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24.03.2020 | Car-to-X | Schwerpunkt | Online-Artikel

Fahrzeugvernetzung per C-V2X oder pWLAN?

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Vernetzte Autos warnen sich künftig gegenseitig vor Gefahren oder sprechen sich für einen optimierten Verkehrsfluss untereinander ab. Mit welcher Technik sie das tun sollen, ist jedoch aktuell noch umkämpft. 

Durch Car-to-X-Kommunikation können Fahrzeuge mit anderen Verkehrsteilnehmenden und der Infrastruktur vernetzt werden. So lassen sich Fahrzeuge mit Verkehrsinformationen, Warnungen und weiteren wichtigen Informationen versorgen. Dahinter steht vor allem die Motivation, die Verkehrseffizienz zu erhöhen und Unfälle im Vorhinein zu verhindern. Zudem ist Car-to-X eine wichtige Voraussetzung für automatisiertes Fahren. 

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01.03.2020 | The Hansen Report

Editorial

Im November 2019 hat die US-Fernmeldebehörde FCC einen neuen Regelungsvorschlag (NPRM) veröffentlicht, nach dem mehr als 50 % des 5,9-GHz-Bands, das bislang für die fahrzeugbezogene dedizierte Nahbereichskommunikation (DSRC) reserviert ist, für unlizenzierte Dienste wie WLAN freigegeben werden soll.

ADAC testet Car-to-X-Kommunikation mit pWLAN

Der ADAC hat die Car-to-X-Kommunikation nun getestet. Anhand von acht realistischen Gefährdungssituationen hat der Club auf seinem Fahrsicherheits-Campus Penzing die Funktionsweise und Möglichkeiten der Technik pWLAN getestet, mit der der Volkswagen Golf 8 serienmäßig ausgestattet ist. Künftig soll pWLAN auch im ID.3 zum Einsatz kommen. Das Ergebnis: Die Technik warne zuverlässig sowohl optisch als auch akustisch vor Gefahren, so der Automobilclub. 

Für den ADAC hat die Technologie langfristig großes Potenzial für mehr Verkehrssicherheit. Das Problem ist nur: Die pWLAN-Technik, die auch mit dem DSRC-Standard in den USA vergleichbar ist, steht in direkter Konkurrenz zur auf Mobilfunk basierenden Cellular-V2X-Technologie (C-V2X). Während China primär auf C-V2X setzt und auch die USA zu dieser Technik tendieren, ist Europa noch unentschieden, ob die Autovernetzung mittels pWLAN oder per C-V2X erfolgen soll. So entsteht quasi ein internationales Sprachengewirr. Das führt dazu, dass Fahrzeuge eventuell nicht fehlerfrei kommunizieren können, weil sie unterschiedliche Sprachen benutzen. 

Das heißt: Im Fall von Car-to-X-Kommunikation stehen derzeit zwei Technologien in der Diskussion: 

IEEE 802.11p Dedicated Short Range Communication (DSRC) und 3GPP Cellular Vehicle-to-Everything (C-V-to-X). Die erste setzt auf den WiFi-Standard IEEE 802.11 auf, während C-V-to-X auf 4G-LTE basiert, mit einer Roadmap hin zu 5G-C-V-to-X", erklärt Jürgen Meyer vom Münchner Elektronikkonzern Rohde & Schwarz im Artikel Messen komplexer Kommunikationssysteme aus der ATZelektronik 1-2018

Wie unterscheiden sich die beiden Ansätze weiter? Wo liegen Stärken und Schwächen? Gefordert ist in jedem Fall eine möglichst universelle Sprache, die gleichzeitig ausfallsicher ist und schnell genug Daten überträgt. 

Vergleich der Kommunikationsstandards

Die WLAN-Variante IEEE 802.11p wurde vor über zehn Jahren eingeführt und definiert physikalische Standards für die fahrzeugbezogene dedizierte Kurzstreckenkommunikation (DSRC), wie die Springer-Autoren Möller und Haas im Kapitel The Connected Car aus dem Buch Guide to Automotive Connectivity and Cybersecurity erklären. Der Standard IEEE 802.11p, der auf die Kommunikation zwischen Fahrzeugen zugeschnitten ist, schafft ein hochdynamisches Ad-hoc-Netz, das ein 5,9-GHz-Band nutzt, so die Springer-Autoren Klaassen und Szuprycinski im Kapitel Security for V2X aus dem Buch Automotive Systems and Software Engineering. "Je nach Umgebungsbedingungen haben die V2X-Nachrichten auf Basis von 802.11p eine Reichweite von bis zu 800 Metern", erklären die Springer-Autoren Strubbe, Thenée und Wieschebrink aus dem Artikel IT-Sicherheit in Kooperativen Intelligenten Verkehrssystemen aus der DuD 4-2017.

