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02.07.2015 | Betriebsstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Hat Flüssiggas als Kraftstoff eine Zukunft?

verfasst von: Alexander Heintzel

5:30 Min. Lesedauer

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Die Zahl der Autogasfahrzeuge ist in Deutschland seit 2005 erheblich gestiegen. Der Erfolg von Flüssiggas als Kraftstoff aber hängt entscheidend von der künftigen Energiesteuer auf Kraftstoffe ab. So lautet kurz und knapp das Fazit der neuen Shell-Studie zu Flüssiggas.

Weltweit wird die Zahl der LPG-Fahrzeuge auf knapp 17 Millionen geschätzt, die meisten davon in Europa und Asien. Auf Deutschlands Straßen waren 2005 erst knapp 20.000 Fahrzeuge unterwegs, die ihre Ottomotoren mit Liquified Petroleum Gas (LPG) betrieben - 2014 waren es fast eine halbe Million, davon 97 Prozent Pkw. In Deutschland rollt damit die größte Autogasflotte Europas. Nach den aktuellen KBA-Zahlen ist LPG mit einem Anteil von 1,1 Prozent der wichtigste alternative Antrieb im deutschen Pkw-Bestand und liegt deutlich vor Hybrid- und Elektro-Antrieben.

Bisher sind LPG-Fahrzeuge noch ausnahmslos auf dem Ottoprinzip basierend und bivalent ausgelegt. Effizientere monovalente Systeme sind derzeit in der Entwicklung und Erprobung. Parallel zum Anstieg der Nutzung verbesserte sich der Shell-Studie zufolge auch die globale Verfügbarkeit des sogenannten Autogases. So verfügen zum Beispiel die Länder der EU zusammen über etwa 25.00 bis 30.000 Zapfstellen für LPG. Deutschland weist hier mit rund 7000 Zapfstellen die mit Abstand beste Infrastruktur auf.

Gleicher Wirkungsgrad - Vorteile bei Treibhausgasemissionen

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Der spezifische Energieverbrauch pro Kilometer ist bei LPG- und Benzinsystemen nahezu gleich. Während somit keine Unterschiede im Wirkungsgrad bestehen, ist der Kraftstoffverbrauch flüssiggasbetriebener Fahrzeuge aufgrund der geringeren volumetrischen Dichte des Treibstoffs um bis zu 25 Prozent höher. Besser ist das Verhältnis bei den Treibhausgasemissionen. Hier emittiert LPG bei den direkten Treibhausgasemissionen (Tank-to-wheel) etwa 10 Prozent weniger CO2 als Otto- oder Dieselkraftstoff. Im Gegensatz zu Fahrzeugen mit Dieselantrieb, die über einen deutlich höheren Wirkungsgrad verfügen, erzielen LPG-angetriebene Fahrzeuge gegenüber benzinangetriebenen Ottofahrzeugen auch auf die Fahrleistung bezogen deutlichen CO2-Vorteile.

Ähnlich ist das Verhältnis bei der Kraftstoffvorkette. Well-to-Tank zeichnet laut Shell-Studie für 15 bis 20 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Hier sind die Unterschiede zwischen LPG und Benzin ebenfalls marginal, so dass das LPG-getriebene Fahrzeug in der Gesamtbilanz weiterhin Vorteile aufweist. Das Dieselfahrzeug jedoch liegt aufgrund seiner höheren Effizienz auch in diesem Punkt vor dem Autogas. Bezüglich der Luftqualität haben LPG-Pkws aufgrund der aktuellen und geplanten Grenzwerte für Abgasemissionen bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen keine nennenswerten Vorteile.

Kostenersparnis ist Hauptanreiz für Kunden

Der Schlüsselfaktor für Kunden, die sich für ein gasbetriebenes Fahrzeug entscheiden, sind zweifelsohne die Anschaffungs- und Betriebskosten: Laut Shell-Studie liegen die Umrüstungskosten eines Benzin-Kompaktfahrzeugs aktuell bei rund 2300 Euro. Je nach Höhe der Kraftstoffpreise amortisiert sich die Investition nach 60.000 bis 75.000 Kilometern. Für ein LPG-Neufahrzeug fallen heute Mehrkosten im Vergleich zum Benzinfahrzeug von etwa 2100 Euro an, also etwa so viel, wie für ein Dieselfahrzeug. Auch hier ist eine Kilometerleistung zwischen 55.000 und 70.000 Kilometern erforderlich, bis sich dies rechnet.

