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09.02.2021 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Öko-Probleme bei den Batterie-Rohstoffen Lithium und Graphit

verfasst von: Christiane Köllner

7 Min. Lesedauer

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Lithium und Graphit sind wichtige Rohstoffe für Lithium-Ionen-Akkus. Doch deren Gewinnung und Produktion birgt ökologische und soziale Risiken. Umweltschonendere Materialien und Verfahren sowie Recycling können Abhilfe schaffen. 

Lithium und Graphit: Diese zwei Rohstoffe sind für die heutigen Generationen von Lithium-Ionen-Batterien von entscheidender Bedeutung und damit auch für die Elektromobilität. Unabhängig von der Zellchemie ist Lithium das Schlüsselelement in allen Lithium-Ionen-Batterien. Anodenmaterialien, die aus Kohlenstoff und insbesondere graphitiertem Kohlenstoff hergestellt werden, sind die mit Abstand am meisten verwendete Anodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien, da sie eine hohe Energiedichte und Effizienz mit einer langen Lebensdauer verbinden. 

Allerdings bergen sowohl Lithium als auch Graphit ökologische und sozio-ökonomische Herausforderungen in der Batterie-Wertschöpfungskette, die das Öko-Institut in einer Kurzstudie beleuchtet hat. Konkret gibt die Studie einen Überblick über die Probleme für Umwelt und menschliche Gesundheit, die mit dem Lithiumbergbau und der Graphitproduktion verbunden sind. Durch die Nutzung von Alternativ-Materialien, umweltschonenderer Gewinnung und Recycling lässt sich diesen Öko-Problemen aber entgegenwirken. 

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Australien zum größten Lithium-Produzenten aufgestiegen

Lithium ist das Schlüsselelement in Lithium-Ionen-Batterien. Die weltweite Nachfrage nach Lithium in Mobilitätsanwendungen könnte bis 2030 auf 240.000 Tonnen und bis 2050 auf bis zu 1,1 Millionen Tonnen steigen, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden sollen, geht aus der Öko-Institut-Studie hervor. Die steigende Nachfrage lasse sich durch eine zusätzliche Rohstoffgewinnung und ein wachsendes Recycling decken. Lithium wird laut Studie vor allem aus zwei sehr unterschiedlichen Quellen gewonnen: aus Salzsee-Solen in Südamerika sowie aus Festgestein in Australien. Beide Produktionsweisen unterscheiden sich aber stark in ihren möglichen Umweltauswirkungen.

"Die Gewinnung von Lithium aus Salzsee-Solen in Chile, Argentinien und Bolivien steht häufig aufgrund der Wasserknappheitsthematik im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und Kritik, spielt jedoch inzwischen anteilsmäßig mit einem Drittel der Weltproduktion eine abnehmende Rolle", so das Öko-Institut.

Australien sei in den letzten Jahren zum größten Lithium-Produzenten aufgestiegen und stelle rund zwei Drittel der Weltproduktion. Beim Abbau des lithiumhaltigen Minerals Spodumen blieben Reststoffe zurück, die in großen Absetzbecken gesammelt werden. Dammbrüche wie 2019 in einer brasilianischen Eisenerz-Mine würden zeigen, so das Öko-Institut, wie risikobehaftet diese Art der Reststofflagerung sein kann, wenn kein adäquates Management angewendet wird. Neben strikten Sicherheitskonzepten für die Absetzbecken müsse zudem der Schutz der Biodiversität bei jedem Minenstandort individuell bewertet und berücksichtigt werden.

Lithium-Abbau auch in Deutschland

Dass die Gewinnung von Lithium erhebliche ökologische und soziale Auswirkungen haben kann, wenn sie nicht ordnungsgemäß geregelt, kontrolliert und gesteuert wird, bestätigen auch Forscher des irischen Institute of Technology Carlow. Wasserverschmutzung und die Freisetzung giftiger Chemikalien durch Auslaugung und Luftemissionen seien die Hauptprobleme. Es sei bekannt, dass das Einatmen von siliziumhaltigem Staub in Verbindung mit dem Hartgesteinabbau schädlich ist.

