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12.12.2022 | Automatisierung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Gaia-X unterstützt Industrie 4.0-Ökosysteme

verfasst von: Christoph Berger

5:30 Min. Lesedauer

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Die Industrie lässt riesige Datenmengen und die Potenziale der Vernetzung ungenutzt. Dabei könnten digitale Ökosysteme innovative Geschäftsmodelle und Dienstleistungen hervorbringen. Möglich machen soll dies die Initiative Gaia-X.

"Für eine vertrauenswürdige und souveräne digitale Infrastruktur in Europa hoben Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft im Herbst 2019 das Projekt Gaia-X aus der Taufe", schreibt Markus Pertlwieser im Kapitel Bedrohlicher Rückstand in nahezu allen Schlüsseltechnologien und Kerninfrastrukturen des Springer-Fachbuchs Das Richtige digitalisieren über den Start einer Initiative, die ein ebenbürtiges Angebot zu den US-Clouds schaffen soll. So sei es Ziel von Gaia-X, "über die Branchen hinweg die Wettbewerbsfähigkeit und Handlungsfähigkeit europäischer Unternehmen im digitalen Zeitalter" sicherzustellen. Darüber hinaus sollen innovative Geschäftsmodelle und Dienstleistungen auf Datenbasis hervorgebracht werden.

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01.04.2022 | Schwerpunkt

Gaia-X – Grundlagen für den Aufbau föderierter, digitaler Ökosysteme nach europäischen Regeln

Datensouveränität, Datenverfügbarkeit und Innovation, das ist der Dreiklang an Zielsetzungen der Initiative Gaia-X – Was bedeutet das konkret und welchen Gestaltungsrahmen kann Europa erreichen?

Wichtig ist ein solches Ökosystem aufgrund der Bedenken, die bei der Zusammenführung der Datenerhebungs- mit den Datenverarbeitungsverfahren bestehen. Andreas Weiss schreibt in seinem in der Springer-Fachzeitschrift "Datenschutz und Datensicherheit – DuD" erschienenen Fachbeitrag "Gaia-X – Grundlagen für den Aufbau föderierter, digitaler Ökosysteme nach europäischen Regeln": "Zum einen besitzen die Daten, z.B. aus Produktions- und Verfahrenssteuerung, ein hohes Wertschöpfungspotential, sie sind zum anderen aber auch sensibel und in besonderem Maße schutzbedürftig. Oftmals entsteht der Mehrwert erst durch die kooperative gemeinschaftliche Nutzung, zum Beispiel durch Anwendung von Verfahren der künstlichen Intelligenz, die wiederum einen hohen Investitions- und Wartungsbedarf haben. Derzeit bleiben riesige Datenmengen ungenutzt und das Potenzial der Vernetzung verschiedener Branchen bleibt unangetastet."

Vertrauen in Plattökonomie aufbauen

Es ist vor allem das mangelnde Vertrauen in die derzeitige Landschaft der Speicherung, gemeinsame Nutzung und Handhabung von Daten, dass dem so ist. Laut Weiss halte die Sorge von Cloud-Kunden an, die Kontrolle über die eigenen Daten zu verlieren oder sich an einen Dienstleister zu binden, sobald sie ihre vertraulichen Informationen in die Cloud geladen hätten. Auch die für den Datenaustausch erforderlichen technischen Mechanismen seien komplex und würden Umsetzungsanstrengungen und Investitionen erfordern, die in Ermangelung eines weithin angenommenen Standardregelwerks gefährdet seien.

Gaia-X soll diese Bedenken ausräumen. "Gaia-X ist ein europäisches Projekt zur Innovationsförderung durch die gemeinsame Nutzung von Daten. Es besteht also die Notwendigkeit, einen vertrauenswürdigen digitalen Raum zu etablieren, der sich konsequent an europäischen Standards und Werten orientiert. Ein Ziel von Gaia-X ist die Schaffung einer vernetzten Dateninfrastruktur – als Voraussetzung für stabile, souveräne und widerstandsfähige digitale Infrastrukturen und Dienste", so Weiss. Darüber hinaus gehe es auch darum, die Anwendung digitaler Dienste im Internet und auch in systemkritischen Bereichen bis hin zu Echtzeitanwendungen zu ermöglichen. Weiss hebt außerdem hervor, dass Gaia-X ein föderatives Konzept verfolgt, das Raum für Selbstbestimmtheit auf der Grundlage gemeinsamer Regeln und Standards schaffe.

Datenmengen aus klassischen Industriezweigen nutzen

Die Beschreibung, wie dies geschehen soll, liefert Markus Pertlwieser. Um bestehende und sich neu entwickelnde Infrastrukturen, Daten und Dienste interoperabel und portabel zu machen, entwickelt Gaia-X eine Referenzarchitektur. Diese besteht aus den Ebenen Datenökosystem, Infrastrukturökosystem sowie föderierten Services. Letztere "definieren das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten sowie die Funktionsweise des föderierten und interoperablen Gesamtökosystems". Verwirklicht werden sie "zunächst prototypisch anhand von Anwendungsfällen in einer Vielzahl unterschiedlicher Domänen" – zum Beispiel der stark vertretenen Domäne Industrie 4.0.

