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2013 | Buch

Blade Runner, Matrix und Avatare

Psychoanalytische Betrachtungen virtueller Wesen und Welten im Film

herausgegeben von: Dr. Parfen Laszig

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Zu den wesentlichen Qualitäten des Kinos gehört es, die Wirklichkeit in Frage stellen zu können, mit Identitäten zu spielen und Traumwelten zu inszenieren. Damit eröffnet das Kino für uns Zuschauer neue Erfahrungs- und Erlebnisräume. In den vergangenen Jahrzehnten haben technische Fortschritte, leistungsfähigere Mikrochips und die rasanten Entwicklungen im Internet das menschliche Leben bis in die persönlichsten Bereiche verändert - und auch die Produktion von Filmen revolutioniert. Seit einigen Jahren kann man eine deutliche Zunahme der Parallelwelten im Kino erkennen; vor allem viele große Blockbuster spielen in einer nicht mehr realen Welt. 30 Kinofilme werden daraufhin untersucht, in welcher Weise diese kulturellen Entwicklungen im Film thematisiert werden. Was erleben wir als Zuschauer/-innen? Beeinflussen Kinofilme unsere Einstellungen zur Realität? Verändert sich durch die Virtualität unsere Identität? Gibt es überhaupt einen Zusammenhang?

Soljaris (1972) - Welt am Draht (1973) Westworld (1973) - Der gekaufte Tod (1980) - Blade Runner (1982) - Videodrome (1983) - Brazil (1985) - Purple Rose of Cairo (1985) - Total Recall (1990) - Bis ans Ende der Welt (1991) - Ghost in the Shell (1995) - Strange Days (1995) - Gattaca (1997) - Virtual Nightmare – Open your Eyes (1997) - Dark City (1998) - Die Truman Show (1998) - Pleasantville (1998) - eXistenZ (1999) - Matrix (1999; 2003;2003) - The 13th Floor (1999) - The Cell (2000) - Thomas est amoureux (2000). – Künstliche Intelligenz (2001) - Vanilla Sky (2001) - Minority Report (2002) - A Scanner Darkly (2006) - Inland Empire (2006) - Avatar (2009) - Surrogates - Mein zweites Ich (2009) - Inception (2010)

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Wo Es war, soll Ich werden
Soljaris – Regie: Andrej Tarkowskij
Zusammenfassung
Der Plot von Soljaris (◘ Abb. 1) wäre schnell erzählt: Der Psychologe Kris Kelvin (Donatas Banionis) verabschiedet sich von seinem alten Vater, weil er auf die Forschungsstation beim Planeten Solaris reisen muss, von der nur noch wirre Nachrichten eintreffen. Ein Freund des Vaters, der Exkosmonaut Berton (Vladislav Dvorzhetsky), beschwört ihn, die Forschungsmission nicht abzubrechen, da Solaris ein unerhörtes Geheimnis berge: Er könne aus seiner Lava menschliche Gestalten reproduzieren. Auf der Station trifft Kelvin eine verwirrte und paranoide Crew, und er sieht fremdartige Personen. Plötzlich ist auch seine durch Suizid verstorbene Frau Hari (Natalya Bondarchuk) wieder bei ihm. Kelvin versteht schnell, dass sie eine materialisierte Ausgeburt des Planeten ist, und schießt sie mit einer Rakete in den Weltraum.
Andreas Hamburger
2. Gibt es eine „wirkliche“ Welt?
Welt am Draht – Regie: Rainer Werner Fassbinder
Zusammenfassung
Die Handlung bewegt sich auf drei „Realitäts“-Ebenen, von denen die oberste Ebene erst zum Schluss des zweiten Teils des Films – quasi als Überraschung – „entdeckt“ wird: die „wirkliche Welt“. Eine Stufe darunter gibt es eine elektronisch simulierte Wirklichkeit und schließlich – noch weiter „unten“ (im Sinne der Abhängigkeit) – eine von der simulierten Welt erzeugte Simulation. Der Film spielt fast ausschließlich in der „Mittelwelt“, die aber eben davon handelt, in welcher Weise mit einem neu entwikkelten Supercomputer eine ganze kleine Stadt nachgebildet werden kann – nicht nur mit allen ihren biologischen und technischen Funktionen, sondern auch mit den Sozialfunktionen menschlicher Personen, in deren Simulationen die Eigenschaften scheinbar autonomer Subjektivität einprogrammiert sind und in Funktion gehalten werden.
