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27.08.2019 | Betriebsstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kältemittel R1234yf wieder in der Kritik

verfasst von: Christiane Köllner

4:30 Min. Lesedauer

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Bislang stand das Kältemittel R1234yf für Pkw-Klimaanlagen wegen seiner Brandgefährlichkeit in der Kritik. Neuere Analysen zeigen nun, dass Abbauprodukte von R1234yf Gewässer schädigen und Algen vergiften. 

Stand das Kältemittel R1234yf vor allem bislang wegen seiner gefährlichen Verbrennungsprodukte am Pranger, gerät es nun erneut in die Kritik. Seit sich R1234yf in Pkw-Klimaanlagen mehr und mehr verbreitet, werden laut Umweltbundesamt (UBA) immer höhere Konzentrationen der Chemikalie in der Atmosphäre nachgewiesen. Das synthetische Kältemittel entweiche vor allem aus Pkw-Klimaanlagen und zunehmend auch aus stationärer Kälte-Klima-Technik, so die Behörde. Abbauprodukte von R1234yf gelängen über Niederschläge in Gewässer und könnten dort Algen schädigen. Eine Kleine Anfrage vom April an die Bundesregierung bestätigt die Erkenntnisse des UBA.

Seit dem 1. Januar 2017 dürfen neue Klimaanlagen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen EU-weit nur noch mit Kältemitteln mit einem kleinen Treibhauspotenzial (Global Warming Potential (GWP) < 150) befüllt werden. Dies schließt auch das Kältemittel R134a ein, das bisher in Pkw-Kälteanlagen verwendet worden ist. Als Ersatzkältemittel wird seit 2011 vor allem der brennbare fluorierte Stoff R1234yf verwendet. 

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Kältemittel für die mobile Klimatisierung

Seit dem 1. Januar 2017 müssen Klimaanlagen neuer Pkw und kleiner Nutzfahrzeuge in Europa Kältemittel mit einem sehr niedrigem Treibhauspotenzial enthalten. Einige Pkw-Hersteller entwickeln alternativ zum brennbaren fluorierten Kältemittel R1234yf mobile Klimaanlagen mit dem natürlichen Kältemittel Kohlendioxid (R744/CO2). Ein Beitrag des Umweltbundesamts (UBA).

R1234yf in der Atmosphäre nachweisbar

Das UBA berichtet, dass bereits im Jahr 2012 die Schweizer Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in 3.580 Meter Höhe am Jungfraujoch R1234yf in der Luft nachgewiesen habe. Im Jahr 2015 habe die Empa über ihre Ergebnisse der kontinuierlichen atmosphärischen Messungen von drei neu eingeführten halogenierten Stoffen berichtet: R1234yf, R1234ze(E) und 1233zd(E). Diese Stoffe werden vor allem als Ersatz für klimaschädliche Kältemittel und zur Kunststoffschäumung eingesetzt. Die aktuellen Auswertungen der Empa-Messungen bis Ende 2017 zeigten nun, dass die neuen Stoffe immer öfter und in höheren Konzentrationen in der Atmosphäre nachweisbar seien. Diese Besorgnis wurde zuletzt auch von der Sachverständigengruppe für technologische und wirtschaftliche Untersuchungen (Technology and Economic Assessment Panel, TEAP) des UN-Umweltprogramms (UNEP) im sogenannten RTOC (Refrigeration, Air Conditioning and Heat Pumps Technical Options Committee) Assessment Report 2018 bestätigt. Weitere Forschung zu den Umweltauswirkungen von TFA sei jedoch nötig, so das TEAP-RTOC.

R1234yf ist sehr instabil. In der Atmosphäre bildet sich aus dem Kältemittel vor allem das schwer abbaubare Trifluoressigsäure (TFA), wie Gabriele Hoffmann vom UBA im Artikel Kältemittel für die mobile Klimatisierung aus der ATZ 1/2017 beschreibt. Bei einer atmosphärischen Lebensdauer von etwa zwei Wochen bildet R1234yf nahezu 100 Prozent der persistenten TFA, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion und weiter Abgeordneter vom April 2019 zum Thema Kühl- und Kältemittel in Klimaanlagen hervorgeht. Das TFA-Bildungspotenzial von R134a beträgt hingegen sieben bis maximal 20 Prozent bei einer Lebenszeit von 14 Jahren, wie weiter aus der Kleinen Anfrage deutlich wird. Das bedeutet, dass sich die TFA-Eintragsmenge mit R1234yf gegenüber R134a mehr als verfünffacht. 

