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2023 | Buch

Soziologie der Würde

Eine Einführung in ihre Problemzugänge, Analysen und Befunde

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Über dieses Buch

Dieses Studienbuch bietet eine soziologische Einführung in die konfliktreiche Welt der Menschenwürde. In Abgrenzung zum vorherrschenden normativen Verständnis von Würde wird diese als eine Achtung und Autonomie anstrebende individuelle Handlungsorientierung beschrieben, die interaktiv und institutionell geformt ist, und deren Erfolgschancen von den umfassenden gesellschaftlichen Verhältnissen abhängen. Da sich Würde im Alltag erst in Situationen der Bedrohtheit und Beschädigung als für Lebensführung und Identität unentbehrlich zu erkennen gibt, konzentriert sich auch die Darstellung ihrer Realität auf Risiken, Formen und zentrale Schauplätze ihrer Beeinträchtigung.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Würde als zentraler Leitwert der globalen Zivilgesellschaft sollte eigentlich auch soziologisches Interesse auf sich ziehen. Denn sie ist ein normatives Phänomen, welches sozial erzeugt ist und ständigem Wandel unterliegt, kontroverse Debatten auslöst und einen wichtigen Bezugspunkt für das Handeln einzelner Personen und ganzer Vereinigungen bildet. Eine Soziologie der Würde existiert derzeit aber erst in bescheidenen Ansätzen. Diese Abstinenz zu überwinden, ist Ziel meiner erkundenden Einführung.
Friedrich W. Stallberg

Würde in der Soziologie – soziologische Begegnungen mit der Würde

Frontmatter
Kapitel 2. Soziologische Zugänge zur Würde
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden die bislang verfügbaren Ansätze würdesoziologischen Denkens kurz dargestellt. Die einzelnen Ansätze demonstrieren, wie leicht sich in Anwendung prominenter soziologischer Perspektiven ein Zugang zum Problem Würde, ob nun eher als individuelle Orientierung, kulturelles Konstrukt oder Teil der gesellschaftlichen Ordnung betrachtet, formulieren lässt.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 3. Würde in der Soziologie der Menschenrechte
Zusammenfassung
Soziologische Würdeanalyse vollzieht sich zu einem erheblichen Teil im Rahmen von Menschenrechtsforschung. In der vielfach normativ und humanistisch orientierten Soziologie der Menschenrechte wird immer auch die Verletzung und Verweigerung von Würde untersucht, wenngleich zumeist indirekt und hintergründig. Sie beschreibt, warum und wie ein bestimmtes soziales Problem auch die Menschenwürde berührt. In Deutschland hat sie vor allem als Analyse der globalen Wertekommunikation Fuß gefasst.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 4. Soziologisch anregende Beiträge der Würdephilosophie
Zusammenfassung
Der Menschenwürdediskurs ist von Anfang an und auch jetzt noch überwiegend philosophisch bestimmt. Einige der philosophischen Problemzugänge thematisieren aber auch die soziale Dimension der Würde. Auf ihre Einsichten zur Entstehung und Verbreitung von Würdekonflikten und Würdeverletzungen kann auch eine spezielle Soziologie der Würde keinesfalls verzichten. Dies lässt sich gut an den Positionen von Peter Bieri, Eva Weber-Guskar, Avishai Margalit, Pablo Gilabert und Seyla Benhabib aufzeigen.
Friedrich W. Stallberg

Die soziale Welt der Würde

Frontmatter
Kapitel 5. Würde als Thema sozialen Handelns
Zusammenfassung
Soziale Würde zeichnet sich im Unterschied zur institutionalisierten Menschenwürde durch ihre interaktive Verankerung, ihre Flüchtigkeit und Gefährdung und ihre ungleiche Verteilung aus. Wir besitzen sie, wenn wir autonom, authentisch und im Einklang mit unserem Selbst handeln. Während es bei ihr vornehmlich um Fragen der Achtung geht, bezieht sich der mit ihr eng verwandte Respekt auf den sozialen Status und wird Anerkennung durch Zugehörigkeit und Teilhabe konstituiert.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 6. Würde als kultureller Wert
Zusammenfassung
Würde ist ein soziokultureller Wert, der unsere individuellen Entscheidungen und Orientierungen in vielfacher Hinsicht bestimmt. In der gesellschaftlichen Realität begegnet sie uns heutzutage allerorten und fortwährend in unterschiedlichsten Sprachdokumenten. Zu dieser Allgegenwart haben verschiedene Würdegemeinschaften und -bewegungen beigetragen, die sich seit der Jahrtausendwende gebildet haben. Gemeinsam ist ihnen der Glaube an Würde als Instrument der Überwindung von Hass, Ungerechtigkeit, Gewalt und Ungleichheit.
Friedrich W. Stallberg