Hinderk M. Emrich
3. Schockmomente im Kinosessel
Westworld – Regisseur: Michael Crichton
Zusammenfassung
Der Film, 1973 in den Kinos erstmals gezeigt (◘ Abb. 1), spielt in einer nicht genauer benannten Zukunft, was am futuristischen Design in zahlreichen Sequenzen des Films deutlich wird. Der Freizeitpark Delos, zu dem zahlreiche Urlauber in einem modernistischen Flugzeug unterwegs sind, bietet drei komplett ausgestattete künstliche „Welten“. Die Besucher können eine römische Welt, eine mittelalterliche Welt um 1300 oder eine Wildweststadt um 1880 besuchen. Diese örtlichkeiten sind sehr aufwändig nachgebaut, außer den Urlaubern gibt es eine große Anzahl von künstlichen Menschen, im folgenden Androiden oder Roboter genannt, die den Besuchern für sexuelle Ausschweifungen, aber auch für Kämpfe und Duelle zur Verfügung stehen. Im Wilden Westen (Westworld) können die Gäste nach Herzenslust in Saloons Whisky trinken, an Schlägereien oder Banküberfällen teilnehmen, sich mit Prostituierten vergnügen und als Revolverhelden ihre Rivalen (die Androiden) erschießen.
Rainer Reffert
4. „Death Watch“ oder die Inszenierung der Realität
Der gekaufte Tod – Regie: Bertrand Tavernier
Zusammenfassung
Der Film Der gekaufte Tod (◘ Abb. 1) spielt in einer ungewissen Zukunft und verwendet die marode Kulisse von Glasgow in Schottland. Es ist eine Zeit, in der alle Krankheiten so gut wie ausgerottet sind und die Menschen im hohen Alter, von Drogen umnebelt, sterben. Deshalb ist der Tod durch eine Krankheit, erst recht bei einem jüngeren Menschen, ein besonderes Ereignis, das vom Fernsehen NTV medial groß ausgeschlachtet wird.
Udo Rauchfleisch
5. Der Glanz im Auge des Replikanten
Blade Runner – Regie: Ridley Scott
Zusammenfassung
Los Angeles im Jahr 2019 (◘ Abb. 1): Nachdem Überbevölkerung und Umweltverschmutzung unerträgliche Dimensionen erreicht haben, sind Millionen von Menschen gezwungen, auf andere Planeten überzusiedeln. Diejenigen, die auf der Erde geblieben sind, leben in gewaltigen, überbevölkerten Städten, auf die unablässig ein Säureregen niedergeht. In den Straßen herrscht ein unübersichtliches multikulturelles Gewirr von Menschen, Sprachen und Verkehr, illuminiert durch grell-bunte Neonreklamen. Die genetische Manipulation ist zu einem der größten Industriezweige geworden, und es werden künstliche Haustiere feilgeboten, weil die meisten Tierarten ausgestorben sind. Eine Weiterentwicklung stellen genetisch hergestellte Menschen, sogenannte „Replikanten“ dar. Als Arbeits-, Lust- und Kampfsklaven werden sie auf die extraterrestrischen Kolonien geschickt und gelten auf der Erde als „illegal“. Da sie von echten Menschen nahezu nicht mehr zu unterscheiden sind, werden sie als potenzielle Bedrohung betrachtet. Einer Gruppe von besonders hochentwickelten Replikanten der Nexus-6-Serie ist es gelungen,sich eines Spaceshuttles zu bemächtigen, die Besatzung zu töten und auf die Erde zurückzukehren. Einer der entflohenen Replikanten, Leon, schleicht sich als Arbeiter in die Herstellungsfirma „Tyrell Corporation“ ein. Als Leon (Brion James) einem Assoziations-/Empathietest (genannt Voight-Kampff) unterzogen wird, tötet er seinen Verhörer Holden.
