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2022 | Buch

Sozialpartnerschaftliche Handlungsfelder: Kontinuitäten, Brüche und Perspektiven

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Über dieses Buch

In diesem Buch wird der aktuelle Zustand der österreichischen Sozialpartnerschaft und ihrer Kontextbedingungen aus verschiedenen disziplinären Perspektiven (Soziologie, Politikwissenschaft,Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft) in ausgewählten Bereichen beschrieben und diskutiert. Im Fokus stehen die Antworten sozialpartnerschaftlicher Akteure auf aktuelle gesellschaftliche, politische, rechtliche und wirtschaftliche Herausforderungen, wie etwa Digitalisierung, Transnationalisierung von Wertschöpfungsketten, ökologische Transformation, neue Formen der Beschäftigung, Arbeitsmigration und die Neuordnung der politischen Kräfteverhältnisse.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Die österreichische Sozialpartnerschaft gilt im europäischen Vergleich als besonders stabile und resiliente Konfiguration kollektiver Interessenvermittlung und -politik, auch wenn sie seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 an Wirkungskraft eingebüßt und durch rechtskonservative Regierungen – zumindest temporär –aus dem politischen Feld gedrängt wurde. Aus einer relationalen Analyseperspektive rücken die Interaktionsdynamiken und Machtbeziehungen der Sozialpartnerschaft mit staatlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und zivilgesellschaftlichen Feldern in den Vordergrund. Neben den Kontinuitäten werden dabei auch die Diskontinuitäten, Brüche und Potenziale dieser prägenden Institution wohlfahrtsstaatlicher Arrangements sichtbar.
Susanne Pernicka
Kapitel 2. Sozialpartnerschaft und Arbeitgeber*innenverbände in Österreich
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Haltung der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) zur Sozialpartnerschaft in Österreich. Im Vergleich zu Arbeitgeber*innen-Spitzenverbänden in anderen europäischen Ländern verhält sich die WKO stärker loyal gegenüber sozialpartnerschaftlichen Formen der Politikgestaltung. Diese Haltung kann durch organisationale Ressourcen, welche die WKO aus den Institutionen des Kammersystems gewinnt, erklärt werden. Zwei Entwicklungen stellen jedoch die WKO vor neue Herausforderungen: Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen, und eine zunehmende Heterogenität ihrer Mitglieder.
Thomas Paster
Kapitel 3. Zur Dynamik der Machtverhältnisse zwischen Gewerkschaften und ihrem einflusspolitischen Gegenüber (Unternehmen, Arbeitgeberverbände, Politik) – das Beispiel der österreichischen Sozialwirtschaft
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt den generellen Machtverlust der Gewerkschaften in Europa und Österreich. Gleichzeitig identifiziert er auch am Beispiel der Sozialwirtschaft in Österreich die Entwicklung von Gegenmachttendenzen. Es wird dargelegt, wie durch eine strategische Neuausrichtung der Gewerkschaften, nämlich die breite Mobilisierung der Beschäftigten, eine effektive Verkürzung der Wochenarbeitszeit erzielt werden konnte. Dieser Erfolg war jedoch nur unter sehr branchenspezifischen Bedingungen möglich, die mithilfe eines feldtheoretischen Ansatzes herausgearbeitet werden.
Georg Adam
Kapitel 4. Kollektivvertragspolitik im österreichischen Metallsektor
Zusammenfassung
Kurzzusammenfassung: Der Metallsektor ist im österreichischen Feld der Kollektivverhandlungen zentral; der dort ausgehandelte Lohnabschluss hat Signalwirkung für andere Branchen. Soziale Felder weisen einen bestimmten Grad an Autonomie auf, sind aber gleichzeitig feldfremden Einflüssen ausgesetzt. Die Folge können Konflikte um Anerkennung, Regeln und Praktiken sein. Drei Herausforderungen für das tarifpolitische Feld werden skizziert: die ökonomische Globalisierung, Veränderungen der politischen Kräfteverhältnisse und Verteilungs- und Anerkennungskämpfe innerhalb des Metallsektors.
