Obwohl digitale Kanäle wie die Sozialen Netzwerke eine echte Chance bieten, um pandemiebedingte Umsatzeinbußen abzufedern und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, kommen viele kleine und mittlere Unternehmen nicht in die Gänge. Woran hapert es?
Soziale Netzwerke und andere digitale Kanäle eröffnen Unternehmen nicht zuletzt seit der Pandemie neue Möglichkeiten, um mit Kunden in Kontakt zu treten und Geschäfte abzuwickeln. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von Gelbe Seiten offenlegt, lassen jedoch viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) diese Chance verstreichen. Das Problem beginnt bereits bei der Internetpräsenz: Diese ist bei jedem dritten Betrieb überhaupt nicht vorhanden.
Nur ein Prozent der Befragten hat zudem im Jahr 2020 einen neuen Webshop eingerichtet. Auch das System "Click and Collect", bei dem Kunden zuvor online bestellte Ware im Ladengeschäft abholen können, wurde von den wenigsten KMU angeboten (zehn Prozent). Generell war es für Kunden praktisch unmöglich, vor Ort betreut zu werden, da lediglich drei Prozent der kleineren Unternehmen eine Online-Terminvergabe eingeführt haben. Digitale Kunden-Chats, ob per Video (14 Prozent) oder Text (fünf Prozent), kamen ebenfalls kaum zum Einsatz.
Enttäuschte Kunden
Dabei sollten gerade KMU auf digitale Kommunikations- und Absatzwege setzen. Denn insgesamt klagt fast die Hälfte der befragten Unternehmen, in der Corona-Krise deutlich oder etwas geringere Umsätze eingefahren zu haben. Dass ein Zusammenhang zwischen Umsatzeinbußen und mangelnder Online-Präsenz besteht, legt auch die Sicht der Verbraucher nahe: 41 Prozent sind mit dem Engagement der KMU auf den Sozialen Plattformen unzufrieden. Knapp die Hälfte wünscht sich, dass Unternehmen hier stärker Präsenz zeigen. Bei denjenigen Konsumenten, die selbst auf den Social-Media-Kanälen aktiv sind, liegt der Anteil sogar bei 78 Prozent. Dieser große Zuspruch zeigt, dass Verbraucher den Kontakt zu kleineren Betrieben auch oder gerade in Krisenzeiten aktiv suchen, oftmals allerdings vergebens.
Tatsächlich sind sich mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bewusst, dass ein Auftritt in den Sozialen Medien über den Geschäftserfolg entscheiden kann. Nichtsdestotrotz setzt nur jeder dritte Betrieb dieses Wissen in die Tat um. Die Gründe hierfür sind vielfältig:
- 71 Prozent geben an, dass andere Werbeformen für ihre Geschäftszwecke ausreichten,
- 41 Prozent nennen fehlende Kapazitäten,
- 24 Prozent mangelndes Wissen und
- 14 Prozent hohe Kosten als unüberwindbares Hindernis.
Stetige Optimierung trotz Hürden
Weitere Hürden schildert Melanie Mesloh im Artikel "Digitale Integration — Chancen für kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland", erschienen in der Zeitschrift "Wirtschaftsdienst", Ausgabe 6/2021: "Aufgrund der kontinuierlich hohen Nachfrage nach IT-Fachkräften stellt der Mangel an Humankapital ein langfristiges Hindernis in der digitalen Integration dar. Darüber hinaus verdeutlichen Studien, dass rechtliche und bürokratische Hürden wie beispielsweise Fragen der Datensicherheit die digitale Integration der KMU verlangsamen", so die Springer-Autorin (Seite 464).
Dennoch treten KMU nicht auf der Stelle. "Zielgerichtet wird die Erhöhung der Budgets für den Social-Media-Bereich bereits heute angegangen. Dabei ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren dieses Bewusstsein weiter wächst und jetzt noch als Problemfelder zu bezeichnende Elemente in den Fokus der Optimierung rücken", beobachtet ein Springer-Autorenteam im Kapitel "Einsatz von Social-Media-Instrumenten in ausgewählten deutschen KMU im Business-to-Consumer-Markt" mit Blick auf eine Studie. Ob Marketing und Vertrieb über Online-Kanäle gelingen, hängt also auch von einem tiefgreifenden Wandel der Organisationskultur ab.
Digitale Formate lohnen sich
Dieses Umdenken hat in einigen kleinen und mittelständischen Unternehmen bereits stattgefunden und dazu geführt, dass digitale Formate gewinnbringend genutzt werden konnten. Der Studie zufolge gilt das selbst für Branchen wie die Gastronomie oder das Friseurgewerbe. Diese Bereiche haben nach eigenen Angaben besonders starke Verluste aufgrund der Corona-Maßnahmen zu verbuchen. Die digitalen Vorreiter unter den KMU haben die Sozialen Netzwerke als Chance entdeckt, um
- Marketing und Kundenakquise (90 Prozent)
- Mitarbeitergewinnung (35 Prozent),
- Kundenbetreuung und Reklamation (33 Prozent) und
- die interne Kommunikation (20 Prozent) voranzubringen.
Bevor sich Erfolge einstellen, muss die nötige Vorarbeit geleistet werden, die sich laut Springer-Autorin Mesloh über drei wesentliche Ebenen erstreckt. "Während die technologische Integration sich auf die Nutzung neuer Technologien wie Social Media oder analytischen Methoden wie Big Data bezieht, zeichnet sich die organisatorische Integration in der Nutzung dieser Technologien zur Erschließung neuer Geschäftsaktivitäten ab. Als dritte Ebene kann die soziale Ebene genannt werden, die sich auf die Digitalisierung des Alltags bezieht", schreibt Mesloh auf Seite 462. Nur eine ganzheitliche Betrachtung und Strategie bringt demnach den Digitalisierungsschub, den KMU jetzt und in Zukunft so dringend benötigen.