Parfen Laszig
6. Videodrome und die traumatische Begegnung mit dem Weiblichen
Videodrome – Regisseur: David Cronenberg
Zusammenfassung
Zu Beginn seiner Karriere galt David Cronenberg als „King of venereal Horror“ (König des Geschlechter-Horrors) oder als „Dave Deprave“ (to deprave: moralisch verderben). Das ist kein Wunder, denn in seinen frühen Filmen, entstanden in den 70er und frühen 80er-Jahren, zeigt der Kanadier, wie seltsame Parasiten in alle möglichen und unmöglichen Körperöffnungen eindringen, und Scanners, sein erster internationaler Erfolg, wurde berüchtigt durch die Zeitlupenaufnahme eines detonierenden Schädels. In dreißig Jahren hat sich dieses Image radikal gewandelt. Die Wende zum „Psychoanalytiker des Grauens“ (Süddeutsche Zeitung) markiert seine sechste Regiearbeit, Videodrome aus dem Jahr 1983 (◘ Abb. 1), die in den Augen der meisten Cronenberg-„Aficionados“ bis heute seine interessanteste ist, obwohl sie an der Kinokasse keinen Erfolg hatte und hierzulande – Nomen est Omen – nur auf Video veröffentlicht wurde. Cronenberg zeigt hier nicht einfach nur brutale Szenen, er reflektiert über die Medienindustrie und die ökonomischen Hintergründe von Pornografie und Gewaltdarstellung. Das allein aber macht Videodrome nicht zu einem Kultfilm, den Andy Warhol gar als „Uhrwerk Orange der 80er-Jahre“ bezeichnete. Das vielen Interpretationen offen stehende Werk fasziniert dank seiner ungewöhnlichen Erzählstruktur, die den Betrachter in ein kaum entwirrbares Labyrinth aus Gewalt-, Erotik-, und Verschwörungsfantasien entführt. Dabei haftet dieser melancholischen Satire nicht das Etikett „Achtung! – besondere Erzählform“ an. Videodrome ist „Kunst ohne Vorwarnung“.
Manfred Riepe
7. BRAZIL – ein Traum?
Brazil – Regie: Terry Gilliam
Zusammenfassung
Terry Gilliams Film Brazil (1985) (◘ Abb. 1) spielt „somewhere in the 20th Century“, in einem von Technologie und Bürokratie beherrschten Land und verfolgt das Leben und die Träume des bescheidenen Regierungsangestellten Sam Lowry (Jonathan Pryce). Als kleines Rädchen einer staatlichen Maschinerie entflieht er dem seelenlosen Dasein in Tagträume, in denen er sich als geflügelter Held, als Retter einer wunderschönen Frau fantasiert.
Franziska Lamott, William Adamson
8. Verzauberter Alltag
The Purple Rose of Cairo – Regie: Woody Allan
Zusammenfassung
Die junge Cecilia (Mia Farrow), in New Jersey wohnend, arbeitet als Serviererin in einem Imbissrestaurant. Es ist Weltwirtschaftskrise. Sie lebt mit ihrem arbeitslosen, der Arbeit abgeneigten, den Frauen und dem Glücksspiel zugeneigten Mann in prekären finanziellen Verhältnissen. Häufiger Kinobesuch im „Jewel“ schafft Ablenkung. Fünfmal sieht sie den Film „The Purple Rose of Cairo“; dort kommt der attraktive ägyptologe Tom Baxter (Jeff Daniels) vor. Dieser bemerkt, obwohl er nur eine Leinwandfigur ist, die wiederholte Anwesenheit von Cecilia; es ereignet sich ein Kinowunder: Er eilt an ihren Platz, und beide versuchen, jenseits der Leinwand als verliebtes Paar zusammenzukommen. Doch Baxter kennt nur die Welt des Drehbuchs und erlebt in der realen Welt zahlreiche Missgeschicke.
