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23.08.2012 | Bank-IT | Schwerpunkt | Online-Artikel

Dossier Kernbankensysteme: Progressive Stabilität und operative Exzellenz

11 Min. Lesedauer

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Gegenwärtig plant fast ein Drittel der deutschen Banken und Sparkassen die Ablösung ihrer bestehenden Kernbankensysteme. Eine ebenso große Zahl an Häusern diskutiert diese Frage. Gastautorin Margot Cabolet gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen.

Die Veränderungsbereitschaft der Kreditinstitute beruht insbesondere auf deren wachsender Unzufriedenheit mit proprietären und insularen Lösungen. Abgekoppelt von neuen, kostengünstigeren Entwicklungen weisen diese häufig eine nicht mehr zufriedenstellende Cost-Income-Ratio auf. Vor allem in Kombination mit dem Mainframe wird dieser Ansatz technologisch und betriebswirtschaftlich zunehmend als Sackgasse wahrgenommen.

An die Stelle von Eigenentwicklungen tritt heute in steigendem Maße Standardsoftware. Aufgrund der Skaleneffekte bei Entwicklung, Pflege und Weiterentwicklung ist sie einer der Trends im Bereich der Kernbankensysteme. Denn ihre Aufgabe erschöpft sich nicht in der Aufrechterhaltung des jeweiligen Status quo. Ihre eigentliche Leistungsfähigkeit beweisen sie darin, innovative Umsysteme schnell und reibungslos zu integrieren. Man könnte das als progressive oder zukunftsoffene Stabilität bezeichnen. Sie bewährt sich bei Systemerweiterungen – egal, ob Compliance-Änderungen sie erfordern oder ob neue und lukrative Geschäftsmodelle sie motivieren.

Von Zeitgewinn, Risikominimierung und zufriedenen Kunden

Standardisierung macht Kernbankensysteme insbesondere dann zu einem Wachstumsfaktor, wenn API-Management, Webservices und Plattformunabhängigkeit die Auswahl der jeweils passenden Drittsysteme (zum Beispiel CRM-Systeme) vergrößern und ihre STP-optimierte Einbindung ermöglichen. Darüber hinaus kann Standardisierung von Herstellerseite zu umfassenden Blueprint-Konzepten ausgebaut werden, die Anwenderbanken einen Zeitgewinn in der Umsetzung strategischer IT-Projekte verschaffen und eine Risikominimierung durch den Einsatz bereits erprobter, marktführender Lösungen bedeuten. Gleichzeitig ermöglicht Blueprint-Standardisierung Kosteneinsparungen durch die Mehrfachverwendung fachlicher Module sowie durch automatisierte Prozesse, die der Kunde als guten Service erlebt, etwa bei der zügigen Entscheidung über eine Kreditvergabe oder der schnellen Einrichtung eines neuen Kontos.

Weitere Qualitätskriterien einer Kernbankenanwendung sind Realtime-Fähigkeit und die umfassende Abdeckung der grundlegenden Funktionen einer Bank, wobei Modularität den Anwendern die Option lässt, das einzusetzen, was sie tatsächlich benötigen. Eine vollständige, aber in ihrem Umfang gleichzeitig flexibel definierbare Abdeckung der Funktionalitäten stellt eine durchgängige Integration kompletter Geschäftsabläufe – vom Frontend, Terminal oder Online-Portal bis zum Backend – in ein konsolidiertes Kernbankensystem sicher.

Anwender erwarten von Softwareherstellern heute eine möglichst weitreichende Abbildung ihrer Geschäftsmodelle, ohne durch eine „Lock-in-Strategie“ in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt zu sein. Für den Anbieter eines Kernbankensystems bedeutet das, der Bank zum Beispiel eine integrierte Wertpapierlösung anbieten zu können, die aber auch mit anderen Kernbankenanwendungen Hochleistungsanforderungen bis hin zum (OTC-)Millisekundenhandel abdeckt. Ähnliches gilt für die Steuerungssoftware von Bankautomaten oder Portalen für Online-Banking.

Bei einer Kernbankenanwendung geht es heute um operative Exzellenz, das heißt die Lösung muss sich als eine Einflussgröße ausweisen, die Banken messbare Wettbewerbsvorteile bringt. Dabei geht es Banken – sozusagen „defensiv“ – um eine Reduktion der Betriebs- und Innovationskosten und –„offensiv“ – um ein verkürztes Time-to-Market mit neuen Angeboten, Services oder Vertriebsformen. Ihren Erfolg beweist eine Kernbankenanwendung dadurch, dass sie für Direkt- oder klassische Geschäftsbanken, für traditionsreiche Privatbanken oder große Kundeninstitute und auch für innovative Positionierungen (etwa Worksite-Banking) eine jeweils flexibel abgestimmte Unterstützung bietet.