Dazu schreibt Weiss: "Mit der zunehmenden Einführung digitaler Datenerfassung in industriellen Fertigungs- und Produktionsverfahren, bis hin zu sogenannten digitalen Zwillingen (digital twins), fallen auch in klassischen Industriezweigen heute große Datenmengen an, die große weitere Wertschöpfungspotentiale liefern. Hierzu gehört die Anwendung von Verfahren aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz wie zum Beispiel predictive analytics und predictive maintenance."

Im Rahmen der Gaia-X-Initiative hat die Plattform Industrie 4.0 daher im Jahr 2020 die sogenannte Verwaltungsschale schwerpunktmäßig entwickelt, wie es im Kapitel "Mit Smart Car, Smart Home und Smart Factory aufs globale Spielfeld der Plattformökonomie" heißt. Dabei handelt es sich um einen digitalen Zwilling "der Industrie für eine herstellerübergreifende Interoperabilität, die durchgängige Wertschöpfungsketten möglich macht und als Basis für autonome Systeme und KI taugt". Darüber hinaus würden zahlreiche Arbeitsgruppen die Elemente der strategischen Handlungsfelder, wie "Sicherheit vernetzter Systeme", "Referenzarchitekturen, Standardisierung und Normen" oder "Digitale Geschäftsmodelle in der Industrie 4.0" erarbeiten.

Erfahrungen mit KMUs teilen

Ein Leuchtturmvorhaben aus dem Bereich Manufacturing und Industrie 4.0 im Rahmen der Gaia-X-Initiative ist das "Europäische Production Giganet", kurz: EuProGigant. Dabei handelt es sich um ein österreichisch-deutsches Forschungsprojekt "zur katastrophenvermeidenden Selbstorganisation von Wertschöpfungsketten und lernenden Ökosystemen", das sich mit zentralen Fragen der intelligenten und souveränen Nutzung von Daten in der Produktion beschäftigt. In ihm wird darauf abgezielt, die Anbindung von Maschinen und die maschinennahe Datenverarbeitung durch eine Gaia-X-konforme Edge-Architektur zu realisieren und damit Resilienz im Wertschöpfungsökosystem zu schaffen. 

Markus Weber, Forschungsleiter am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der Technischen Universität Darmstadt und EuProGigant-Projektkoordinator auf deutscher Seite, sagt dazu unter anderem: "Derzeit liegt unser Fokus auf dem Transfer der Gaia-X-Architektur in unser Produktions-Ökosystem und auf der Edge- und Cloud-Systemarchitektur als wichtige Enabler für die Gaia-X-Komponentenintegration. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, Teilschritte und Erfahrungen auf dem Weg zum Gaia-X Go Live insbesondere mit KMUs zu teilen und diese einfach und anschaulich darzustellen. Unser Ziel ist es zu zeigen, wie wir die Produktion in ganz Europa souveräner, widerstandsfähiger und nachhaltiger machen können." 

Orientierungshilfen beim Aufbau digitaler Ökosysteme

Insgesamt listet die German Hub Domäne von Gaia-X im Segment Industrie 4.0/KMU 14 Use Cases auf, an denen gearbeitet wird. Die Projekteinhalte reichen von einem Ökosystem für künstliche Intelligenz in der Produktentstehung über die praktische Umsetzung von Industrie 4.0 bis hin zur Verbesserung der User Experience und Entwicklung von innovativen Erlebnisformen. EuroProGigant zählt auch dazu.

Für Unternehmen, denen derzeit noch die notwendigen Ressourcen, das für den Aufbau eines entsprechenden Netzwerks sowie das entsprechende Know-how zur Digitalisierung und zu Daten fehlen, haben unterschiedlichste Forschungsinstitutionen die Publikation "Praxisorientierter Einstieg für Service-Anbieter in digitale Wertschöpfungsnetzwerke Gaia-X" herausgebracht. Darin hat ein Expertenteam am Beispiel des Praxispiloten "KI-gestützte Energieoptimierung in der Produktion (KIEP)" im Rahmen von Workshops einen kooperativen Geschäftsmodellansatz, ein Wertschöpfungsnetzwerk und eine IT-Architektur unter Berücksichtigung der Gaia-X-Spezifikationen konzipiert. Die gewonnenen Erkenntnisse und daraus abgeleitete Handlungsoptionen sowie eine Übersicht über wesentliche Initiativen sollen Anbieterunternehmen als Orientierungshilfe im Aufbau von digitalen Ökosystemen als Werkzeuge an die Hand gegeben werden.

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