Brigitte Boothe
9. Futurum 2, oder: „I want to do something with my life – I want to be somebody!“
Total Recall – Regie: Paul Verhoeven
Zusammenfassung
Es gibt wohl keine beunruhigendere und gleichzeitig spannendere Frage als die nach dem, was wir sind. Weil diese Frage schon mitten in die noch viel beunruhigendere Frage führt, wie wir überhaupt erkennen können, wer oder was wir sind, und wie so etwas entsteht, das wir als das erleben, „wer“ oder „was“ wir sind, mit anderen Worten: wie sich ein menschliches Subjekt konstituiert. Mit diesen Fragen eng verbunden sind die Ebenen oder Register unserer menschlichen Erfahrung. Mitten in dieses Thema zielt dieser Film (◘Abb. 1), der 1990 trotz zwiespältiger Aufnahme durch die Kritik den Nerv des Publikums traf und ein gigantischer Blockbuster wurde.
Markus Fäh
10. Apocalypse, not now …
Bis ans Ende der Welt – Regie: Wim Wenders
Zusammenfassung
Wim Wenders ist nach Rainer Werner Fassbinder und neben Werner Herzog einer der wichtigsten Repräsentanten des Neuen Deutschen Films. Seine Autorenfilme zeichnen sich durch einen kargen, zurückhaltenden, introvertierten Stil mit großer Sensibilität aus. Die Isolation von Menschen im Zusammenhang mit der Last der deutschen Geschichte war ursprünglich sein Thema. Meine folgende Beschreibung und Analyse gilt aber einem späteren Film. Er nimmt sich als Grundlage den Director’s Cut von Bis ans Ende der Welt (◘Abb. 1), der 2005 auf DVD erschienen ist. In dieser Version ist der Film in einer umfassenderen, epischen Länge von 279 Minuten gegenüber der ursprünglichen Kinofassung von 179 Minuten zu sehen. Wenders sprach von einer längeren Fassung bereits 1991 (Jansen u. Schütte 1992, S. 92 f.) und stellte sie auch unmittelbar im Anschluss an die kürzere Version her. Seit 1996 machte er diese Version in Sondervorführungen publik (Fleig 2005, S. 97).
Andreas Jacke
11. Der Individuationsprozess im japanischen Mangafilm
Ghost in the Shell – Regie: Mamoru Oshii
Zusammenfassung
Ghost in the Shell (◘Abb. 1) ist ein japanischer Science-Fiction-Film des Regisseurs aus dem Jahr 1995, der auf einem Manga, einem japanischen Comic von Masamune Shirow von 1989 basiert. Er ist ein Zeichentrick- oder Animationsfilm, japanisch Anime, der als ein Klassiker seiner Gattung gilt und weltweit Aufmerksamkeit erregte. Es gab Nachfolgefilme und Fernsehserien, wir konzentrieren uns jedoch in unserer Interpretation ganz auf den Ursprungsfilm.
Ulrich Janus, Ludwig Janus
12. Die Subjektivität der Kamera
Strange Days – Regie: Kathryn Bigelow
Zusammenfassung
Kathryn Bigelows Strange Days aus dem Jahr 1995 ist als filmisches Produkt ein Hybrid aus Science Fiction, Action Thriller, politischem Thriller und Film Noir (◘Abb.1). Das Drehbuch stammt von James Cameron und Jay Cocks. Cameron soll zu dem Drehbuch von den Geschehnissen stimuliert worden sein, die vom „Fall Rodney King“, einem skandalbehafteten Verfahren nach einem schwerwiegenden rassistischen übergriff des LAPD, ausgelöst worden waren. Den gesellschaftlichen Hintergrund des Filmes bietet somit ein Los Angeles, das von massiven gesellschaftlichen Unruhen erschüttert ist; darüber hinaus werden auch die AIDS-Krise und die damit verbundene Verunsicherung hinsichtlich sexueller Beziehungen reflektiert.