Die Kernbankenanwendung füllt ihre neue Rolle mit Stabilität alleine nicht mehr aus. Ihrer gewachsenen Bedeutung als Managementthema wird sie erst gerecht, wenn sie als ein strategischer Faktor für Wettbewerbsdifferenzierung und Wachstum digitale Innovationen (Mobile Banking, etc.) unterstützt, die mittlerweile über Reputation und Markterfolg einer Bank mit entscheiden.

Service „hier und jetzt“

Untersuchungen zeigen, dass nur noch jeder zehnte Bankkunde ausschließlich die Niederlassung mit den Geldautomaten vor Ort nutzt. Stattdessen wird heute Multi-Channel-Banking genutzt. Dabei beurteilen Kunden ihre Bank nach der Qualität und Funktionalität ihrer IT sowie danach, ob sie innovative Services – möglichst vor allen anderen – nutzen können. Zunehmend sind es Banking- und Börsenportale, Informations- und Nachrichtendienste oder komplette Transaktionen auf dem Smartphone, die das Image einer Bank und die Kundenzufriedenheit nicht weniger prägen als der Filialauftritt. Kunden erwarten einen direkten Zugang zu Bankdienstleistungen „hier und jetzt“.

Um Kunden zu gewinnen oder zu halten, gilt es für die Institute, aktiv um sie zu werben und sich kanalübergreifend als kompetente Finanzberater zu etablieren. Sicher sind einige Marktsegmente sowie spezialisierte Privatbanken davon ausgenommen – aber insgesamt ist das Hausbankprinzip auf dem Rückzug, die (Geschäfts-)Kundenbindung sinkt. Einer der Schlüssel, um das Neu- und Bestandskundengeschäft zu entwickeln, ist ein gezielter Ausbau IT-gestützter Angebote. Das gilt umso mehr, als neue webbasierte Payment-Technologien wie die Near Field Communication (NFC) oder Mobile Wallet eine Herausforderung für klassische Kreditinstitute darstellen, die sich teilweise in direkter Konkurrenz zu Non- und Near-Banks sowie Internetanbietern und Mobilfunkprovidern sehen.

Entwicklungsdynamik der IT als Antwort auf Kundenmobilität

Eine abnehmende Kundenloyalität und neue ITK-Entwicklungen bedeuten für Banken heute sowohl eine Chance auf Wachstum als auch eine Herausforderung, die sich durch verschärfte gesetzliche Auflagen noch einmal vergrößert. Angesichts von Kunden, die zunehmend selbstverständlich auf IT-Technologien zugreifen und Innovationen zum Maßstab der Bankenbewertung machen, fällt der IT-Leitung eine Schnittstellenkompetenz zwischen technischen Anforderungen, juristischen Vorgaben und bank-betriebswirtschaftlichen Zielen zu. Basis dafür ist eine zukunftsoffene und flexibel erweiterbare Kernbankenanwendung.

Eine plattformunabhängige Standardsoftware erfüllt diese Aufgabe am besten, indem sie es ermöglicht, innovative Anwendungen und Angebote zügig im Markt zu platzieren. Sie erleichtert dabei unter anderem die Anbindung einer großen Auswahl verbreiteter CRM-, Risikomanagement- und Kommunikationssysteme, die für die zügige Umsetzung von Compliance-, Marketing- und Vertriebsvorgaben dann jeweils besonders gut geeignet sind.

Plattformunabhängigkeit bedeutet für Banken auch die Teilhabe an der hohen Entwicklungsdynamik in der Open-Source-Welt (Unix, insbesondere Linux). Das gilt nicht nur für die Software, sondern auch die Hardware, indem Banken aus ihrer Mainframe-„Enklave“ heraus Anschluss gewinnen an einen hoch kompetitiven Server- und Komponenten-Markt mit kurzen Innovationszyklen, sinkenden (Einkaufs-, Energie- und Betriebs-)Kosten und intelligenten Optionen wie Virtualisierung.

(Quell-)Offen für die Zukunft

Hardware: Plattformunabhängigkeit spielt mittlerweile eine dominante Rolle bei der Entscheidung für eine Kernbankenanwendung. Unix und Linux sind in den vergangenen Jahren als Betriebssysteme in den Vordergrund getreten. Ein Motiv dafür liegt in der Senkung der Grund- und Betriebskosten der Hardware. Im Gegensatz zum Mainframe können kleine und flexible Einheiten wie SAN-Server zum Einsatz kommen. Da gerade Linux auf nahezu allen gängigen Systemen betrieben werden kann, stehen Banken und ihren IT-Providern auf einem wettbewerbsintensiven Markt günstige und passende Lösungen zur Verfügung. Das bedeutet eine höhere Unabhängigkeit von Herstellern und Lieferanten, als das bei insularen Technologien der Fall wäre.

