Die Corona-Krise beschleunigt die Digitalisierung des Automobil-Marketings. Influencer werden dabei eine zunehmend wichtige Rolle spielen, meinen die Gastkolumnisten Philipp Thurmann und Kilian Thomaset.
Philipp Thurmann und Kilian Thomaset sind Digital Strategen bei der Buddybrand GmbH.
Buddybrand GmbH
Vielleicht ist Becky Li die Frau, von der wir irgendwann mal sagen werden: Sie hat den Autohandel revolutioniert. Sie haben noch nie von Becky Li gehört? Die frühere Journalistin und Bloggerin gilt als Chinas Shopping-Göttin. Auf ihrem Kanal auf We Chat – einer Synthese aus Facebook und Amazon – verkauft sie unter anderem Luxus-Handtaschen aus eigener Kollektion. Für Warenumsätze von mehr 120.000 Euro braucht sie laut Medienberichten nur 60 Sekunden. In die Geschichte des Automobil-Marketings ging sie bereits vor drei Jahren ein. Am 13. Juli 2017 verkaufte Becky Li via We Chat 100 türkisfarbene Mini Cooper. In nur fünf Minuten waren sämtliche Autos verkauft – jedes einzelne zum Preis von 36.000 Euro.
In China und Korea gibt es Hunderttausende solcher Becky Lis. In Asien ist eine besondere Form des Influencers entstanden, der Key Opinion Leader, kurz KOL. Viele sind eine Mischung aus Influencern, wie wir sie im Westen kennen, und E-Commerce-Händlern. Sie verkaufen in einer Art Teleshopping via Livestream Waren an ein Millionenpublikum. Allein auf Taobao, dem E-Commerce-Ableger von Alibaba, gibt es inzwischen mehr als 4.000 solcher Verkaufsshows mit mehr als 150.000 Stunden Programm pro Tag.
Die Corona-Krise hat dieser Form des zeitgenössischen Teleshoppings noch einmal einen Schub gegeben. Bislang waren es vor allem Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Küchenartikel, Yoga-Matten oder Einweg-Masken, die in China über die virtuellen Verkaufstische gingen. Aber auch hochpreisige Güter bis hin zu Immobilien bieten die asiatischen KOLaborateure inzwischen im Netz feil.
Trend eins: Die Digitalisierung kommt endlich in Fahrt
Wir glauben, dass dieser Trend auch in Kürze das Automobilmarketing erreichen wird. Die Autohändler der Zukunft werden Influencer sein. Vor allem drei Argumente sprechen für diese These: Da ist zunächst einmal die Digitalisierung der Automobilindustrie, die langsam Fahrt aufnimmt. Lange haben die Autobauer im Vergleich zu anderen Branchen eher gebremst und an tradierten Vertriebsmodellen festgehalten. Corona hat den Transformationsdruck aber massiv erhöht. Die Autoindustrie drückt plötzlich aufs Tempo. Audi verkauft seit kurzem im großen Stil seine Neuwagen über das Internet. Andere Hersteller werden folgen.
Trend zwei: Die Customer Journey findet online statt
Trend Nummer zwei: Die Customer Journey führt den Kunden zunehmend über digitale Wege zum Autohändler. Das war bereits vor Corona so. 92 Prozent aller Autokäufer recherchieren vorab online. Online-Videos ersetzen oder ergänzen immer häufiger die reale Testfahrt. Der Kaufprozess beginnt oft auf Facebook und Instagram: 41 Prozent aller Autokäufer erfahren zuerst über Soziale Medien von neuen Modellen. Und jüngere Kunden unter 35 Jahren würden den Autokauf sogar komplett online abschließen – sofern möglich.
Hinzu kommen neue Technologien wie Augmented Reality, Virtual Reality und 360-Grad-Videos, die Markenerlebnisse auch digital erfahrbar machen. Innovative Kampagnen von Autoherstellern setzen mehr und mehr auf diese Form der Werbung. Durch sie können Advertiser die Customer Journey deutlich abkürzen. Das Beispiel Hyundai zeigt, dass eine Google-Recherche, die Präsentation des neuen Sonata-Modells und der mögliche Kauf nur wenige Klicks voneinander entfernt liegen.
Trend drei: Influencer überzeugen
Der Turbo-Effekt für das digitale Automarketing ergibt sich aber aus dem dritten Trend, erfolgreichen Influencern wie Becky Li. In China haben bereits 13 Prozent aller We Chat-Nutzer eine Automarke gekauft, die ihnen dort von einem Influencer empfohlen wurde. Dass Autokauf Vertrauenssache ist, ist eine seit Jahrzehnten bemühte Binsenweisheit. Nichts desto trotz ist sie wahr, und Influencer haben diesen Vertrauensbonus. 27 Prozent aller Deutschen finden Influencer-Produktempfehlungen glaubwürdiger als klassische Werbung.
Vielleicht sollte Mrs Li ein virtuelles Autohaus eröffnen. Wir glauben, sie wäre auch damit ziemlich erfolgreich.