Alfred Springer
13. Macht der Gene, Sieg des Wunsches
Gattaca – Regie: Andrew Niccol
Zusammenfassung
In seinem 1932 erschienenen Zukunftsroman „Schöne neue Welt“ verlegte Aldous Huxley die negative Utopie der beliebigen menschlichen Klonung in eine ferne Zukunft rund 600 Jahre später
Yvonne Frenzel Ganz
14. Wachen oder träumen wir?
Virtual Nightmare – Regie: Alejandro Amenábar
Zusammenfassung
„Öffne die Augen“, sagt eine sanfte Frauenstimme und damit beginnt und endet der Film (◘ Abb.1). Dazwischen entfaltet sich die Geschichte von César, die am Morgen seines 25. Geburtstages einsetzt.
Sabine Wollnik
15. Die Fremden haben die Macht übernommen …
Dark City – Regie: Alex Proyas
Zusammenfassung
Der Arzt Daniel Paul Schreber erklärt, dass „die Fremden“ die Macht übernommen hätten.
Mathias Hirsch
16. Nothing real? – Medienwirklichkeit am Beispiel des Films „Die Truman Show“
Die Truman Show – Regie: Peter Weir
Zusammenfassung
Die Truman Show (◘ Abb. 1) ist ein Film, der von einem ungeheuerlich anmutenden TV-Experiment erzählt. Ein Kind wird von einer Filmproduktionsgesellschaft adoptiert. Sie errichtet für dieses Kind das größte Filmset der Welt: Seahaven, eine saubere Stadt am sonnigen Meer mit freundlichen und optimistischen Einwohnern. In dieser Stadt wächst Truman Burbanks heran und wird erwachsen. Hunderte von Schauspielern geben sich als seine Eltern, Freunde, Nachbarn und Kollegen aus. Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt nehmen vierundzwanzig Stunden am Tag an seinem Leben teil. Sie beobachten Truman in seinem Badezimmer, sie begleiten ihn im Auto zur Arbeit und sind an seinem Schreibtisch im Versicherungsbüro dabei. Alle wissen es, nur Truman selbst ist nicht darin eingeweiht, dass sein Leben eine „Real-Life-Soap“ ist, die von Christof, ihrem Schöpfer, mit allen Mitteln der Technik und der Dramaturgie inszeniert wird. Aber Truman spürt ein Unbehagen, geht ihm nach und bricht aus seiner künstlichen Umgebung aus.
Dirk Blothner
17. Die Farbe der lebendigen Wirklichkeit
Pleasantville – Regie: Gary Ross
Zusammenfassung
Warum habe ich gerade diesen Film (◘ Abb. 1) für einen filmpsychoanalytischen Kommentar ausgewählt? Vergleichbar mit der Traumerfahrung, bei der man den geträumten Traum, den erinnerten und den erzählten Traum unterscheiden kann (Moser u. v. Zeppelin 1996), führt das Erlebnis mancher Filme zum „Nacharbeiten“ in Form von Erinnern, Erzählen und manchmal sogar Schreiben eines Textes. Vermutlich sind es – vergleichbar mit manchen eindrucksvollen Träumen – solche Filme, die eine besondere ästhetische Erfahrung, eine Art „Ergriffenheit“ oder auch „Ratlosigkeit“ auslösen (Freud 1914; Götzmann 2011).