Vera Glassner
Kapitel 5. Transnationale betriebliche Mitbestimmung
Zusammenfassung
Kurzzusammenfassung: Der Beitrag ist den Möglichkeiten und Herausforderungen transnationaler betrieblicher Mitbestimmung gewidmet. Am Beispiel transnationaler Mitbestimmung in deutschen und österreichischen Unternehmen mit Auslandsniederlassungen in Mittel- und Osteuropa werden die Problemstellungen der Mitbestimmung in länderübergreifender Konstellation erklärt und die Potentiale einer feldtheoretischen Perspektive für Analysen aufgezeigt.
Bettina Stadler
Kapitel 6. Rollenverständnis und Aufgabenprofil von Betriebsrät*innen: Schutzfunktion und/oder Gestaltungsfunktion (Co-Management)
Zusammenfassung
Kurzzusammenfassung: Dieser Beitrag untersucht den Umgang von Betriebsrät*innen mit der Aufgabenveränderung und -erweiterung, die sich stärker an den Anforderungen des Managements orientieren. Wie positionieren sich Betriebsrät*innen im Kräftefeld dieser co-manageriellen Ausrichtung? Der Beitrag zeigt, dass eine gelebte betriebliche Mitbestimmung nicht alleine vom Rollenverständnis des Betriebsrates, sondern von den Machtrelationen, der Organisationskultur und den Sozialisationsprozessen in den jeweiligen Organisationen abhängt.
Ursula Rami
Kapitel 7. Zur Bedeutung der Sozialpartner bei der Gestaltung des Arbeitszeitrechts im Lichte der Novelle des Arbeitszeitgesetzes (AZG) 2018
Zusammenfassung
Kurzzusammenfassung: Die Novelle des Arbeitszeitgesetzes (AZG) 2018 hat mit dem sogenannten „12-Stunden-Tag“ vordergründig eine Ausdehnung der Arbeitszeit bewirkt, die den Unternehmen einen flexibleren Personaleinsatz ermöglichen soll. Die Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen sind freilich viel tiefergehender und grundsätzlicher. Der vorliegende Beitrag beschreibt, dass es dem Gesetzgeber vor allem um eine Entmachtung der kollektiven Arbeitnehmer*innenvertretungen in Arbeitszeitfragen ging. Dies wird exemplarisch am Beispiel der Überstundenarbeit und der Gleitzeit veranschaulicht.
Elias Felten
Kapitel 8. „Wir haben im Sinne eines Kompromisses zugestimmt.“ Die Rolle der Sozialpartnerschaft bei der Einführung und Implementierung verpflichtender Entgeltangaben im Gleichbehandlungsgesetz
Zusammenfassung
Dieser Beitrag nimmt die institutionelle Arbeit der Sozialpartner in der Übersetzung von Gesetzen in und zwischen verschiedenen Feldern in den Blick. Aus einer institutionentheoretischen Perspektive wird die Einführung und Implementierung der verpflichtenden Angabe des Mindestentgelts in Stellenanzeigen durch die Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes 2011 analysiert. Die diskursanalytische Auswertung von 244 Dokumenten zeigt, dass sozialpartnerschaftliche Akteur*innen die Position von Übersetzer*innen einnehmen und so den Interessensausgleich zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen bis in die organisationale Umsetzung im Feld des Human Resource Management fortführen.
