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2005 | Buch

Soziales Deutschland

Für eine neue Gerechtigkeitspolitik

herausgegeben von: Hubertus Heil, Juliane Seifert

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Vorwort

Vorwort
Zusammenfassung
Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung bestätigt einen gefährlichen Trend: Die sozialen Unterschiede in Deutschland verschärfen sich weiter. Einer wachsenden Zahl von reichen Bürgern steht eine immer größere Gruppe von Menschen gegenüber, die als arm gelten. So muss inzwischen fast jede siebte Familie mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze auskommen; allein 1,1 Millionen Kinder sind auf Sozialhilfe angewiesen. Seit Mitte der achtziger Jahre lässt sich in Westeuropa dieser Prozess beobachten, der mit Begriffen wie „Neue Armut“oder „Soziale Exklusion“umschrieben wird: In seinem Verlauf werden bestimmte soziale Gruppen in immer größere Distanz zum Durchschnitt der Gesellschaft nach unten gedrängt und von der Wechselseitigkeit sozialer Beziehungen und wesentlichen Partizipationsmöglichkeiten ausgeschlossen. Arbeitslosigkeit und Armut haben damit eine neue Qualität angenommen. Beschäftigungslosigkeit verbindet sich mit der Erosion sozialer Netzwerke und fuhrt zu einer Spaltung der Gesellschaft in Zugehörige und Ausgegrenzte. Der Ausschluss vom Arbeitsmarkt bedeutet dabei weit mehr als nur den Verlust von materiellen Ressourcen: er verhindert ebenso institutionelle, soziale wie kulturelle Teilhabe. Soziale Exklusion wirkt somit „multidimensional“(Häußermann). Das Überlappen der verschiedenen Formen von Benachteiligung kann eine fatale Eigendynamik entwickeln. Menschen, die einmal den Anschluss verloren haben, sind schwer wieder in die Gesellschaft integrierbar — Kinder die in solchen Situationen aufwachsen finden unter Umständen niemals Anschluss.
Hubertus Heil, Juliane Seifert

Befunde zur sozialen Lage in Deutschland

Frontmatter
1. Armut und Ausgrenzung in Deutschland
Zusammenfassung
In den westlichen Industrieländern hat sich mit dem Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft ein Strukturwandel der Arbeitsmärkte und der ergeben, der zu einer Vergrößerung der Spreizung in der Einkommensverteilung und zu einem Anwachsen der Armut geführt hat. Negativ betroffen davon sind dauerhaft Arbeitslose und solche Erwerbstätigen, deren Einkommen nur noch für eine Lebensführung weit unterhalb der durchschnittlichen Konsumstandards ausreicht (,working poor’). Armut ist ökonomisch-materiell definiert, üblicherweise als Einkommen unterhalb der Grenze von 50% des durchschnittlichen Einkommens. Sie hat jedoch auch soziale und kulturelle Konsequenzen, die zu einer Situation führen können, die als ‚Ausgrenzung‘ oder ‚Exklusion’ bezeichnet wird.
Hartmut Häußermann, Martin Kronauer
2. Die Einkommensverteilung in Deutschland
Zusammenfassung
Während zum Beginn des dritten Jahrtausends Wirtschaftsliberale immer drastischer gegen den Begriff des Sozialen in unserer Marktwirtschaft Sturm laufen, sehen alt-68er Vorausdenker den Untergang des Kapitalismus endlich nahen: wenn durch die Globalisierung das Abendland unterzugehen droht, bleibt keine anderer Ausweg mehr als der von einer postmodernen Avantgarde ersonnene „Dritte Weg“. Diese und ähnliche Schlagworte sind auch in der aktuellen publizistischen Bewertung der Hartz IV Gesetzgebung und der gesamten Agenda 2010 zu Häuf zu finden.
Gert G. Wagner

Gerechtigkeit heute

Frontmatter
3. Ist auch gut, was gerecht ist? Gerechtigkeitspolitik im Vergleich
Zusammenfassung
Gerechtigkeit ist zwar ein teures Gut, aber auch eine billige Ware. Jeder, der seinem Handeln Glanz verleihen möchte, beruft sich auf sie. Gerechtigkeit steht auch unter dem Generalverdacht, eine Leerformel zu sein, da sich alle politischen Lager gerne mit ihr schmücken. Rein rhetorisch betrachtet ist Gerechtigkeit daher mit größter Vorsicht zu genießen. Doch Gerechtigkeit ist nicht nur Dekoration, sondern sie ist auch eine tragende Säule, und zwar in vielen Politikfeldern. Sie dient dazu, elementare Eingriffe des Staates zu legitimieren.
Christoph Strünck