Ralf Zwiebel
18. eXistenZ und transCendenZ: Kommodifizierung des Körpers
eXistenZ – Regie: David Cronenberg
Zusammenfassung
Xenotransplantation, das ist jene Behandlung des terminalen Organversagens, die auf der Nachzucht von Organen in genetisch manipulierten Tieren basiert. Im genetisch veränderten Schwein herangewachsen, soll etwa eine Niere die Artengrenzen überspringen und, auf den Empfänger übertragen, die Aufgabe des erkrankten Organs ersetzen. Die Forscher kündigen an, die Xenotransplantation stehe kurz vor dem Durchbruch. Da steht sie allerdings schon seit 20 Jahren. Nur sollte dieser Befund die Skeptiker weniger beruhigen als warnen: Die Dauer des Versprechens zeigt den Bedarf an. Warum sonst sollte diese Forschung auch bezahlt werden? Genauso, wie seit einigen Jahren immer mehr Anstrengungen – und das heißt auch: steigende finanzielle Mittel – in die regenerative Medizin fließen. Hier wächst die Hoffnung in der Petrischale, das „Tissue Engineering“ verspricht nachgewachsene Organe aus dem Bioreaktor – dank manipulierter Zellen sollen in einer Nährlösung auch HLA-identische Herzen gedeihen.
Oliver Decker
19. „Die Matrix“ und die Frage: Kann es doch ein richtiges Leben im Falschen geben?
Matrix – Regie: Andy und Lana Wachowski
Zusammenfassung
Die dreiteilige Science-Fiction-Serie „Matrix“ (◘ Abb. 1) wurde von den Geschwistern Wachowski in den Jahren 1999 (Matrix) und 2003 (Matrix Reloaded/Matrix Revolutions) veröffentlicht. Das Autoren- und Regie-Duo spielt mit den globalisierten Technologien und deren virtuellen Wirklichkeiten und Identitäten der späten 1990er-Jahre. Mit hochgerüsteter Rechenkapazität, einer Vielzahl parallel arbeitender Kameras und einer ausgeklügelten Storyline entwerfen sie ein Zukunftsszenario, bei dem es zu einem Endkampf zwischen Mensch und Maschine kommt. Die Aktualität des Entwurfs für unsere heutigen, westlichen Identitäten und Sichtweisen auf die Technik ist ein wesentlicher Aspekt der künstlerischen Leistung der Wachowskis.
Lily Gramatikov, Thomas Zimmermann
20. Bist Du, was Du denkst? – Reflexionen auf das Spiel mit der Simulation
The 13th Floor – Regie: Josef Rusnak
Zusammenfassung
Josef Rusnaks Film (◘ Abb. 1) thematisiert nicht nur die Interaktion verschiedener medialer Realitäten und den Transfer von Bewusstsein(sinhalten) von einer in die andere, er ist selbst Produkt eines solchen Transfers. Dem Film liegt der englische Science-Fiction-Roman „Simulacron-3“ von Daniel F. Galouye (11964; 1983) zugrunde. Rusnak hat den Roman zusammen mit Ravel Centeno-Rodriguez in ein Filmskript umgearbeitet. Galouyes Buch wurde unter dem Titel Welt am Draht bereits 1973 von Rainer Werner Fassbinder zusammen mit Michael Ballhaus als Kameramann für den WDR realisiert. Ballhaus hatte sich die Filmrechte an Galouyes Roman gesichert und fungierte daher mit seiner Frau auch bei The 13th Floor als ausführender Produzent, zusammen mit Roland Emmerich, Ute Emmerich und Marco Weber.
Manuel Zahn
21. The Cell – Im Kerker des Organismus
The Cell – Regie: Tarsem Singh
Zusammenfassung
The Cell (◘ Abb. 1) von Tarsem Singh, im symbolisch aufgeladenen Jahr 2000 fertiggestellt, ist ein Science- Fiction Thriller, welcher Thematiken und Fragenbereiche aufwirft, die einem psychoanalytisch und psychiatrisch interessierten Publikum keineswegs gleichgültig sein können.
