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2012 | OriginalPaper | Buchkapitel

Souveränitätsverzicht der Politik und Bedeutungsverlust der Parlamente – Lobbyismus als Schatten-Management widerspricht dem Prinzip des Pluralismus

verfasst von : Thomas Leif

Erschienen in: Angewandte Politikforschung

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Zusammenfassung

Kaum jemand hatte es bemerkt: Der ehemalige erste Mann im Staat, Christian Wulff, wollte seine Amtszeit dem Thema „Zukunft der Demokratie“ widmen. Er sorgte sich vor allem um das „mangelnde Interesse vieler Bürger, sich in den Kommunen zu engagieren.“ Auch das schlechte Image der Politiker motivierte ihn zu seiner ungewöhnlichen programmatischen Schwerpunktsetzung: „Heute begleitet die Politiker viel Häme, viel Spott und viel Misstrauen – mehr als früher.“ Ungewöhnlich klar analysierte der ehemalige Bundespräsident: „Der Graben zwischen Wählern und Gewählten wird größer.“ Vertrauensverlust und Wahlverweigerung gegenüber Politik und Parlament einerseits, Passivität, Beteiligungs-Abstinenz, Desinteresse und Anspruchsdenken der Bürger andererseits.

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Fußnoten
1
Besonders im Politikfeld „Landwirtschaft und Verbraucher“ wird selbst in den zuständigen Parlamentsausschüssen eine besonders hohe Lobbydichte festgestellt.
Patrick Ahlers, FDP und Lobbyist der Lebensmittelbranche steht für eine besondere Synergie: Er nahm selbst an nicht-öffentlichen Sitzungen des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher teil. Offenbar kein Einzelfall.
Auch der Vorgang, dass ein Lobbyist der Futtermittelindustrie ausgerechnet in der Hochphase der Futtermittelskandale zum Staatssekretär im zuständigen Fachministerium avancierte, illustriert den Lobbyeinfluss. Das gleiche gilt für den zuständigen Fachausschusses im Deutschen Bundestag, in dem eine große Zahl von Akteuren mitwirkt, die nachweislich auch nebenberuflich Lobbyinteressen vertreten
 
2
Manche Zitate in diesem Text sind nicht direkt gekennzeichnet. Dies liegt daran, dass die Informationen aus Interviews und internen Hintergrundgesprächen mit dem Autor stammen und die entsprechenden Quellen geschützt werden sollten.
 
3
Bereits im August 2002 antworteten bei einer Umfrage von infratest dimap „Wie groß ist der Einfluß der Lobby auf Entscheidungen der Politik?“ zwei Drittel der Bürger mit „sehr groß“ (31 %) und groß (41%); nur 18% sahen den Einfluss als gering an, 4% sahen keinen Einfluss. Vergleichbare Umfragen hatten auch in den folgenden Jahren eine ähnliche Tendenz.
 
4
Vertreter des Bundesverbandes deutscher Banken räumen intern ein, dass sie im Zuge der Finanzmarktkrise und den blockierten Regulierungen „überlobbyiert“ haben und dies langfristig zu ungünstigen Ergebnissen für die Banken führen wird. Eine breit angelegte „Entschuldigungskampagne“ der Banken wurde im Zuge dieser „Erfolge“ in letzter Minute wieder gestoppt.
 
5
Gut ein Drittel der Bevölkerung fühlt sich von demokratischer Beteiligung abgekoppelt und hat kein Vertrauen in die Demokratie. Drei Viertel haben nur ein (sehr) niedriges Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Parteien (Embacher 2009); im November 2010 sahen 79% der Bürger ihre Interessen durch die Politik nicht ausreichend berücksichtigt. Ähnliche – zum Teil noch gravierendere Ergebnisse – finden sich auch in den monatlichen Analysen der etablierten Institute.
 
6
Vgl. dazu aktuelle Seitenwechsel: Georg Brunnhuber, früher Sprecher der CDU-Landesgruppen im Bundestag wechselte als Cheflobbyist zur Deutschen Bahn, der finanzpolitischer Sprecher der CDUFraktion, Leo Dautzenberg ging als Lobbyist zu evonik; Ex-Regierungssprecher Thomas Steg zu VW, der langjährige Staatssekretär Bernd Pfaffenbach zu JP Morgan, Werner Schnappauf zur Investmentbank Bank of America.
 