Voraussetzung für inklusive Politik

Frontmatter
4. „Der handlungsfähige Sozialstaat“
Zusammenfassung
Immer mehr Länder melden Land unter. Bremen und das Saarland befinden sich seit Jahren in einer so genannten Haushaltsnotlage - und damit unter Aufsicht des Bundes. Berlin verklagt gerade Bund und Länder um in diese „Klasse“abzusteigen. Die fünf neuen Bundesländer hängen an der milliardenschwere Unterstützung seitens der Westländer und des Bundes. Nicht nur in Schleswig-Holstein sondern auch z. B. im „reichen“ Hessen übersteigen die Kredite die Investitionen im Haushalt. Dieser Zustand wäre unter normalen Bedingungen verfassungswidrig, nun ist er aber zur Abwehr des wirtschaftlichen Ungleichgewichtes unausweichlich geworden. Für die nächsten Jahre sieht es nicht wirklich besser aus. Das sich wieder abschwächende Wirtschaftswachstum verursacht weitere Steuerausfälle in Milliardenhöhe. Der Ministerpräsidenten Wulf und Carstensen halten verfassungsgemäße Haushalte für Niedersachsen und Schleswig-Holstein auf Jahre für unmöglich. Bayern und Baden-Württemberg verkaufen ihr Landesvermögen auf Teufel komm raus — andere haben längst nichts mehr zu verkaufen. Mittlerweile dämmert auch der Bundes-CDU, dass die Zeit der Steuergeschenke wohl vorbei ist — allein die FDP ziert sich noch — wohl in dem Bewusstsein, dass sie ihre Versprechungen nie umsetzen muss.
Ralf Stegner
5. Die Gesundheitswirtschaft als Baustein eines sozialinvestiven Umbaus des Wohlfahrtsstaates
Zusammenfassung
Es gibt in den wohlfahrtsstaatlichen Reformdebatten einen Konsens darin, dass eine neue Balance zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und sozialer Absicherung realisiert werden muss. Gefragt sind sowohl strukturelle Reformen im traditionellen sozialen Sicherungssystem als auch Strategien, die den wohlfahrtsstaatlichen Sektor selbst als Innovations- und Wachstumspotenzial sehen. Die Politik muss also vom Prinzip der Statuskonservierung umorientiert werden in Richtung auf eine bessere Nutzung der Innovationspotentiale. Es gilt, den Wohlfahrtsstaat nicht nur als Last, sondern als soziale Investition zu begreifen. Der Umbau des bundesrepublikanischen Sozialstaates sollte deshalb neue Innovationsschwerpunkte kreieren, die sowohl sozial integrierend als auch beschäftigungsfordernd wirken. Im folgenden Beitrag wollen wir nicht nachzeichnen, wo die grundlegenden Herausforderungen der wohlfahrtsstaatlichen Sicherungssysteme liegen, sondern demgegenüber auf einige „Silberstreifen“am Horizont des Strukturwandels hinweisen, die für positive Aussichten eines Paradigmenwandels stehen.
Rolf G. Heinze, Josef Hilbert

