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21.11.2016 | Crowdfunding | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wer Liquidität aus der Crowd zieht

verfasst von: Barbara Bocks, Eva-Susanne Krah

4:30 Min. Lesedauer

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Nach einer Konsolidierungsphase 2015 professionalisieren sich die verbleibenden Anbieter im deutschen Crowdfunding-Markt. Mittlerweile investieren auch Investoren über die Crowd, die man dort auf den ersten Blick nicht vermuten würde.

Seit dem Aufstieg der jungen Finanztechnologie-Start-ups hat sich der europäische Markt für Crowdfunding sprunghaft nach oben entwickelt. Die Fintechs ermöglichen Investoren wie Kreditnehmern mit neuen Geschäftsmodellen, sich auf entsprechenden Plattformen entweder Kapital zu beschaffen oder ihr Vermögen einzusetzen. Im Jahr 2015 hat sich das Wachstum im Crowdfunding-Segment um knapp 92 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro fast verdoppelt. Das hat der "Annual European Alternative Finance Industry Survey" des Cambridge Centre for Alternative Finance in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG herausgefunden. Großbritannien liegt mit einem Volumen von 4,3 Milliarden Euro und einem Anteil von 80 Prozent beim Crowdfunding einsam an der Spitze. Im Vergleich zur klassischen Kreditvergabe der deutschen Banken und Sparkassen bleibt der Crowdfunding-Markt in Europa allerdings noch eher ein Nischenmarkt und ist hierzulande noch keine ernsthafte Konkurrenz für traditionelle Geldhäuser.

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Crowdfunding als neue Art der Finanzierung

Crowdfunding ist eine neuartige Form der Finanzierung, die sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert hat. Dabei werden im Internet über sogenannte Crowdfunding-Plattformen Gelder für die Realisierung verschiedenster Vorhaben gesammelt.

Zum Vergleich: Ende Dezember 2015 lag das Kreditvolumen deutscher Institute laut der Bundesbank-Statistik insgesamt bei 2.440 Milliarden Euro. Mit 1.230,2 Milliarden Euro entfielen knapp die Hälfte davon auf Wohnungsbaukredite.

Deutscher Crowdfunding-Markt wird professioneller

Der französische Markt lag 2015 europaweit mit einem Crowdfunding-Volumen von 319 Millionen Euro auf Platz zwei, gefolgt von Deutschland, mit einem Crowdfunding-Aufkommen von 249 Millionen Euro. 2014 ist der deutsche Markt für Crowdfunding um 78 Prozent von 140 Millionen Euro angewachsen. "2015 hat es auf dem deutschen Markt eine Konsolidierung unter den Plattformen gegeben – vor allem wegen der Anforderungen des Kleinanlegerschutzgesetzes", sagt Karsten Wenzlaff, Geschäftsführer des Bundesverbands Crowdfunding, gegenüber Springer Professional. Die Plattformen, die am Markt geblieben sind, seien durchweg alle sehr erfolgreich. Wie vielfältig die Crowdidee inzwischen nicht nur für soziale Projekte, sondern vor allem für das Kreditgeschäft geworden ist, zeigen einige Beispiele:

  • Die Volksbanken Raiffeisenbanken haben 2013 ihre eigene Plattform unter Viele-schaffen-mehr.de als Dachportal gegründet.

Jede der angeschlossenen regionalen Kreditgenossenschaften hat die Möglichkeit, aus einem vorgegebenen Baukasten eine eigene Crowdfunding-Plattform mit individueller Domain einzurichten, so die Finanzgruppe. Die Plattform ist auf klassisches Crowdfunding und Spenden-Crowdfunding ausgerichtet. Auf reinen Kreditplattformen, etwa

