Die Entwicklung der Sozialpolitik, ihre Aufgabe und ihr Wesen, ist am besten verständlich, wenn sie in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext dargestellt wird. Ohne ein grundlegendes Verständnis vom sozialen Wandel, dem Wandel der Sozialstruktur, der sozialen Probleme, des politischen Rahmens (Akteure) und der daraus resultierenden Instrumente der Sozialpolitik (Sicherungssysteme) bleibt ihre Darstellung technisch und abstrakt. Dieses Grundverständnis herzustellen, ist Absicht dieses ersten Kapitels. Dabei werden wir nicht jedes Detail darstellen können, aber Grundzüge und längerfristige Prozesse sollen besser verstehbar gemacht werden.
In diesem Kapitel gehen wir auf die Suche nach den inneren Prinzipien sozialer Sicherungssysteme und sozialstaatlicher Instrumente. Wir fragen dabei nach den Leitideen, den „Philosophien“ denen ein Sozialstaat und die ihn unterstützenden Institutionen folgen. Des Weiteren fragen wir nach den Instrumenten sozialer Gliederung, also den „Werkzeugen“, mit denen der Sozialstaat soziale Risikofolgen „repariert“. Und letztlich wird untersucht: Welchen Zweck und welche Funktion hat soziale Sicherung?
Wie jede Politik muss auch Sozialpolitik erdacht, durchdacht, mehrheitlich beschlossen und umgesetzt werden. Dazu braucht es im Sozialstaat neben den staatlichen Instanzen entsprechende Co-Akteure, die sich an der sozialpolitischen Willensbildung, Entscheidungsfindung und der Leistungserbringung beteiligen. Jeder der Co-Akteure erwartet und leistet jedoch vom und im Sozialstaat Unterschiedliches. In diesem Kapitel wird es darum gehen, die wichtigsten Akteure und Co-Akteure vorzustellen.
Anhand der wichtigen Felder Arbeitswelt, Familie, Kinder und Jugendliche, alte Menschen, Krankheit, Behinderung sowie ethnische Minderheiten werden sozialpolitische Handlungsbedarfe und Handlungsformen skizziert. Auf der Basis politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse werden für die genannten Felder soziale Lagen beschrieben, um die sozialpolitische Relevanz zu verdeutlichen.
Der Sozialstaat steht vor großen Herausforderungen und Umbrüchen. In diesem Kapitel wird dargestellt und kritisch betrachtet, welche Probleme der „Dauerkrise“ des Sozialstaats zugrunde liegen und welche Interessen die Akteure der Sozialpolitik in ihrem Handeln leiten. Verdeutlicht werden Konflikte, die bei der Reformdiskussion offenkundig sind. Abschließend wird diskutiert, welche Argumente für bzw. gegen radikale Umbaukonzepte der sozialen Sicherung sprechen.
Die europäische Dimension wird auch für die Sozialpolitik bedeutsamer und wichtiger, auch wenn die EU sie bisher untergeordnet betrachtet. In diesem Kapitel wird dargestellt, in welchem politischinstitutionellen Rahmen Sozialpolitik auf EU-Ebene stattfindet, mit welchen Formen und welchen Zielen sie implementiert wird.
Es gibt sehr vielfältige Ansätze zur Sozialpolitik. Die Möglichkeiten zur Gestaltung von Wohlfahrtsstaatlichkeit werden hier anhand politikwissenschaftlicher Modelle skizziert. Am Beispiel der vier Länder Dänemark, Frankreich, Großbritannien und Spanien sowie der sozialpolitischen Felder Arbeitslosigkeit, Rente, Kindergeld und Mindestsicherung wird verdeutlicht, wie unterschiedlich soziale Probleme hinsichtlich des sozialpolitischen Handelns interpretiert werden. Das Kapitel widmet sich auch der Frage, ob Deutschland von anderen Ländern sozialpolitisch lernen kann und welche Probleme damit verbunden sein könnten.