Skip to main content

08.09.2016 | Automatisiertes Fahren | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Anthropologen das automatisierte Fahren vorwärts treiben

verfasst von: Christiane Köllner

3:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Autonome Fahrzeuge müssen sich künftig mit Menschen im Straßenverkehr verständigen. Doch wie sollen Roboterautos ihr Handeln ankündigen? Antworten darauf können Anthropologen geben.

Am autonom fahrenden Auto arbeiten Automobilingenieure, Software-Entwickler, Informatiker, Produktmanager sowie Experten für Sensortechnik und künstliche Intelligenz – aber auch Anthropologen. Sie analysieren das menschliche Verhalten am Steuer, damit das Fahrzeug genauso reagiert wie ein "guter" Verkehrsteilnehmer.

"Fahrzeugtechnologien verändern und entwickeln sich permanent", erläutert Melissa Cefkin, leitende Wissenschaftlerin und Design-Anthropologin im Nissan Research Center im Silicon Valley. "Und nun kommt das autonome Fahren hinzu; das bringt weitere gesellschaftliche Veränderungen mit sich – unter anderem die Art und Weise, wie wir uns alltäglich auf der Straße verhalten." 

Empfehlung der Redaktion

2016 | OriginalPaper | Buchkapitel

Anthropologie der Technik

Die Anthropologie fragt nach der Natur des Menschen. Dies geschieht auf gänzlich unterschiedliche Weise in den Naturwissenschaften, den Humanwissenschaften und den Geisteswissenschaften. Dabei gehen die jeweiligen Disziplinen methodisch sehr …

Cefkin vertritt einen relativ jungen Zweig ihres Fachbereichs. Sie ist eine Unternehmens- und Design-Anthropologin, spezialisiert auf Ethnographie – das ist die systematische Untersuchung von Menschen und Kulturen aus Sicht des Subjekts.

In Bezug auf selbstfahrende Autos heißt das: Sie beobachtet, wie Menschen mit einem "zutiefst kulturellen Objekt" wie dem Auto interagieren, und gewinnt dadurch Einblicke, wie neue Technologien dieses Verhalten interpretieren und nachahmen können. "Wer auf dem Fahrersitz eines autonom fahrenden Fahrzeugs sitzt, muss es nicht zwangsläufig steuern. Und der nächste Schritt führt zum komplett fahrerlosen Fahren, es muss also niemand mehr auf dem Fahrersitz Platz nehmen", so Cefkin, die seit März 2015 für Nissan arbeitet und zuvor für IBM, Sapient Corp. und das einflussreiche Institute for Research and Learning tätig war.

Was nimmt ein autonomes Fahrzeug wahr?

Cefkin und ihr Team untersuchen die Interaktion von Fahrern in der Stadt und dokumentieren auch die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Fußgängern, Fahrradfahrern und Straßencharakteristika. "Wir versuchen mit unserer Arbeit herauszufinden, was ein autonom fahrendes Auto wissen muss. Was nimmt es von der Welt wahr und wie kann es diese Informationen verarbeiten, Entscheidungen treffen und so unter unterschiedlichen Bedingungen möglichst effizient agieren", erklärt Cefkin.

Kreuzungen mit Stoppschildern schaffen zum Beispiel eine "problematische, aber äußerst interessante" Situation. "Was an Kreuzungen mit Stoppschildern an allen vier Straßen passiert, bietet jede Menge Interpretations-Spielraum. Natürlich muss ich halten, aber ich weiß nicht, wann ich wieder losfahren darf. Genau das muss ich herausfinden."

Informelle Kommunikation mit Roboterautos

Erste Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass Autofahrer, Fußgänger und Fahrradfahrer oftmals Augenkontakt und andere Formen direkter Kommunikation wie Handzeichen nutzen, um ihre Absicht zu verdeutlichen. Gerade das Erkennen von informellen Zeichen wie Gesten oder Blicke spielt eine entscheidende Rolle im Straßenverkehr. Doch was passiert, wenn Fahrer in herkömmlichen Autos oder Passanten auf automatisierte Fahrzeuge treffen? Dann entfällt diese zwischenmenschliche Kommunikation und Missverständnisse könnten entstehen.
Im urbanen Straßenverkehr ist das eine Herausforderung. Leichter zu handhaben ist die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern auf Autobahnen – da die Interaktionen dort flüchtiger sind, sagt Springer-Autor Berthold Färber im Kapitel Kommunikationsprobleme zwischen autonomen Fahrzeugen und menschlichen Fahrern:

Einfach strukturierte, extrem flüchtige Umgebungsbedingungen wie auf einer Autobahn, die schon aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeiten die weitgehende Verwendung formeller Kommunikation erfordern, könnten eine Umsetzung autonomen Fahrens dort wesentlich erleichtern und ein Anpassungsbedürfnis autonomer Fahrzeuge an den Bedarf nach informeller Kommunikation weniger dringlich erscheinen lassen (als beispielsweise eine innerörtliche Verkehrsumgebung)."

Signale kündigen Handeln an

Auch Nissan hat sich mit der Frage beschäftigt, wie autonome Fahrzeuge ihr Handeln ankündigen können. Eine mögliche Antwort gibt das auf der Tokyo Motor Show 2015 vorgestellte Nissan IDS Concept Car, das mit verschiedenen Leuchten und Anzeigen arbeitet.

Einige Features könnten die autonomen Nissan-Fahrzeuge im nächsten Jahrzehnt übernehmen – darunter ein Signal, mit dem das Auto zu erkennen gibt, dass es einen Passanten wahrgenommen hat. Cefkins Team arbeitet derzeit an Kommunikationsmöglichkeiten für Situationen, in denen mehrere Fußgänger und Fahrradfahrer präsent sind. Das Fahrzeug muss seine Absicht wie "Stoppen, Warten, Gehen" so klar kommunizieren, dass jeder es versteht – ohne Raum für Interpretationen.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2016 | OriginalPaper | Buchkapitel

Anthropologie der Technik

Quelle:
Homo Creator

Das könnte Sie auch interessieren

    Premium Partner