R1234yf-Abbauprodukt TFA gelangt in Gewässer

Was Trifluoressigsäure (TFA) so problematisch macht, ist dessen extreme Wasserlöslichkeit, Algengiftigkeit und Persistenz. Die Säure wird mit den Niederschlägen in die Gewässer eingetragen. TFA soll laut UBA in gewissem Umfang zur Versauerung von Gewässern beitragen. Mit den üblichen Reinigungsmethoden der Wasserwerke wie Ozonierung und Aktivkohleadsorption sei TFA aus dem Wasser nicht effektiv entfernbar. Durch die Ozonierung könnte sich sogar zusätzliches TFA aus entsprechenden Vorläuferverbindungen, wie zum Beispiel bestimmten Pharmaka, bilden, wie aus der Kleinen Anfrage hervorgeht. 

Eine Studie unter Beteiligung der Empa aus dem Jahr 2012 schätzt die zukünftig zu erwartenden TFA-Emissionen auf bis zu 19.000 Tonnen pro Jahr, die in die Umwelt gelangen, wenn alle Pkw in Europa mit R1234yf-Anlagen ausgerüstet sind. Die Emissionswege gehen aus der Kleinen Anfrage auch noch einmal konkret hervor: Demnach sollen bei der Erstbefüllung von Pkw-Klimaanlagen im Werk nur geringe Mengen entweichen, durchschnittlich drei Gramm Kältemittel pro Anlage. Während der Nutzungsphase werden durch reguläre Leckagen, irreguläre Verluste bei Unfällen sowie bei Service und Wartung durchschnittlich zehn Prozent der Füllmenge pro Jahr freigesetzt. Der Emissionsfaktor der Entsorgung habe im Jahr 2017 bei 18 Prozent gelegen. 

Alternative R744-Klimaanlage

Doch das Kältemittel ist auch aufgrund weiterer Eigenschaften kritisch. R1234yf kann im Brandfall und an heißen Oberflächen giftige Stoffe bilden – ein Sicherheitsrisiko für Insassen und Rettungskräfte. Entzündet sich R1234yf bei einem Unfall, entsteht unter anderem ätzende Flusssäure, wie Daimler bei eigenen Tests bereits 2012 feststellte. Eine technische Lösung der Stuttgarter soll aber das Risiko des Kältemittels beherrschbar machen. Der Chemiker Andreas Kornath von der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat 2014 nachgewiesen, dass das Kältemittel R1234yf beim Verbrennen das hochgiftige Carbonylfluorid bilden kann.

Daher rät das UBA, auf fluorierte Kältemittel wie R1234yf zukünftig zu verzichten und stattdessen auf umweltverträglichere Stoffe und Verfahren zu setzen. Als Alternative zu synthetischen Kältemitteln, wie das derzeit flächendeckend eingesetzte R1234yf, bietet sich R744 an, also Kohlendioxid (CO2). "CO2 weist gegenüber herkömmlichen Kältemitteln vielfältige Vorteile auf, wie weltweite Verfügbarkeit, keine Umweltbelastung beim Austreten in die Atmosphäre, ein chemisch inertes Verhalten sowie die Realisierung einer hohen volumetrischen Kälteleistung der Kälteanlage", beschreibt Springer-Autor Jakob Hennig in der Einleitung zum Buch Virtuelle Prototypen für Lamellenventile in Pkw-Kältemittelverdichtern die Vorteile der R744-Klimaanlagen. Allerdings bieten erst zwei Pkw-Hersteller, Daimler und Audi, in ausgewählten Modellen Klimaanlagen mit dem natürlichen Kältemittel CO2 an.

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