7
Laut einer Studie der Organisation „Lobby Control“ arbeiten 15 von 63 Ministern und Staatssekretären aus der früheren rot-grünen Koalition heute in Positionen mit „starkem Lobbybezug (www.​lobby control.​de). Hier werden zusätzlich die aktuellen Fälle von Seitenwechslern dokumentiert.
 
8
Michael Wedell propagiert als Lobbyist für den Metro-Konzern das Konzept des „responsible lobbying“, das vor allem die Prinzipien der Offenheit gegenüber den Partnern in der Politik und der Nachhaltigkeit postuliert.
 
9
Im Dezember 2011 beschloss die SPD auf ihrem Berliner Parteitag einen Katalog mit mehr Mitwirkungsrechten der Parteibasis und von Nichtmitgliedern. Der vorangegangene Diskussionsprozess zeigte jedoch, dass substantielle innerparteiliche Beteiligungsrechte nur sehr langsam und gegen erheblichen Widerstand vieler Funktionäre und Amtsträgter durchsetzbar sind.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Die Börsenzeitung 2010: Interview mit Hans-Jürgen Papier, Bundesverfassungsgericht: Lobbyismus ist eine latente Gefahr für den Rechtsstaat, 02.03.2010. Die Börsenzeitung 2010: Interview mit Hans-Jürgen Papier, Bundesverfassungsgericht: Lobbyismus ist eine latente Gefahr für den Rechtsstaat, 02.03.2010.
Zurück zum Zitat Embacher, Serge, 2009: Demokratie! Nein Danke? Demokratieverdruss in Deutschland, in: FES-Studie, Bonn. Embacher, Serge, 2009: Demokratie! Nein Danke? Demokratieverdruss in Deutschland, in: FES-Studie, Bonn.
Zurück zum Zitat Financial Times Deutschland 2010, 24.02.2010. Financial Times Deutschland 2010, 24.02.2010.
Zurück zum Zitat Gabriel, Sigmar/Schulz, Martin/Rasmussen, Poul Nyrup 2010: Nur zuschauen ist nicht genug, in: Süddeutsche Zeitung, 15.03.2010, 18. Gabriel, Sigmar/Schulz, Martin/Rasmussen, Poul Nyrup 2010: Nur zuschauen ist nicht genug, in: Süddeutsche Zeitung, 15.03.2010, 18.
Zurück zum Zitat Kaspari, Nicole/Schröder, Gerhard, 2008: Political Leadership im Spannungsfeld zwischen Machtprozessen und politischer Verantwortung, Frankfurt am Main. Kaspari, Nicole/Schröder, Gerhard, 2008: Political Leadership im Spannungsfeld zwischen Machtprozessen und politischer Verantwortung, Frankfurt am Main.
Zurück zum Zitat Kolbe, Andreas/Hönigsberger, Herbert/Osterberg, Sven, 2011: Marktordnung für Lobbyisten – Wie Politik den Lobbyeinfluss regulieren kann, Frankfurt am Main. Kolbe, Andreas/Hönigsberger, Herbert/Osterberg, Sven, 2011: Marktordnung für Lobbyisten – Wie Politik den Lobbyeinfluss regulieren kann, Frankfurt am Main.
Zurück zum Zitat Leif, Thomas/Rudolf Speth (Hrsg.) 2003: Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden. Leif, Thomas/Rudolf Speth (Hrsg.) 2003: Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden.
Zurück zum Zitat Leif, Thomas/Rudolf Speth (Hrsg.) 2006: Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden. Leif, Thomas/Rudolf Speth (Hrsg.) 2006: Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden.
Zurück zum Zitat Leif, Thomas, 2009: angepasst und ausgebrannt, Politik in der Nachwuchsfalle, München. Leif, Thomas, 2009: angepasst und ausgebrannt, Politik in der Nachwuchsfalle, München.
Zurück zum Zitat Siefken, Sven T., 2007: Expertenkommissionen im politischen Prozess: Eine Bilanz zur rot-grünen Bundesregierung 1998–2005, Wiesbaden. Siefken, Sven T., 2007: Expertenkommissionen im politischen Prozess: Eine Bilanz zur rot-grünen Bundesregierung 1998–2005, Wiesbaden.
Metadaten
Titel
Souveränitätsverzicht der Politik und Bedeutungsverlust der Parlamente – Lobbyismus als Schatten-Management widerspricht dem Prinzip des Pluralismus
verfasst von
Thomas Leif
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19672-5_13