Die Entwürdigungsgesellschaft

Frontmatter
Kapitel 7. Zur Bedeutsamkeit von Entwürdigung
Zusammenfassung
Soziale Würde zeichnet sich wesentlich dadurch aus, dass sie permanent der Gefahr der Verletzung und des Verfalls ausgesetzt ist. Für die dafür verantwortlichen Vorgänge haben sich wissenschaftlich konkurrierende Bezeichnungen etabliert. Mal ist von Demütigung die Rede, mal von Dehumanisierung, Degradierung und Erniedrigung. In der vorliegenden Einführung umschreibe ich alle Aktivitäten der Würdebeschädigung mit dem Begriff der Entwürdigung. Bezeichnet ist damit das Verursachen von Leid, die Einschränkung von Wahlmöglichkeiten, die Verletzung von sozialen Rechten und schließlich das Zufügen von Ungerechtigkeit.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 8. Entwürdigung in begrifflicher Perspektive
Zusammenfassung
Öffnen wir Entwürdigung für ihre vielfältigen Erscheinungsformen und Praktiken, werden gleichermaßen einmalige wie dauerhafte Würdebeschädigungen und deren strukturelle Bedingungen und Effekte ins Blickfeld gerückt. Der Prozess der Entwürdigung stützt sich auf Macht- und Statusdifferenzen zwischen den Personen und Gruppen, die entwürdigen oder entwürdigt werden. Ein Rollentausch ist freilich nicht ausgeschlossen.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 9. Dimensionen der Entwürdigung
Zusammenfassung
Soziale Entwürdigung lässt sich analytisch in Würdeverweigerung (z. B. Diskriminierung) Würdeverletzung (u. a. Demütigung), Würdeverlust durch eigene Normüberschreitung (Bloßstellung) und Würdeentzug (Exklusion)unterscheiden. Für die empirische Analyse konkreter Entwürdigungsfälle sind im Anschluss an Nora Jacobson jeweils die Verletzungsquelle, das Maß der Situationskontrolle der Handelnden, die Verbreitung, Häufigkeit und Dauer, Ausführung und Zustandekommen, Intentionalität und Zuschreibungsmacht bedeutsam.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 10. Entwürdigungsbedingungen im Wandel
Zusammenfassung
Von besonderem Interesse sind aus soziologischer Sicht die unterschiedlichen strukturellen und kulturellen Bedingungen, welche auf die Entstehung und die Verbreitung von Entwürdigung Einfluss nehmen. Zu den derzeit bedeutsamen „Entwürdigungstreibern“ zählen vor allem die Erhöhung und Legitimität des subjektiven Anspruchs auf Würde und Respekt; Würdeverlustrisiken durch Unklarheit und Pluralität der für bestimmte soziale Felder geltenden Achtungsstandards; die Anhäufung biografischer Grenzsituationen in der alternden Gesellschaft und die globale Zunahme des Entwürdigungspotentials durch die sich weiter vergrößernde Kluft zwischen Armut und Reichtum.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 11. „Königswege“ der Entwürdigung
Zusammenfassung
Als Königswege der Entwürdigung werden in dieser Einführung Demütigung, Beschämung und Degradierung genauer beschrieben. Unter Demütigung wird ein mit Zwang arbeitender Ausschlussprozess in zwischenmenschlichen Begegnungen, sozialen Institutionen und internationalen Beziehungen verstanden. Bei Beschämung geht es um die zumeist beabsichtigte interaktive Bloßstellung einer Person, die Normbrüche, Makel und Fehleistungen thematisiert. Degradierung bedeutet, einem Menschen den zuvor eingenommenen Status in einem von speziellen Regeln gesteuerten Verfahren öffentlich zu entziehen. Grundlage allen Degradierens ist moralische Empörung über Handlungen und Haltungen.
Friedrich W. Stallberg