August Ruhs
22. Die Not des adoleszenten Kinogängers
Thomas est amoureux – Regie: Pierre-Paul Renders
Zusammenfassung
Thomas Thomas (Benoit Verhaert), Vorname und Nachname sind identisch, 33 Jahre alt, hat seit acht Jahren seine Wohnung nicht verlassen und seit acht Jahren keinen Besuch empfangen. Er leidet seiner eigenen Auskunft nach an einer agoraphobischen Störung, die ihn daran hindert, seiner Arbeit nachzugehen und die ihn zunehmend immobil gemacht hat. Er ist seit einigen Jahren „krankgeschrieben“, und er hat die Verantwortung für seine Lebensgestaltung seiner Versicherung mit dem Namen „Globale“ übertragen. Die Versicherung organisiert die Bedingungen seiner Existenz; dazu gehören ein regelmäßiger psychotherapeutischer Kontakt, die Vermittlung einer sexuellen Praxis durch die beauftragte Firma „sextoon“ sowie gewisse Dienstleistungen zur Unterstützung seines Lebensalltags, die eine Firma mit dem Namen „clinique domotique“ (Klinik für häusliche Angelegenheiten) erledigt – beispielsweise die Reparatur seines Staubsaugers. Seine einzigen Kontakte bestehen in den Telefonaten mit seinem „Visiophone“. Die Telefonate rhythmisieren sein Leben und erlauben ihm reduzierte Beziehungserfahrungen.
Gerhard Bliersbach
23. Von Robotern und Menschen …
A.I. – Künstliche Intelligenz – Regie: Steven Spielberg
Zusammenfassung
Kann man einen Roboter bauen, der in der Lage ist zu lieben? Wird der Mensch in der Lage sein, diese Liebe zu erwidern? Und wenn ja, welche Verantwortung hat dann der Mensch für ihn? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt für den Film AI – Artificial Intelligence (◘ Abb. 1) von Steven Spielberg aus dem Jahr 2011. Es geht in dem Film vordergründig um die Frage, ob der Mensch Wesen erschaffen kann, die ihm nicht nur physisch und kognitiv ebenbürtig sind, sondern auch emotional. Die Frage nach den Möglichkeiten virtueller Emotionalität wird in der Geschichte quasi naturgemäß auf der Beziehungsebene verhandelt, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem künstlichen Wesen und seinem Schöpfer, der Beziehung zwischen Adam und Gott oder der zwischen Pinocchio und dem Puppenspieler Gepetto verglichen wird.
Bert Theodor te Wildt
24. Sterblichkeit als Home-Entertainment – das kann nicht die Zukunft sein
Vanilla Sky – Regie: Cameron Crowe
Zusammenfassung
Cameron Crowe drehte das Remake des spanischen Films Abre los Ojos – Open Your Eyes (1997) von Alejandro Amenábar ein Jahr nach seinem autobiografischen Erfolgsfilm Almost Famous (2000), für dessen Drehbuch er einen Oscar erhielt (◘ Abb. 1).
Lutz Wohlrab
25. Blick zurück in die Zukunft
Minority Report – Regie: Steven Spielberg
Zusammenfassung
Der Film (◘ Abb. 1) beginnt damit, dass der Zuschauer Zeuge verwirrender Traumbilder wird, die einen Mord ahnen lassen. Es ist die Vision von drei jungen Menschen („Precogs“), die über hellseherische Fähigkeiten verfügen. Eine technisch perfekte Maschinerie ist damit in Gang gesetzt, die nun John Anderton (Tom Cruise) auf den Plan ruft, den Chefinspektor eines in Washington DC seit 6 Jahren laufenden Programms zur präventiven Abwendung von Mordtaten („Precrime“).
Theo Piegler
26. Trojaner im Ich
A Scanner Darkly – Regie: Richard Linklater
Zusammenfassung
Wir befinden uns in einer nicht allzu fernen Zukunft, Ort der Handlung ist Kalifornien (◘ Abb. 1). Es gibt offensichtlich massive gesellschaftliche Probleme, die Vereinigten Staaten haben sich in Richtung eines überwachungsstaates entwickelt, wachsende Teile der Bevölkerung verfallen einem ausufernden Drogenkonsum, alles Zwischenmenschliche scheint durch ein paranoides Klima vergiftet zu sein. Der staatlichen überwachung zumindest partiell entzogen operiert die Organisation „Der neue Pfad“ im Drogenmilieu, fahndet nach operativen Strukturen der Drogenproduktion und des Handels, veranstaltet Aufklärungsvorträge und bietet Entziehungskuren an. Die Droge selbst wird als „Substanz T“ („Substance D“) bezeichnet, steht also für Tod (Death), aber auch für Trostlosigkeit, Verzweiflung, Entfremdung von sich selbst, von anderen, jeder von jedem, für Isolation, Hass und Misstrauen.
