in Bezug auf Themen wie Internetzensur und "Shitstorm".
Welche Sozialen Netzwerke sollten die Basis einer Social-Media-Strategie in China bilden?
Zu den wichtigsten Social-Media-Kanälen zählen die IM-Dienste WeChat und QQ. Ende 2015 verzeichnete QQ monatlich über 840 Millionen aktive Nutzer und WeChat über 600 Millionen. Social Media Marketing über IM ist "der" Trend in China. Über 64,7 Prozent des Online-Marketings erfolgten im vergangenen Jahr über IM, vorrangig WeChat. Vor allen Dingen ist es für die Formulierung einer Social-Media-Strategie wichtig, dass diese überwiegend auf Smartphone-Nutzer abgestimmt ist. Neben den IM-Diensten sind auch die Microblogging-Dienste Sina Weibo und Tencent Weibo sowie das Video-Portal Youku relevante Social-Media-Kanäle in China.
Welche Bedeutung haben Marken in China im Vergleich zu Deutschland?
Marken mag jeder, sowohl in Deutschland als auch in China, denn Marken sind Zeichen von Qualität und Zuverlässigkeit. Aber die Beliebtheit von Marken ist in China deutlich höher, nicht zuletzt deswegen, weil viele Produkte in China schlechte Qualität haben und sich Konsumenten gezwungen sehen, Markenwaren mit guter Qualität zu kaufen. Zudem signalisieren Markenprodukte in China noch mehr als in Europa den sozialen Status. Deutschland genießt in China sehr guten Ruf und hat dort großartige Chancen, Marken über relevante Social-Media-Kanäle zu vermarkten. "Made in Germany" oder "Technik aus Deutschland" sind Qualitätsversprechen.