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29.09.2014 | Bauplanung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Gefühle für die Stadtplaner

verfasst von: Christoph Berger

3 Min. Lesedauer

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In einem interdisziplinären Forschungsprojekt entwickeln Wissenschaftler Methoden, Emotionen von Bürgern in die Stadtgestaltung einzubeziehen. Dazu wollen sie zum einen Daten aus sozialen Netzwerken auswerten. Zum anderen wird das „People as Sensors“-Konzept getestet.

Nach Ansicht von Experten sollten emotionale Reaktionen der Bürger in eine nachhaltige Stadtentwicklung einbezogen werden: Unsichere Radwege, Stress durch Verkehrsstaus, Angst in Unterführungen – es gibt viele Faktoren, die belastend auf Stadtbewohner einwirken können.

In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten interdisziplinären Forschungsprojekt „Urban Emotions“ entwickeln Wissenschaftler der Universitäten Heidelberg und Kaiserslautern daher Methoden, um mit nutzergenerierten Daten Auskunft über solche Gefühle zu erhalten. Die Daten sollen zeigen, wie Bürger ihre Stadt nutzen, wo sie sich wohlfühlen und durch welche Gegebenheiten problematische Situationen entstehen können – bislang nicht identifizierbare dynamische Vorgänge.

Die Stadt ist ein Organismus

„Unsere Vision ist es, dass hier ein System entsteht, in dem die Bürger in die Raumbeobachtung aktiv mit einbezogen werden. Sie sollen helfen, eine andere Form der Raumwahrnehmung zu generieren und so auch eine neue Sichtweise auf die Stadt als eine Art ‚Organismus‘ zu entwickeln“, erklärt Dr. Peter Zeile vom Fachbereich Raum- und Umweltplanung an der Technischen Universität Kaiserslautern.

Dazu untersuchen die Wissenschaftler, wie Emotionsinformationen am besten gewonnen werden können, wie belastbar diese Daten sind und wie sie so aufbereitet werden können, dass sie im Stadtplanungsprozess nutzbar sind. „Diese neuen kreativen Methoden können im Erfolgsfall eine wertvolle Ergänzung der traditionellen Stadtplanung sein“, sagt Dr. Resch, Geoinformatiker vom Geographischen Institut der Universität Heidelberg. Resch und Zeile leiten gemeinsam das Forschungsprojekt.

Sensoren im Armband messen die Gefühlslage

Zum einen wollen die Forscher dafür öffentlich zugängliche Daten aus sozialen Netzwerken auswerten. Zum anderen testen sie die Möglichkeiten des „People as Sensors“-Konzepts. Damit werden automatisiert Emotionen und Stresslevels gemessen.

Für diese automatisierte Messung von Emotionen und Stresslevels statten die Forscher Testpersonen mit Sensoren – ähnlich einer Armbanduhr – aus. „Damit können wir die Hautleitfähigkeit, die Körpertemperatur und die Herzfrequenzvariabilität messen, die sich ändern, wenn sich beispielsweise jemand erschrickt“, erklärt Resch.

Die Messdaten ermöglichen Rückschlüsse darauf, wo es Stress auslösende Verkehrspunkte und somit Verbesserungsbedarf gibt – etwa auf Radwegen, die Radfahrer immer wieder in gefährliche Situationen bringen. „Mit den Sensoren lässt sich auch das subjektive Sicherheitsempfinden erfassen, zum Beispiel in einer Unterführung. Damit können wir überprüfen, ob ein ‚Angstraum‘ vorliegt und wie mit diesem im Idealfall planerisch umgegangen werden soll“, erklärt Bernd Resch. Die Daten sollen aber auch Aufschluss geben über Stress, der durch Lärm oder Hitze verursacht wird, oder über die positive Wirkung städtischer Gestaltungsmaßnahmen wie Grünanlagen als Entspannungsräume.

Auch soziale Netzwerke liefern viele Daten

Zusätzlich zu den Messdaten werten die Forscher öffentlich zugängliche Daten aus sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook, Flickr oder Instagram aus. „Dort steht uns eine große Menge an subjektiven nutzergenerierten Daten zur Verfügung – eine bestens geeignete Datenquelle in einem Projekt, in dem wir auf die persönlichen Empfindungen von Menschen abzielen“, betont Dr. Resch.

Auf diese Weise können die Wissenschaftler ihre Ergebnisse validieren: Sie überprüfen, ob gemessene Empfindungen mit subjektiven Einschätzungen in sozialen Medien übereinstimmen. Um an aussagekräftigen Aussagen zu kommen, arbeite man zudem mit der Computerlinguistik zusammen – es sei ja nicht nur der Ort des Geschehens wichtig, sondern auch die Semantik der Aussagen, erklärt Resch. „Dabei soll der Computer Emotionen kontextbezogen erkennen, sodass die Planer diese besser auswerten können.“

Wissenschaftliche und technische Unterstützung erhalten die Wissenschaftler aus Heidelberg und Kaiserslautern vom Center for Geographic Analysis der Harvard University und dem Civic Data Design Lab des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA) sowie den Research Studios Austria – iSPACE in Salzburg.

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