Umweltschonender könnte die Gewinnung in Deutschland ablaufen, den auch hierzulande gibt es Lithium-Vorkommen, und zwar im Südwesten Deutschlands. In Geothermieanlagen aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens lässt sich Lithium fördern – und das bei geringstmöglichen Eingriffen in die Natur, wie Frank Urbansky in seinem Artikel Oberrheingraben mögliche Quelle für heimisches Lithium schreibt. Weder müssten Gebirge wie in Australien aufgeschlossen noch Salzseen wie in Südamerika mit großen Wassermengen behandelt werden. Ein Forschungsteam des KIT hat ein Verfahren zur Extraktion aus Thermalwasser patentiert und errichtet mit Partnern eine Pilotanlage im Geothermiekraftwerk in Bruchsal. 

Auch Grubenwasser aus ehemaligen saarländischen Bergwerksstollen soll zum Lithiumlieferanten werden. Daran arbeitet das Forschungsprojekt Merlin von Professor Volker Presser am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken. Denn allein in Deutschland gingen schätzungsweise 1.900 Tonnen wertvolles Lithium pro Jahr verloren, das mit dem Grubenwasser ungenutzt zum Beispiel über Flüsse wie Blies und Saar abfließe.

Natrium statt Lithium

Langfristig wäre es auch möglich komplett auf den Rohstoff Lithium in Akkus zu verzichten. Lithiumfreie Alternativen wären "Natrium‐Nickelchlorid‐Akkumulatoren, Natrium‐Ionen‐Akkumulatoren und Natrium‐Luft‐Akkumulatoren", wie Springer-Autor Kai Borgeest im Kapitel Energiespeicher des Buchs Elektronik in der Fahrzeugtechnik Optionen nennt. Natrium‐Ionen‐Akkumulatoren funktionieren ähnlich wie Lithium‐Ionen‐Akkumulatoren, so Borgeest. Allerdings haben LIB-Akkumulatoren eine höhere Energiedichte, weshalb Natrium‐Ionen‐Akkumulatoren zeitweilig in Vergessenheit gerieten.

Doch Natrium‐Ionen‐Akkus haben auch deutliche Vorteile, wie Borgeest erklärt: Die hohe Natrium-Verfügbarkeit ermöglicht günstigere Preise, die Akkus sind unempfindlich gegen Tiefentladung und haben eine höhere Lebensdauer. Dazu kommt: Die Natrium-Ionen-Technologie verbraucht keine knappen Ressourcen, wie aus dem Artikel Natrium statt Lithium: Die Akkus der Zukunft der "Deutschen Welle" hervorgeht. "Die Produktion der Kathoden benötigt keine seltenen Lithiumsalze, stattdessen genügt einfaches Speisesalz. Leistungsfähige Anoden können aus Braunkohle, Holz und anderer Biomasse hergestellt werden", so der Artikel. Kobalt oder ähnlich seltene Ressourcen benötige man ebenfalls nicht.

Natürlicher versus synthetischer Graphit 

Und wie sieht die Lage bei Graphit aus? Laut Öko-Institut enthalten 96 Prozent der Anoden in Lithium-Ionen-Batterien Graphit als Hauptbestandteil. Dieser könne als Naturgraphit abgebaut oder über ein Verfahren auf Koksbasis synthetisch hergestellt werden. Beide Materialien – natürlicher und synthetischer Graphit – kämen heute zum größten Teil aus China und hätten einen signifikanten ökologischen Fußabdruck. "So kommt es beim Abbau des Naturgraphits zu einer erheblichen Staubentwicklung, die bei Arbeitern sowie Anwohnern zu gesundheitlichen Problemen wie Atembeschwerden und einer verminderten Lungenfunktion führen kann", erklärt das Öko-Institut. Zudem werde Graphit mit anorganischen Säuren gereinigt, die, wenn sie unsachgemäß freigesetzt werden, Umweltschäden verursachen können. Zu den eingesetzten Säuren gehöre auch die besonders gefährliche Flusssäure.