Helmut Däuker
27. Zum Medienwechsel bei David Lynch: von „motion pictures“ zu „moving paintings“
Inland Empire – Regie: David Lynch
Zusammenfassung
Es ist eine uralte Neigung der Menschen, angesichts von anstürmendem Unbekannten und Neuen nach dem Bestehen eines alleinigen Sinns „an sich“ zu suchen. Eines alleinigen Sinns, der Bild-, Sprach- und Klangwelt einheitlich umhüllt. Das war schon ein dringliches Anliegen an frühere publikumswirksame Filme von David Lynch wie Lost Highway (1996) und Mulholland Drive (2001). Ein solches Verlangen wurde allenfalls mit Straight Story (1999) gestillt. Ins Unermessliche steigert sich das Begehren nach Sinn in Lynchs letztem, 173 Minuten füllenden Labyrinth Inland Empire von 2006 (◘ Abb. 1).
Joachim F. Danckwardt
28. Willkommen auf Pandora!
Avatar – Regie: James Cameron
Zusammenfassung
Willkommen auf Pandora! (◘ Abb. 1) Sie befinden sich auf einem der insgesamt 14 Monde im Orbit eines riesigen Himmelskörpers, der wie Jupiter über Ihnen schwebt, in einem 6 Lichtjahre von der Erde entfernten Sonnensystem (Alpha Centauri). Dort gibt es hoch entwickeltes Leben und Rohstoffe, die es auf der Erde nicht gibt (vor allem Unobtanium). Von diesen versprechen sich die Menschen die Lösung der Energieprobleme der Erde. Die Atmosphäre Pandoras wirkt auf Menschen nach wenigen Minuten tödlich, weshalb Sie hier eine Atemmaske tragen müssen!
Bernd Banholzer
29. Surrogates – mein zweites Ich oder: Spaziergänge eines Querschnittsgelähmten
Surrogates – Regie: Jonathan Mostow
Zusammenfassung
Was hat Goethes Erlebnis von 1771 mit dem Film Surrogates – mein zweites Ich (◘Abb. 1) zu tun, der im Jahr 2054 spielt? Die Doppelgängerthematik. Aber Goethe hatte nicht nur ein autoskopisches, sondern überdies ein utopisches Erlebnis: Sein „Doppeltgänger“ (Jean Paul) war älter als er und trat in ihm fremder Kleidung auf. Eine utopische Vision hat auch der Film. Er unterstellt, noch 300 Jahre nach Goethe sei man mit diesem Thema befasst. Das überrascht nicht. In die Zukunft schauen ist Standardbeschäftigung des Menschen, und da zeigt Surrogates: Goethes Autoskopie nimmt Vieles vorweg, was die Zukunft beschäftigt.
Thomas Ettl
30. Vom Träumen der (virtuellen) Realität
Inception – Regie: Christopher Nolan
Zusammenfassung
Inception (◘ Abb. 1) erlebte ich zum ersten Mal in einem bis zum letzten Platz ausverkauften Kinosaal, saß unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die hellauf begeistert waren. Ich selbst war eher gelangweilt und befremdet, teilte nach meiner Wahrnehmung diese Verfassung mit den meisten meiner Altersgenossen.
Isolde Böhme
Backmatter
Metadaten
Titel
Blade Runner, Matrix und Avatare
herausgegeben von
Dr. Parfen Laszig
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-25625-7
Print ISBN
978-3-642-25624-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-25625-7

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.