Astrid Reichel, Isabella Scheibmayr
Kapitel 9. Digitalisierung in der Arbeitsmarktverwaltung – Der „AMS-Algorithmus“ als Bewährungsprobe für die Arbeitnehmer*innenvertretung
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Positionierung der Arbeitnehmer*innenvertretung gegenüber dem Vorhaben des österreichischen Arbeitsmarktservice, einen Algorithmus zur Prognose der Jobchancen von Arbeitslosen einzusetzen. Die empirische Basis hierfür bilden Interviews und Quellen der zwischen 2019 und 2021 durchgeführten Feldforschung zur Dissertation des Autors. Im Fokus steht in diesem Abschnitt, wie der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer als Teil der Sozialpartnerschaft die Einführung des Algorithmus in den Gremien des AMS mitgestaltet haben und welche Herausforderungen sich dabei für sie ergaben.
Eduard Müller
Kapitel 10. Sozialpartnerschaft und Migrationspolitik
Zusammenfassung
Dieser Beitrag untersucht den Bedeutungswandel der sozialpartnerschaftlichen Interessenpolitik am Beispiel der österreichischen Migrationspolitik. Anhand von zwei Fallstudien zur Rot-Weiß-Rot-Karte und zur Asylmigration wird gezeigt, dass die sozialpartnerschaftliche Autonomie in diesem Handlungsfeld angesichts veränderter politischer Kräfteverhältnisse, aber auch durch veränderte wirtschaftliche Feldgrenzen in der EU rückläufig ist. Hiervon sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmer*innenvertretungen in unterschiedlicher Weise betroffen. Während die WKO weiterhin über einen Regierungszugang verfügt, sind die Zugangswege für Arbeitnehmer*innenvertretungen weitgehend blockiert.
Torben Krings
Kapitel 11. Sozialpartnerschaftliche Antworten auf digitale Plattformunternehmen im Personentransportsektor
Zusammenfassung
Digitale Plattformen mit ihren Geschäftsmodellen und technologischen Infrastrukturen sind wichtige Kernakteure in der Transformation von ökonomischen Feldern, Organisations- und Arbeitsformen. Ausgehend von der Frage nach den Wirkungen von sozialpartnerschaftlichen Handlungsmustern im Feld der Personenbeförderung wird das multiskalare Spannungsfeld im Konflikt zwischen Marktliberalisierung und Daseinsvorsorge analysiert. Die Integration der Plattformen unter die adaptierten Regeln und Normen des Taxifelds deutet auf einen prägenden Einfluss sozialpartnerschaftlicher Akteur*innen hin.
Susanne Pernicka
Kapitel 12. Fazit und Ausblick
Zusammenfassung
Die Sozialpartnerschaft erfordert, ebenso wie andere Institutionen der kollektiven Mitbestimmung, eine fortwährende Reflexion über die Bedeutung und die anzustrebenden Ziele von Verhandlungen und Kompromissen in der Lösung zunehmend komplexer gesellschaftlicher Probleme. Die kritische Selbstreflexion sozialpartnerschaftlicher Akteur*innen über ihre Positionen und Stellungnahmen ist hier ebenso angesprochen wie die Rolle der Sozialpartnerschaft in der Gesellschaft. Sozialisations- und Lernprozesse zu sozialpartnerschaftlichem Denken und Handeln sind in Zusammenhang mit der Priorisierung marktkonformer Logiken in Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Politik teilweise verschwunden. Zugleich zeigen aktuelle Herausforderungen, wie die Covid-19 Pandemie, der Klimawandel oder digitale Transformationen von Arbeit und Wirtschaft, die Potenziale sozialpartnerschaftlicher Formen der kollektiven Konfliktbearbeitung und -lösung auf.
Susanne Pernicka, Georg Adam, Elias Felten, Vera Glassner, Eduard Müller, Torben Krings, Thomas Paster, Ursula Rami, Astrid Reichel, Isabella Scheibmayr, Bettina Stadler
Metadaten
Titel
Sozialpartnerschaftliche Handlungsfelder: Kontinuitäten, Brüche und Perspektiven
herausgegeben von
Prof. Dr. Susanne Pernicka
Copyright-Jahr
2022
Electronic ISBN
978-3-658-36913-2
Print ISBN
978-3-658-36912-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36913-2