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06.05.2012 | Bauplanung | Interview | Online-Artikel

Wohngesunde Baukonzepte

verfasst von: Annette Galinski

4:30 Min. Lesedauer

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Erhöhte Dämmstandards führen dazu, dass unsere Gebäude immer stärker abgedichtet werden – und machen das Leben in ihnen gesundheitlich zunehmend bedenklich. Wo früher z. B Schadstoffe in der Raumluft durch Ritzen und Fugen zwischen Bauteilen leichter nach außen gelangen konnten, ist die Konzentration an Lösemitteln und z. B. Formaldehyd heute in den Innenräumen meist höher als im Freien. Doch wo liegen die Alternativen? Wie lässt sich z. B. ein Altbau energetisch sanieren und dabei sein positives Raumklima bewahren? 

Peter Bachmann ist Umwelttechniker sowie Geschäftsführer und Gründer der Sentinel-Haus Institut GmbH – Wohngesunde Baukonzepte. Gerade hat er gemeinsam mit Matthias Lange, Marketingleiter der Sentinel-Haus Institut GmbH, das Fachbuch „Mit Sicherheit gesund bauen“ herausgegeben. Peter Bachmann beantwortet unsere Fragen zum Thema wohngesunde Gebäude und Innenraumhygiene.

Springer Professional: Wie charakterisieren Sie ein wohngesundes Haus?

Peter Bachmann: Ein gesundes Haus hat nach  Neubau oder der Sanierung eine definierte und fremdüberwachte Qualität für gesundheitsrelevante Stoffe wie Lösemittel, Formaldehyd, Radon, Kohlendioxid und einiges mehr! Die Bewohner und Nutzer erhalten nach Abschluss der Arbeiten ein anerkanntes Prüfzeugnis.

Welche Baustoffe sind aus Ihrer Sicht empfehlenswert?

Alle Baustoffe, die mit anerkannten Prüfzeugnissen ausgestattet sind. Wir sprechen von der gesundheitlichen Eignung, welche nicht mit den ökologischen Aspekten zu verwechseln ist. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Emissionsmessungen (Ausgasungen) in der Prüfkammer (nach ISO 16000). Leider gibt es Hersteller, die sehr zurückhaltend sind mit Prüfzeugnissen. Als Sentinel-Haus-Institut überprüfen wir die Eignung von Baustoffen und Bausystemen.

Welche Verbindungsmittel können mit ihnen kombiniert werden?

Gerade die Wechselwirkungen von Baustoffen und Bausystemen sind besonders genau zu betrachten. Welcher Bodenbelag mit welchem Kleber? Welche Spachtelmasse mit welchem Haftgrund? Hier setzen wir als Sentinel-Haus-Institut zunehmend auf die Prüfung kompletter Systeme, die dem Verarbeiter, Planer und Investor zusätzliche Sicherheit bieten.

Wie verlässlich sind die Prüfverfahren an Baustoffen? Woran, z. B. an welchen Zertifikaten, können sich Planer und Bauherren orientieren?

Wenn man mit dem richtigen Institut (z. B. eco Institut Köln) zusammen arbeitet, sind Prüfverfahren sehr verlässlich und transparent. Baustofffreigaben unseres Sentinel-Haus-Instituts, das Eco-Institut-Label oder natureplus sind Beispiele für gute Baustofffreigaben und Zertifikate. Vorsicht sollte man bei industrieinitiierten Zertifikaten walten lassen! Hier gibt es gute und sehr schlechte. Auch ein nach RAL-/AgBB-geprüftes Bauprodukt mit dem Blauen Engel ist keine Garantie für die Einhaltung von Richtwerten für die Innenraumluft.

Welche Messverfahren stehen zur Verfügung, um Schadstoffe in Innenräumen aufzuspüren?

Das kommt auf den Schadstoff an. Fast jeder Schadstoff erfordert ein eigenes Messverfahren. Wichtig ist, dass nach der Messreihe ISO 16000 gemessen wird und die definierten Bedingungen wie Temperatur und Luftwechsel beachtet werden. Für die gängigsten Schadstoffe wie VOC und Formaldehyd gibt es inzwischen einfache Verfahren (Schnelltests), die einen ersten Hinweis auf eine Belastung ergeben können. Für eine anerkannte Messung braucht es dann einen erfahrenen Messtechniker. 

Kann eine kontrollierte Be- und Entlüftung der vermehrten Schadstoffkonzentration in einem gedämmten Haus entgegenwirken?

Grundsätzlich gehört in ein modernes und abgedichtetes Haus eine Lüftungsanlage. Jetzt gibt es jedoch viele unterschiedliche Systeme und damit große Qualitätsunterschiede von Systemen. Grundsätzlich ist es jedoch wichtig, dass die Lüftungsanlage den Abtransport von Feuchte (Schimmelschutz) und Kohlendioxid gewährleistet. Problematisch ist leider immer noch, dass Lüftungsanlagen nicht optimal eingestellt sind und nicht entsprechend regelmäßig gereinigt werden. Emissionen aus Einrichtung und Reinigungsmitteln müssen grundsätzlich durch ein wohngesundheitliches Qualitätsmanagement vermeiden werden. 

Welche Alternativen zum „Verpacken“ der Gebäude sehen Sie bei der Altbausanierung?

Das ist sehr individuell zu betrachten. Zuerst sind die Wünsche und die gesundheitlichen Anforderungen des Investors zu betrachten und dann im nächsten Schritt die bauphysikalischen Möglichkeiten. Es gibt kein Patentrezept hierfür. Allerdings muss man sich fragen, ob das Verpacken von Gebäuden mit styrolhaltigen Materialien die Last der Entsorgung nicht auf spätere Generationen verschiebt.

Reichen aus Ihrer Sicht die gesetzlichen Vorgaben zur Gewährleistung der Innenraumhygiene aus?

Bisher leider nein. Es gibt inzwischen gute Orientierungswerte des Umweltbundesamtes, vom Bundesbauministerium, der Wohnungswirtschaft und einigen privaten Institutionen. Diese Empfehlungen haben trotz fehlender gesetzlicher Regulierung häufig Haftungspotenzial für die Bauschaffenden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten ergeben sich für Immobilienkäufer und -mieter, wenn Innenraumschadstoffe nachweisbar sind? Existieren festgelegte Grenzwerte bezüglich der Schadstoffkonzentration in Innenräumen?

Leider gibt es hier keine klare Regel. Für Käufer und Investoren ist es von größter Bedeutung, dass die gesundheitlichen Zielwerte vertraglich definiert werden. Grundlage ist § 633, Abs. 2 BGB. Es gibt zudem noch sogenannte Richtwerte des Umweltbundesamtes und anderer Institutionen, welche sehr nützlich sind im Schadensfall. Optimalerweise lässt man es durch Qualitätsmanagement und klare Absprachen gar nicht zum Schaden kommen. Es gibt inzwischen sehr viele Urteile, die bei Schadstoffbelastung oder Geruchsbelästigung dem Käufer oder Mieter – basierend auf den Richtwerten des Umweltbundesamtes – Recht geben. Zudem gelten weitere allgemeine Grundlagen des Vertragsrechts. So haftet ein Verkäufer, wenn er gesundheitliche Mängel oder Schadstoffe verschweigt, von denen er vor dem Verkauf Kenntnis hatte.

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