Zentrale Felder neuer Gerechtigkeitspolitik

Frontmatter
6. Der neue Arbeitsmarkt und der Wandel der Gewerkschaften
Zusammenfassung
Mit der Krise des deutschen Modells wird kaum eine andere Institution so eng in Verbindung gebracht wie die Gewerkschaften. Während sie bis in die 80er vor allem als Reformakteur thematisiert wurden, wird ihnen seit den 90er Jahren die Rolle der Vetokraft zugeschrieben. Doch wo stehen die deutschen Gewerkschaften heute wirklich? Welche Handlungsmuster und Wandlungstendenzen charakterisieren sie? Wie reagieren sie auf den Wandel des Arbeitsmarktes? Beim Versuch, Antworten auf diese Fragen zu finden, sollen wesentliche Ebenen, die für die Funktionsfahigkeit und Weiterentwicklung des deutschen Gewerkschaftsmodells maßgeblich sind, zusammengedacht werden: Erstens die Auswirkungen des neuen Arbeitsmarktes; zweitens die Gegnerkrise, also die zurückgehende Gestaltungskraft der Arbeitgeberverbände und drittens die Schwierigkeiten mit dem politischen System. Ich gehe von der These aus, dass sich das deutsche Modell in einem nachhaltigem Veränderungsprozess befindet, wobei wichtige Facetten dieses Prozesses am Beispiel der Gewerkschaften studiert werden können. Die Schwierigkeiten der Transformation des deutschen Modells bestehen darin, dass das „Alte“ in vielen Bereichen prekär geworden ist, ohne dass sich eine neue Institutionen- und Akteursordnung an diese Stelle geschoben hat. Nach wie vor hat Deutschland die „mächtigste“ Industrielandschaft Europas; gleichwohl sind auch in der Bundesrepublik die anderen Wirtschaftsbranchen bedeutender geworden.
Wolfgang Schroeder
7. Gerechte Bildungschancen
Zusammenfassung
Deutschland ist es gelungen — insbesondere in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts — das Bildungsangebot erheblich auszubauen. Diese Expansion hat es jedoch nicht vermocht, die Bedeutung sozialer Herkunft für den weiteren Lebensweg der Menschen entscheidend zu beseitigen.
Jürgen Zöllner
8. Perspektiven für Kinder: Auf die Kleinsten kommt es an
Zusammenfassung
Der Schulerfolg eines Kindes hängt nirgends so stark vom Geldbeutel der Eltern ab, wie in Deutschland. Das ist ein Skandal. Doch der Wille allein, die soziale Mobilität in unserem Lande wiederherzustellen, reicht nicht aus. In vielen Debatten darüber zeigt sich zunehmende Ratlosigkeit. Ein lautes und deutliches Plädoyer für eine andere, eine zukunftsgerichtete Prioritätensetzung tut Not: Auf die Kleinsten kommt es an, auf ihre Chancen und Möglichkeiten auf Teilhabe an Entwicklungschancen und Bildung, an Integration in die Gesellschaft.
Kerstin Griese, Harald Scharpers
9. Gesundheit für alle
Zusammenfassung
Das deutsche Gesundheitswesen steht vor großen Herausforderungen. Hinter diesem lapidaren Satz verbergen sich große Reformnotwendigkeiten, die tiefgreifende Einschnitte in die bestehenden Machtverhältnisse und Strukturen erfordern. Trotz der in allen Bereichen der sozialen Sicherungssysteme andauernden Reformdebatten, werden die sozialen, demographischen und ökonomischen Veränderungen der nächsten Jahrzehnte in ihren Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme häufig auf die Frage der Finanzierung reduziert. Unstrittig ist eine nachhaltige Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme eine wichtige Basis für die Zukunft des Sozialstaates. Ob sie erfolgreich gemeistert werden kann, hängt in hohem Maße davon ab, in wie weit zukünftige Reformen die Grundlage für eine Verbesserung von Innovationskraft, Produktivität und Chancengleichheit legen können. Der künftige Wohlstand des Landes - und in der Folge die Zukunft der umlagefinanzierten Sozialsysteme - wird auch durch die Gesundheitspolitik mitentschieden werden. Menschen können nur dann Eigen-verantwortung übernehmen und aktiv und ohne Einschränkung an den Möglichkeiten einer Gesellschaft teilnehmen, wenn sie gesundheitlich dazu in der Lage sind. Es ist die Aufgabe einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik daran mit zu wirken, dass durch eine möglichst hohe Chancengleichheit Potenziale aller Schichten der Gesellschaft für eine höhere Innovationskraft und Produktivität zur Verfügung stehen.
Karl W Lauterbach, Stephanie Stock
10. Glücklich schrumpfen? Warum gerade die schrumpfende Gesellschaft eine erneuerte Gerechtigkeitspolitik braucht
Zusammenfassung
„Geld allein macht nicht glücklich“ — was der Volksmund seit Jahrhunderten weiß, hat neuerdings auch die moderne wissenschaftliche „Glücksforschung“entdeckt und auf überzeugende Weise nachgewiesen. Vergleichende empirische Untersuchungen belegen, dass die Menschen in den westlichen Gesellschaften heute tatsächlich nicht glücklicher oder zufriedener sind als vor 50 Jahren — dabei haben sich im selben Zeitraum das Realeinkommen und der Lebensstandard verdoppelt. „Wir haben heute mehr zu essen, mehr Kleider im Schrank, fahren mehr Autos, leben in komfortableren Wohnungen, unternehmen häufiger und längere Urlaubsreisen ins Ausland, arbeiten weniger und unter weitaus besseren Bedingungen. Vor allem genießen wir eine bessere Gesundheit und haben eine höhere Lebenserwartung. Dennoch sind wir nicht glücklicher! Trotz aller Fortschritte und trotz aller Anstrengungen von Regierungen, Lehrern, Ärzten und Unternehmern: Das Glück hat sich nicht vermehrt. “ Das schreibt der britische Wirtschaftswissenschaftler Richard Layard, der auch als Berater der Labour Party gearbeitet hat, in seinem höchst anregenden neuen Buch Die glückliche Gesellschaft: Kurswechsel für Politik und Wirtschaft.
Matthias Platzeck
Backmatter
Metadaten
Titel
Soziales Deutschland
herausgegeben von
Hubertus Heil
Juliane Seifert
Copyright-Jahr
2005
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-80799-1
Print ISBN
978-3-531-14798-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-80799-1