Als Ausgangsmaterial des synthetischen Graphits wird eine Kohlenstoffquelle benötigt, die in der Regel als Nebenprodukt der Erdöl- und Kohleindustrie anfällt. Bei der Herstellung sind sehr hohe Temperaturen von mehr als 2.500 Grad Celsius über mehrere Tage notwendig. Dies ist nur in speziellen elektrischen Öfen möglich. Die damit verbundenen Emissionen hängen sehr stark vom dafür eingesetzten Energiemix ab. Ein Strommix mit möglichst hohen regenerativen Anteilen ist essenziell, um eine signifikante Minderung der Umweltbelastung für Herstellung von Synthesegraphit zu erreichen.

Wie wär’s mit Silizium?

Silizium gilt als vielversprechender Werkstoff für Anoden in Lithium-Ionen-Batterien und könnte Graphit ersetzen. Wissenschaftler des Fraunhofer FEP haben zum Beispiel ein neues Herstellungsverfahren für poröse Siliziumschichten als Anodenmaterial entwickelt. Damit lässt sich zudem die Kapazität von Lithium-Ionen-Batterien erhöhen. Silizium wird aus Sand gewonnen. Sand gehört wie Kies, Zement, Eisen oder Kupfer zu den Massenrohstoffen. "Ihre negativen Umweltauswirkungen werden über die hohe Nachfrage und die damit einhergehenden gewaltigen Fördermengen verursacht. Effizienzpotenziale bei der Gewinnung sind oftmals schon erschlossen", erklärt das Öko-Institut in einem Artikel zum Thema Gewinnung von Primärrohstoffen. Eine strategische Zielsetzung liege darin, die Primärnachfrage zu reduzieren und gleichzeitig den Anteil an Sekundärrohstoffen aus Recycling zu erhöhen.

Recycling von Lithium-Ionen-Batterien

Überhaupt kommt dem Recycling und dessen Optimierung zur Stärkung einer umwelt- und sozialverträglichen Sekundärrohstoffquelle eine große strategische Bedeutung zu, sodass davon auszugehen ist, dass die Rückgewinnung von Lithium und auch von Graphit aus End-of-Life-Lithium-Ionen-Batterien in den nächsten Jahren deutlich an Fahrt aufnehmen wird. Bislang ist der Rücklauf von Lithium-Ionen-Batterien in die Kreislaufwirtschaft allerdings noch überschaubar. "[D]ie Anlagengrößen für das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien in Europa [bewegen sich] bislang im maximal vierstelligen Tonnenbereich", wie das Öko-Institut im Papier Stand und Perspektiven des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien aus der Elektromobilität schreibt. Da sich der Rücklauf der Akkus in den nächsten zehn bis 15 Jahren in Europa erhöhen soll, werde der Bedarf sowohl an größeren Recyclinganlagen als auch an optimierten Verfahren wachsen. 

Handlungsempfehlungen

Die Rohstoffgewinnung für elektrische Antriebe ist komplex und die damit verbundenen Herausforderungen vielfältig. "Diese zu überwinden ist eine Voraussetzung für den Erfolg der Technologien", wie die Springer-Autoren Aline Hendrich und Benjamin Reuter im Artikel Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe für Elektrofahrzeuge aus der ATZelektronik 4/2020 erklären. Die Problematik werde zunehmend angegangen. Die Autoren haben mehrere Handlungsempfehlungen ausgesprochen, darunter finden sich folgende:

  • "Für den Erfolg der Technologien ist es sinnvoll, den Rohstoffbedarf zu reduzieren und so auch die Rohstoffabhängigkeit zu senken".
  • "Kooperieren verarbeitende Industrie und Recyclingunternehmen, wird der wirtschaftliche Aufbau und Betrieb von Sammelsystemen und Recyclinganlagen erleichtert. Zudem empfiehlt sich hier der Design-for-Recycling-Ansatz, um die Rohstoffe im Kreislauf zu führen".
  • "Gestalten Politik und Unternehmen die Lieferketten von Primärrohstoffen transparent, können diese hinsichtlich ökologischer und ethisch-sozialer Kriterien verbessert werden".

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