Hass-Kommentare setzen die Betreiber sozialer Netzwerke, allen voran Facebook, zunehmend unter Handlungsdruck. Aber auch das Community Management der Unternehmen ist entscheidend.
Das Niveau der Online-Kommunikation auf sozialen Netzwerken liegt auch in den Händen der Betreiber von Fanpages.
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Das Internet beflügelt nicht nur die freie Meinungsäußerung, sondern eröffnet häufig auch der ungezügelten Verbreitung von Hass und Hetze Türen, zum Beispiel in den sozialen Medien. Hass-Kommentare (Hate Speech) prägen das Nutzererlebnis immer stärker. Das färbt negativ auf die Reputation der Social Media ab. 98 Prozent der User lehnen Beleidigungen, Beschimpfungen und Falschinformationen, so genannte "Fake News", entschieden ab, wie eine repräsentative Forsa-Studie im Auftrag der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen Anfang 2019 ergab. Da gängige Internetplattformen bislang nur einen halbherzigen Einsatz zeigten, Probleme wie diese in den Griff zu bekommen und stattdessen für diverse weitere Skandale, zum Beispiel im Bereich des Datenschutzes, sorgten, ist auch die allgemeine Euphorie der User für die sozialen Netzwerke merklich abgeflaut.
So stellen die Studienautoren des Kompetenzzentrums Öffentliche IT des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme im diesjährigen Deutschland-Index der Digitalisierung fest, dass nur in den drei Bundesländern Hamburg, Rheinland-Pfalz und Saarland der Nutzeranteil sozialer Netzwerke geringfügig gestiegen ist. In allen anderen Bundesländern gaben bis zu 18 Prozent weniger aus den Reihen der Befragten an, von sozialen Medien Gebrauch zu machen. Nicht nur Zahlen wie diese, sondern vor allem die damit verbundenen Verluste an der Börse setzen die Plattform-Betreiber zunehmend unter Handlungsdruck, ihre Unternehmenspraxis auf den Prüfstand zu stellen.
Zwischen Hausregeln und Zensur
Politisch wurde mit dem umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Anfang 2018 in Kraft getreten ist, der Druck zusätzlich erhöht. Betreiber sozialer Netzwerke sind seitdem dazu verpflichtet, Fake News und Hass-Kommentare zu löschen sowie ihr Handeln in einem halbjährlich einzureichenden Transparenzbericht offenzulegen. Facebook ist dieser Pflicht offenbar nur unzureichend nachgekommen, so das Bundesamt für Justiz: Durch Nutzer eingereichte Beschwerden zu rechtswidrigen Inhalten, darunter Beleidigungen und Falschinformationen, sollen nur unvollständig dargelegt worden sein und auch beim Umgang mit Hass-Kommentaren mangele es an Transparenz. Die Folge war ein Bußgeldbescheid in Höhe von zwei Millionen Euro für das Unternehmen.
Facebook wehrt sich gegen die Vorwürfe und ist in Berufung gegangen. Die Begründung: Das soziale Netzwerk lösche die meisten Hass-Kommentare dank eines eigenen Kontrollsystems bereits, bevor sie von Nutzern gemeldet würden. Folglich hat Facebook zwischen Inhalten, die gegen die Facebook-Hausregeln verstoßen und nicht gemeldet wurden, und denjenigen, die gemäß des NetzDG gemeldet werden müssen, unterschieden. Ob diese Praxis tatsächlich rechtskonform ist, wird sich zeigen. In einer Stellungnahme betont der Konzern jedoch, die Investitionen im Kampf gegen Hate Speech kontinuierlich aufzustocken. Auch Twitter kündigte an, seine Regeln gegen Hass-Kommentare erneut verschärfen zu wollen. Da dem Microblogging-Dienst wegen seiner Löschpraxis bereits des Öfteren Zensur vorgeworfen wurde, ist aber noch keine zufriedenstellende Lösung des Problems sichtbar.