Damit erhöht sich die Zukunfts- und Planungssicherheit, während der Wettbewerb der Anbieter die Verhandlungsposition sowie Einkaufsmacht der Banken stärkt und den Investitionsaufwand senkt. Zudem werden CPUs und Komponenten eingesetzt, die vergleichsweise kostengünstig in Großserie produziert werden. In einem hoch kompetitiven „Massenmarkt“ sind dynamische Entwicklungsfortschritte und zumeist bessere Einkaufspreise gegenüber der eher statischen und ausgereizten Mainframe-Technologie gewährleistet.

Zwei Stärken plattformunabhängiger Systeme sind Virtualisierung und die hohe Skalierbarkeit, die eine optimale Nutzung der verfügbaren Hardware sicherstellen. Die IT wächst dadurch unkompliziert mit der Geschäftsentwicklung und kann gleichzeitig durch Redundanz, Load Balancing und intelligente VM-Konzepte das jeweils definierte Verfügbarkeitsniveau mit entsprechenden Kapazitätsreserven sicherstellen. Performance-Engpässe sind durch zusätzliche Hardware leicht zu vermeiden, da die jeweiligen Server-Komponenten häufig linear skalieren.

Gleichzeitig lässt sich die früher als nachteilig angesehene Dezentralisierung durch die Implementierung von zentralen Monitoring- und Alert-Funktionalitäten hervorragend steuern. Die Dezentralisierung bringt eher Vorteile, da zum Beispiel in einem Linux-Cluster dedizierte Rechner (real oder virtualisiert) spezielle Aufgaben übernehmen, für die sie jeweils optimal konfiguriert werden können. Linux- oder Unix-Systeme sind dadurch zumeist deutlich performanter; insbesondere die Antwort- und Laufzeiten der Anwendungen sind spürbar besser. Insgesamt ermöglichen Unix- und Linux-Lösungen mit kundenindividuellem Sizing und hoher Skalierbarkeit die exakte Anpassung der Investitionen in Hardwarebeschaffung und -unterhaltung an die sich verändernden Mengengerüste und Banktransaktionen. Überflüssige Hardware muss weder gewartet, gekühlt noch mit Strom versorgt werden.

Software: Die besondere Stärke von Unix – und noch mehr von Linux – liegt in der großen Entwickler-Community, die für ein hohes Tempo bei der professionellen Weiterentwicklung der Software sorgt. Linux ist eine relativ junge und zukunftsoffene Technologie, die aber mit großen, auch im Bankenbereich bereits bestens verankerten Distributoren wie SUSE Linux oder Red Hat ausgereifte Lösungen sowie zahlreiche Business Cases hervorgebracht hat. Der Open-Source-Ansatz erlaubt zudem die Einbindung günstiger Drittlösungen und verschafft Banken, ähnlich wie auf der Hardware-Ebene, eine relativ große Auswahl an Lösungen, für die sie sich im Einklang mit ihren Geschäftszielen und Sicherheitsrichtlinien entscheiden können.

Architektur: Banken erwarten heute Core-Banking-Systeme mit Weiterentwicklungs- und Erweiterungspotenzial. Mit schnellen Software-Innovationen und variablen IT-Architekturen deckt der Common-Source-Ansatz (also die Ablauffähigkeit unter anderem auf Linux und Unix) diese Anforderung umfassend ab. Die Plattformunabhängigkeit einer Kernbankenanwendung bewährt sich auch, wenn es auf ein schnelles Zusammenwachsen verschiedener IT-Systeme ankommt, etwa bei Mergers & Acquisitions, Kooperationen oder bei der Neustrukturierung von Niederlassungen.

Steuerungshoheit über die Banken-IT

Wenn die Banken-IT, wie oben festgestellt, nicht nur ein Fach-, sondern ein strategisches Managementthema ist, dann muss eine Kernbankenanwendung so gestaltet sein, dass sie den Verantwortlichen einen Zuwachs an Planungs- und Steuerungshoheit verschafft. Flexibilität ist gefragt: Auf der Hardware-Ebene wird sie zum Beispiel erhöht durch den Wechsel vom statischen Mainframe zu anforderungsabhängig skalierbaren Unix- und Linux-Servern. Auf Software-Ebene erweitern etwa Schnittstellenvereinfachung und die STP-optimierte Anbindung von Drittsystemen den Spielraum, um neue Geschäfts-, Vertriebs- und Multi-Channel-Konzepte zügig umzusetzen.

Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene bedeutet Flexibilität, den IT-Kostenblock Run-the-Bank zu „verflüssigen“ und zugunsten von Develop-the-Bank umzuschichten. ASP-Services erfreuen sich in diesem Zusammenhang einer wachsenden Beliebtheit. Vor allem mittelständische Banken erwarten dadurch eine Senkung der Betriebskosten, um sich investiv auf geschäftliche Herausforderungen zu konzentrieren.

Best-Sourcing: Ein Grund für die wachsende Nachfrage nach ASP-Services ist die Entlastung für Banken, da der Softwareanbieter die Pflege, Wartung und den Betrieb der standardisierten Kernbankensysteme übernimmt. Das Kreditinstitut hält sich so den Rücken frei, um sich auf das Kerngeschäft, die Kunden und Wachstum zu fokussieren. Eine kundenübergreifende Innovation der Systeme reduziert gleichzeitig den Investitionsanteil jeder einzelnen Bank an Weiterentwicklung und Compliance-Anpassung.

Neben dem Investitionsaufwand lassen sich auch die Betriebskosten senken und präziser kalkulieren, etwa wenn sich Preismodelle variabel an getätigten Transaktionen und betriebswirtschaftlichen Kenngrößen wie Kunden- und Kontenanzahl orientieren. Insbesondere für mittelständische Banken bedeuten ASP-Services auch den Einstieg in höchste Sicherheitsstandards, beispielsweise mit der katastrophengeschützten Kopplung redundanter, räumlich mindestens zehn Kilometer von einander entfernter Rechenzentren.

ASP-Services funktionieren allerdings nur dann, wenn eine parallele Verwaltung mehrerer Banken in einer Anwendung (Mandantenfähigkeit) und damit der Schutz sensibler Geschäfts- und Kundendaten garantiert werden kann. Da ASP-Services mit der Auslagerung von Daten und ihrer Verarbeitung einhergehen, müssen Provider transparente und detaillierte Informationen über die technischen, organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Services vorlegen, eindeutige Regelungen zum Ort der Datenverarbeitung treffen und verbindlich einhalten. Anders als in der (Public-) Cloud, die von Banken bislang mit Skepsis verfolgt wird, muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, wo die Daten liegen und wer Zugriff auf sie hat oder sich zukünftig verschaffen könnte.

Der Trend zu ASP-Services ist allerdings nicht so eindeutig wie der zu Standardsoftware, denn nach wie vor setzen zahlreiche Banken auf den Eigenbetrieb ihrer Kernbankenanwendungen. Die Gründe dafür sind etwa, das gewachsene Know-how im Haus zu pflegen, unabhängig zu bleiben oder die Daten ausschließlich auf eigenen System zu hosten und eventuell sogar in eigenen Räumlichkeiten zu halten, etwa weil die Kunden es verlangen. Auch die Frage der Kosteneinsparung durch IT-Auslagerung wird von Banken jeweils individuell bewertet und beantwortet.

Für den Infrastruktur- und Softwareanbieter bedeutet das, Kunden in ihrem „Best-Sourcing“ zu unterstützen, indem sowohl der Inhouse- als auch Outsourcing-Betrieb der Lösung unterstützt wird. Diese Wahlfreiheit ist wiederum für Banken eine Frage der Flexibilität und damit auch der strategischen Steuerungshoheit über die Banken-IT, auf die es heute ankommt.

Fazit: Kernbankenanwendung als Wettbewerbsvorteil

Geht es um die Cost-Income-Ratio einer Bank und ihre Fähigkeit, Kunden über Tablet-PC, Smartphone und Notebook für ihre Angebote zu gewinnen, kommt der Informationstechnologie eine strategische Stellung zu. Für eine moderne Kernbankenanwendung im Zentrum der Banken-IT bedeutet das: Sie sollte den betriebswirtschaftlichen und technologischen Planungs- sowie Handlungsspielraum der Bankverantwortlichen erweitern, indem sie Stabilität nicht nur für den Status quo sicherstellt, sondern auch für Innovationen. Neben „progressiver Stabilität“ werden von einem Kernbankensystem Wettbewerbsvorteile im Sinne „operativer Exzellenz“ verlangt. Zum Wettbewerbsvorteil wird eine Kernbankenanwendung dann, wenn sie Entscheidern auf Hardware-, Software- und Kostenebene zusätzliche Handlungsfreiheit verschafft. Dazu zählt auch, eine große Auswahl an Anwendungen parametrisiert integrieren und damit neue Geschäftsideen zügig auf den Markt bringen zu können.

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

01.10.2011 | Kunden + Vertrieb

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