Der jüngere Mobilfunk Cellular-V2X basiert indes auf den weltweit anerkannten Spezifikationen des "3rd Generation Partnership Project" (3GPP). "C-V2X setzt sich aus Direktkommunikation und netzbasierter Kommunikation zusammen und ergänzt die Sensorik anderer Fahrerassistenzsysteme wie Kameras, Radar und Lidar", erklärt der Automobilzulieferer Continental in einer Pressemitteilung zum Thema. Die C-V2X-Direktkommunikation sei erstmals im 3GPP Release 14 spezifiziert worden und "soll Fahrzeugen eine Kommunikation mit geringer Latenz für V2V, V2I und V2P ohne Einbeziehung eines Mobilfunknetzes beziehungsweise ohne Mobilfunkvertrag ermöglichen, da der Betrieb über ein eigens entwickeltes und harmonisiertes 5,9 GHz ITS-Spektrum erfolgt", so Continental weiter. Die netzbasierte Kommunikation biete zusätzlich eine Wide-Area-Kommunikation für V2N-Dienste. Im Rahmen des 3GPP werde an weiteren Verbesserungen von C-V2X mit dem 5G-Standard gearbeitet.

C-V2X versus pWLAN

Wo liegen jedoch die technischen Vor- und Nachteile beider Ansätze? Im Fall von C-V2X können die Signale längere Distanzen zurücklegen, C-V2X ist aber bei Funklöchern problematisch. Vor dem Hintergrund von 5G gilt der C-V2X-Standard als zukunftsgerichteter. Die Universität von Alabama kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass der Latenz-Unterschied zwischen C-V2X und DSRC sehr gering sei, aber der Mobilfunk einfacher zu installieren. Auch in Tests der 5G Automotive Association (5GAA) 2018 zeigten LTE-V2X und DSRC ähnliche Latenzen. Die Tests machten auch deutlich, dass C-V2X die DSRC-Reichweite und -Zuverlässigkeit übertraf. 

Möglich ist aber auch die Koexistenz beider Lösungen der Fahrzeugkommunikation, was allerdings mit höheren Kosten verbunden ist. Beispielsweise kommuniziert die Vernetzungseinheit von Bosch mit allen weltweit gängigen Übertragungstechnologien. Getestet wird aber auch das sogenannte Mobile Edge Computing, eine Technologie, "die Cloud-Computing-Funktionen und eine IT-Service-Umgebung am Rande des Mobilfunknetzes ermöglicht", so Continental. Diese Technologie reduziere sowohl das zu übertragende Datenvolumen als auch den Übertragungsweg erheblich "und eröffnet eine völlig neue Dimension bezüglich der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung und Datenübertragung", so der Zulieferer.

Aus für DSRC/11p in den USA?

In Japan und den USA sind lediglich je ein Automodell mit 11p erhältlich, und zwar der Toyota Crown und Cadillac CTS. Im gesamten Jahr 2018 zählte die US-Kommunikationsbehörde Federal Communications Commission (FCC) zudem nur 3.340 Fahrzeuge mit 11p/DSRC-Modul. Da Fahrzeuge mit 802.11p grundsätzlich direkt miteinander kommunizieren, das heißt ohne Basisstation, ist die Vernetzungstechnik erst dann wirklich sinnvoll, wenn zahlreiche Autos damit ausgerüstet und auch in Reichweite sind. 

Mittlerweile hat die FCC die Geduld mit der 11p-Technik verloren. Im November 2019 hat die Behörde "einen neuen Regelungsvorschlag (NPRM) veröffentlicht, nach dem mehr als 50 Prozent des 5,9-GHz-Bands, das bislang für die fahrzeugbezogene dedizierte Nahbereichskommunikation (DSRC) reserviert ist, für unlizenzierte Dienste wie WLAN freigegeben werden soll", wie Paul Hansen in seinem Editorial zum Hansen Report in der ATZelektronik 3-2020 berichtet. Verkehrsexperten fürchteten demnach, so Hansen, dass DSRC damit in der Versenkung verschwinden könnte. Doch ein von Sanford B. Klausner, CEO von Transbase.US, PBC, vorgeschlagener alternativer Ansatz gäbe Grund zur Hoffnung für die DSRC-Befürworter: DSRC könne zur Übertragung per Internetprotokoll genutzt werden.

Die Europäische Union hat indes noch keine Entscheidung gefällt, ob sie die Fahrzeugvernetzung mittels 802.11p oder per Mobilfunk verpflichtend machen will. Im Sommer 2019 sah es noch danach aus, dass 802.11p den Vorzug hatte, bis weite Teile der Automobilindustrie und der Politik für C-V2X plädiert haben. Im November 2016 hatte bereits die 5GAA Fakten geschaffen: Die Industrieallianz setzt sich für die Entwicklung und Einführung der C-V2X-Technolgie inklusive des 5G-Standards ein. Gründungsmitglieder sind Audi, BMW, Daimler, Ericsson, Huawei, Intel, Nokia, und Qualcomm. Doch die Autobauer sind sich nicht einig: Vor allem Volkswagen hält aber am WLAN-Standard fest und schafft erst einmal mit dem Golf 8 Fakten. 

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