Bei Amortisationszeiträumen von drei bis sieben Jahren ist der Kern des Anreizes auf LPG umzusteigen damit die staatliche Förderung, also die Energiesteuer auf Kraftstoffe. Und genau da ist der Knackpunkt: Würde die Energiesteuer, wie aktuell noch vorgesehen, ab 2019 deutlich verringert, hätte dies einschneidende Auswirkungen auf die Zukunft von LPG als Treibstoff für ottomotorisch angetriebene Fahrzeuge, da sich der Zeitraum bis zum Break-even der Investition deutlich verlängern würde. Mit anderen Worten: LPG wäre wirtschaftlich nicht mehr konkurrenzfähig.

Erfahren Sie auf Seite 2, wie es mit Autogas weiter geht und warum die Herstellung von LPG aus Biomasse eine Option wäre.

Treibhausgasminderung durch Flüssiggas nur bei optimalem Szenario

Shell als einer der Produzenten von LPG fordert daher verlässliche Rahmenbedingungen in Form einer weiterhin ermäßigten Energiesteuer, um den Autogasmarkt zukünftig überlebens- und ausbaufähig zu gestalten. Hierzu entwickelt die aktuelle Studie zwei Szenarien. Die sogenannte Contra-Autogas-Szenarette geht davon aus, dass sich das wirtschaftliche Umfeld für LPG aufgrund der wegfallenden Förderung drastisch verschlechtert. Demnach gehen die Umrüstungen und Neukäufe bis 2020 deutlich zurück und der Fahrzeugbestand halbiert sich in den Folgejahren auf rund 250.000 Fahrzeuge. Zusätzlich überaltert der Fahrzeugbestand, was zu einer Reduktion der CO2-Einsparungen führt.

Die Pro-Autogas-Szenarette postuliert, dass der heutige Bestand von rund 500.000 Fahrzeugen in Deutschland bei einer entsprechenden steuerlichen Förderung bis 2030 auf über eine Million Fahrzeuge ansteigen könnte. Die bedeutete, so die Studie, eine Senkung der CO2-Emissionen Well-to-wheel um etwa 250.000 Tonnen.

Fazit: Bleibt die Förderung also wie sie ist, können die Treibhausgasemissionen dauerhaft und nachhaltig gesenkt werden? Antwort: Jein, denn die Autoren kommen richtigerweise zum Schluss, dass hierfür der Bestand an LPG-Fahrzeugen noch deutlich über die Marke von einer Million ansteigen müsste. Ob dies bis 2030 geschieht, ist mehr als fraglich und für die Zeit danach nicht robust kalkulierbar.

Zusätzliche Nachhaltigkeit durch Biomass-to-Liquid

Ohne weitere steuerliche Förderung wird sich Gas als Treibstoff für Ottomotoren nicht durchsetzen. Ein weiterer wichtiger Baustein, um hiermit nachhaltig Treibhausgasemissionen zu senken, ist sicherlich die Herstellung von LPG aus Biomasse (Biomass-to-Liquid, BtL), das rein oder beigemischt zum Einsatz kommen kann. Die größten Vorzüge des synthetischen Biokraftstoffs sind neben seinem hohen CO2-Minderungspotenzial von über 90 Prozent seine hohen Biomasse- und Flächenausbeuten von bis zu 4000 l/ha sowie seine hohe Qualität. Derzeit sind Anlagen zur Biomassevergasung mit der Fischer-Tropsch-Synthese (Biomass-to-Liquid, BtL), in der Entwicklung. Auch die Nutzung von Glycerin, das bei bei der Produktion von Biodiesel oder Zellulose als Reststoff anfällt, kann verwendet werden.

Bereits in Betrieb ist seit Ende 2014 die Bioliq-Pilotanlage am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wie der Report "Synthetische Kraftstoffe im Wartestand" aus der MTZ 6-2015 ausführt. Nach diversen Zwischenschritten sind nun die vier Stufen des Verfahrens miteinander verbunden und produzieren Benzin aus Stroh. Die Anlage produziert zunächst noch in kleinem Maßstab, hat die grundsätzliche technische Machbarkeit bewiesen.

"Ein sensationeller Ansatz, der weit in die Zukunft reicht, aber an dem schon intensiv geforscht wird, ist Kraftstoff aus gezüchteten Mikroalgen", konstatiert Dr. Richard van Basshuysen im Interview mit Springer für Professionals. Wird BtL in den industriellen Prozess überführt, dann kann CO2 durch LPG schneller und nachhaltiger gesenkt werden. Allerdings gilt auch hier die gleiche Grundvoraussetzung, wie für den Kunden: ohne steuerliche Anreize oder staatliche Förderung beziehungsweise planerische Sicherheit, wird niemand die immensen Investitionen tätigen, die für die industrielle Umsetzung dieser sinnvollen Lösungen nötig sind.

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