  • Kapilendo mit Sitz in Berlin, können sich Anleger auf Basis von Krediten direkt an Projekten deutscher Mittelstandsunternehmen beteiligen. Mögliche Funding-Volumen liegen zwischen 30.000 Euro und 2,5 Millionen Euro.
  • Funding Circle oder der Schweizer Crowdfunding-Anbieter Swisspeers bieten Firmenkredite mit individuellen Laufzeiten,
  • Auxmoney hingegen zielt auf Peer-to-Peer-Kredite zwischen Privatpersonen. Der erst 2016 gegründete Kreditmarktplatz
  • Ibondis konzentriert sich hingegen auf kleinere mittelständische Unternehmen. Das Kapital wird von professionellen Investoren bereitgestellt und ermöglicht den Unternehmen den Zugriff auf Kaptal aus dem gesamten EU-Raum. Die Funding-Volumen liegen zwischen 30.000  und 250.000 Euro. Ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgt die 2015 ins Leben gerufene Plattform
  • Crosslend für den Privatsektor. Das Unternehmen arbeitet in der Abwicklung mit der Bank für Investments und Wertpapiere (Biw) zusammen.

Der gesamte Crowdfunding-Markt in Deutschland hat sich laut Wenzlaff in den vergangenen anderthalb Jahren sehr stark professionalisiert: 

"Das Marktsegment Alternative Finance verändert sich derzeit in Deutschland von einem gefühlt-exotischen Marktsegment hin zu einem klassischen Anlageprodukt (...)".

Der Verband beispielsweise habe Standards zum Investoren-Reporting etabliert und arbeite intensiv mit Wirtschaftsprüfern an der Zertifizierung, so Wenzlaff: "Das Marktsegment Alternative Finance verändert sich derzeit in Deutschland von einem gefühlt-exotischen Marktsegment hin zu einem klassischen Anlageprodukt, sowohl von den Volumina her, als auch von den Teilnehmern", sagt Wenzlaff. Laut der Studie kamen 2015 europaweit acht Prozent der Investitionen der Crowd von institutionellen Investoren. 

Vier Arten von Crowdfunding

Generell unterscheidet man vier Arten des Crowdfundings. Die Springer-Autoren Carmen Mausbach und Professor Diethard B. Simmert von der International School of Management (ISM) stellen diese im Kapitel "Crowdfunding: Finanzierung über den Schwarm"  im Buch "Mittelstand - Motor und Zukunft der deutschen Wirtschaft" auf Seite 362 in der nachfolgenden Grafik dar: 

© Crowdfunding: Finanzierung über den Schwarm", in: "Motor und Zukunft der deutschen Wirtschaft", S. 362

  1. Crowdsponsoring: Die Gegenleistung ist meist nicht monetär. Sie besteht häufig beispielsweise in Produkten und Dienstleistungen des Sponsors.
  2. Crowddonation: Für die Spende gibt es keine Gegenleistung. Soziale Motive stehen im Vordergrund.
  3. Crowdinvesting: Unternehmens- und Gewinnbeteiligung als Gegenleistung
  4. Crowdlending: Die Crowd verleiht für einen bestimmten Zeitraum einen Geldbetrag, der verzinst oder zinslos zurückgezahlt werden muss.

Doch bei allen Crowdfundingformen gibt es einen gravierenden Unterschied zum klassischen Kreditgeschäft der Banken und Sparkassen. Anders als bei klassischen Bankkrediten tragen Kreditplattformen keine Risiken. Diese gehen bei Fehleinschätzungen immer zulasten der Plattformnutzer. Bei Bankdarlehen müssen dafür die Geldhäuser geradestehen, wie Christian Rieck, Professor für Finance an der Frankfurt University of Applied Sciences, mit Blick auf den Crowdlending-Markt anmerkt: "Banken nehmen die Kredite auf die eigene Bilanz", so Rieck in einer Kolumne auf Springer Professional. 

"Im Bereich des Crowdlending wächst gerade Business-Peer-to-Peer-Lending sehr stark, also die Kreditvergabe an Unternehmen durch Privatpersonen", analysiert Wenzlaff die derzeitige Crowdfunding-Entwicklung. Im deutschen Markt waren Peer-to-Peer-Kredite von Konsumenten 2015 mit einem Volumen von 136 Millionen Euro am gefragtesten. 

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