Netiquetten für den zivilisierten Austausch
Die Image-Krisen einschlägiger Social-Media-Plattformen sitzen folglich tief, was das Nutzerverhalten unmittelbar beeinflusst. Werbetreibende Marken und Unternehmen, die ein Engagement in den sozialen Medien betreiben, könnten das zu spüren bekommen, indem die Community ihrer Fanpages sukzessive schrumpft. Darüber hinaus hat Hate Speech dazu geführt, dass der Ton in den Sozialen Medien allgemein rauer wird. 54 Prozent der Deutschen bekennen sich laut eigener Aussage seltener zu ihrer Meinung, um keine Anfeindungen zu kassieren, melden die Bürgerbewegung Campact und das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in ihrer gemeinsamen Studie "#Hass im Netz". Die Folge: Hass-Kommentare gewinnen an Bühne und prägen dadurch auch die Unternehmenskommunikation auf den sozialen Plattformen.
Mittlerweile können es sich vor allem größere Unternehmen deshalb nicht mehr leisten, die Unterhaltungen unter ihren Postings den Nutzern zu überlassen. Vielmehr ist es am Community Management gelegen, einen respektvollen Umgangston sicherzustellen. Das kann mit dem Hinweis auf eine Netiquette, also einem Online-Verhaltenskodex, gelingen. "Alle Netiquetten formulieren vor allem diejenigen Regeln aus, die sich bereits weitgehend etabliert und bewährt haben, entfalten aber gerade gegenüber neuen Nutzern und bei Streitfällen auch präskriptive Steuerungsfunktionen. Ihre Wirkung basiert nicht auf Gesetzen und rechtlichen Sanktionen, sondern auf der Macht der Überzeugung", erklärt Springer-Autor Klaus Beck im Buchkapitel "Ethik der Online-Kommunikation" (Seite 156).
Richtig auf Hass-Kommentare reagieren
Hass und Hetze richten sich in sozialen Medien oft auch gezielt gegen die Unternehmen selbst. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen Kritik persönlich über Kunden-Hotlines mitgeteilt wurde, ermöglichen über Social Media eine ungefilterte Beschwerdekultur in Echtzeit. "So können aufgebrachte Kunden, unzufriedene Mitarbeiter oder neidische Wettbewerber ihr Missfallen leicht äußern und auch schnell weitere Anhänger finden", beobachtet ein Springer-Autorenteam im Buchkapitel "Kommunikationskrisen meistern: Shitstorms erfolgreich bestehen". Ein so genannter "Shitstorm" entsteht, der die Netzkommunikation auf der Fanpage innerhalb kürzester Zeit prägt. So kann es leicht passieren, dass sich auch Falschinformationen über das Unternehmen rasch verbreiten, also viral gehen. Andere Medien, wie Online-Nachrichtenmagazine, können diesen Effekt verstärken.
Im Falle von Hass-Kommentaren oder sogar Shitstorms sollten Unternehmen rasch Stellung zu den Vorwürfen beziehen. Das simple Löschen von ungebetenen Kommentaren ist dagegen nicht das Mittel der Wahl, da dies den Unmut der Community zusätzlich verstärken könnte. Kontraproduktiv sind außerdem die folgenden Verhaltensweisen, die in der Praxis immer wieder zu beobachten sind:
- Schuldzurückweisungen,
- verspätete Reaktionen,
- Intransparenz oder
- die völlige Ignoranz des Themas
Das Springer-Autorenteam gibt ein Beispiel aus der Praxis (Seite 536): "Die Restaurantkette Vapiano etwa konnte einen auffachenden Shitstorm durch ihre schnelle und transparente Vorgehensweise sehr zügig abschwächen. Nachdem ein Vapiano-Gast ein Youtube-Video im Internet verbreitete, welches eine Raupe in seinem Salat zeigte, verbreitete sich das Video sehr schnell auf Facebook. Allerdings reagierte Vapiano direkt und zeitnah auf den Vorfall und konnte so den drohenden Reputationsschaden für die Marke abwenden".