Zentrale Problemfelder der Würde

Frontmatter
Kapitel 12. Aktuelle Entwicklungen der Würdefrage
Zusammenfassung
Fehlende, bedrohte und beschädigte Würde ist in einigen gesellschaftlichen Handlungsfeldern derzeit oder seit längerem schon ein Thema kontroverser Debatten. Im Vordergrund der Aufmerksamkeit stehen die Arbeitswelt mit ihren ungleichen Strukturen, Rollen und Belohnungen zum einen; Institutionen des Versorgens, Betreuens, Behandelns, Wiederherstellens, Wiedereingliederns und Isolierens mit den ihnen ausgesetzten Menschen zum anderen. Wissenschaftlich und politisch wahrgenommen wird darüber hinaus der problematische Zusammenhang von Armut und Würde.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 13. Würde und Würdeverfall in biografischen Grenzsituationen: schwerkrank, pflegeabhängig, sterbend sein
Zusammenfassung
Würdefragen erlangen gerade in biografischen Grenzsituationen wie Schwerkranksein, Pflegebedürftigkeit und Sterben eine besondere Bedeutung. Als institutionalisierte Wertvorstellung einerseits, als individueller Anspruch, der von den Betroffenen selbst oder ihnen nahestehenden Personen geltend gemacht wird, andererseits. Würde ist im westlichen Wohlfahrtsstaat offenkundig etwas, das zum normativen Kern humaner Pflege wie zum guten Sterben gehört. In der sozialen Wirklichkeit ist es freilich Normalität, dass sie sich als höchst gefährdet erweist und sich tendenziell auflöst. Dieses Leiden an der Entwürdigung ist in vielerlei Berichten und wissenschaftlichen Untersuchungen eindrucksvoll dokumentiert.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 14. Würdeanspruch und Würdestress als Problem der Arbeitswelt
Zusammenfassung
Würde ist längst schon zu einem unbefragten Anspruch auf Respektierung und Wertschätzung geworden, der die spätmoderne Arbeitswelt auszeichnen soll. Würdige Arbeit soll selbständig, emotional befriedigend, materiell gerecht entlohnt, sinnstiftend und kreativ und noch manches mehr sein. Tatsächlich stoßen aber alle Forschungen auf nahezu unüberwindbare Würdehindernisse in Form von Abhängigkeit, Kontrolle, Geringschätzung und Ungleichverteilung von Erwerbstätigkeit. In den Blick kommt ein permanenter Kampf um Arbeitswürde, der sich als Problem der Anerkennung, Ungleichheit, Teilhabe, Ausbeutung, Prekarisierung, der Handlungsmacht und des Wohlbefindens bestimmen lässt. Hilfreich zum Würdeerhalt sind sicher spezielle ihm gewidmete Bemühungen zur Humanisierung der Arbeitsorganisation.
Friedrich W. Stallberg
Kapitel 15. Armut als Würdeverletzung
Zusammenfassung
Auch Armut, ob absolut oder nur relativ, lässt sich als eine schwere Verletzung von Würde betrachten. Die Schädigung kann in der Nichtverfügung über zentrale Güter und Dienstleistungen, in der individuellen Abhängigkeit von Personen und Institutionen, im Akt der Demütigung, in der sozialen Ausgrenzung, der Schrumpfung von Handlungschancen und schließlich der Verneinung vorliegender Bedürftigkeit bestehen. Noch ist die komplexe Entwürdigungsdimension der Armut noch kaum Gegenstand methodenstrenger wissenschaftlicher Analysen. Es gibt jedoch eine erdrückende, in zahllosen Berichten Betroffener wie Beobachtender sich niederschlagende Beweislage, die Armut als weltweites moralisches Problem erkennbar macht.
Friedrich W. Stallberg
Backmatter
Metadaten
Titel
Soziologie der Würde
verfasst von
Friedrich W. Stallberg
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-40208-2
Print ISBN
978-3-658-40207-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-40208-2