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Erschienen in:

01.11.2022 | Strategie

Den Datenschatz heben

verfasst von: Edeltraud Leibrock, Christian Thun

Erschienen in: Bankmagazin | Ausgabe 11/2022

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Das European DataWarehouse erfasst Kreditzahlen aus ganz Europa und hat so eine Sammlung mit Milliarden von Einzelinformationen geschaffen. Die Potenziale sind längst noch nicht ausgeschöpft, wie ein Beispiel zeigt.
Das European DataWarehouse (EDW) wurde 2012 in Frankfurt am Main im Rahmen der Asset-Backed-Securities-(ABS)-Kreditinitiative der Europäischen Zentralbank (EZB) gegründet. Ziel war und ist es, allen Marktteilnehmern den Zugang zu standardisierten, zeitnahen Informationen zu ABS-Transaktionen sowie privaten Kreditportfolios und deren Wertentwicklung zu ermöglichen. Dabei werden alle Transaktionen auf Einzelkreditebene sowie die relevante Dokumentation erfasst und umfangreich qualitätsgeprüft. Die Daten sind offen zugänglich und ermöglichen es, fundierte Risikobewertungen und Entscheidungen auf Basis detaillierter, aktueller und Assetklassen-spezifischer Informationen zu treffen.
Nach zehn Jahren ist so ein Datenschatz mit Milliarden von Einzelinformationen entstanden, dessen Potenziale bei Weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Zwar tragen die Daten wesentlich zur Transparenz im Verbriefungsmarkt bei und werden für zahlreiche Konsultationen und Regulierungsinitiativen in der EU und in Großbritannien genutzt. Viele Banken scheinen sich indes der Bedeutung der von ihnen zur Verfügung gestellten Daten noch nicht wirklich bewusst zu sein. Das EDW stellt Datensätze und Reportings kostenlos beziehungsweise zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Diesen Service nutzen vor allem US-amerikanische und angelsächsische Marktteilnehmer etwa zur Kalibrierung und Validierung von Risikomodellen oder auch, um neue Geschäftsmodelle zu generieren. Europäische Banken sind deutlich zurückhaltender.
Dabei zeigt schon ein erster Blick das Potenzial der EDW-Daten, wie im Folgenden an einem Beispiel aufgezeigt wird.Die EDW-Daten für wohnimmobilienbesicherte Kredite an private Haushalte enthalten unter anderem Informationen zur Energieeffizienz (Energy Performance Certificate, EPC) der finanzierten Immobilie. Das EPC drückt auf einer Skala von A bis F den jährlichen Energieverbrauch pro Quadratmeter eines Hauses aus. Dabei steht A für sehr energieeffiziente Häuser und F für Häuser mit sehr hohem Energieverbrauch pro Quadratmeter und Jahr. Das EDW hat Anfang 2022 Tausende von Immobilienkrediten aus drei europäischen Ländern analysiert, für die ein EPC verfügbar war, und für diese zusätzlich das Einkommen der Kreditnehmer betrachtet. Dabei ergibt sich ein Zusammenhang zwischen dem EPC der finanzierten Immobilie und dem Einkommen der Kreditnehmer für Frankreich, Spanien und Portugal (siehe Grafik Seite 27). Auch wenn die Zahl der verfügbaren Kredite mit EPC-Informationen im Vergleich zur Größe des europäischen Immobilienmarkts noch recht gering ist, zeigt sich ein deutliches Muster in den untersuchten Ländern. Jene Kreditnehmer, deren Immobilie die beste Energieeffizienz, ausgedrückt als EPC, aufwies beziehungsweise die energieeffiziente Immobilien nachfragten, hatten die höchsten Einkommen. Vor allem im Hinblick auf die stark gestiegenen Energiekosten wird deutlich, dass Haushalte mit niedrigerem Einkommen, die zudem häufiger in weniger energieeffizienten Häusern leben, gleich doppelt getroffen werden. Zum einen wird das beschränkte Haushaltseinkommen zunehmend von den Energiekosten aufgezehrt, die zum anderen von den weniger energieeffizienten Häusern in neue Höhen getrieben werden. Mit diesem Wissen ausgestattet, können neue Geschäftsmodelle und Bankprodukte entstehen, die auch Bevölkerungsschichten mit geringeren Einkommen in die Lage versetzen, in den Genuss energieeffizienter Immobilien zu gelangen.
Dank besseren Zugangs zu Daten hoher Qualität und Technologien wie Cloud Computing und Künstlicher Intelligenz (KI) können Banken die aktuellen Herausforderungen systematischer angehen. Sustainable Finance, ESG-Risiken sowie die Umsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung und der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) sind die besten Beispiele dafür. Alle bisher von der Finanzaufsicht berücksichtigten Risikoarten beinhalten zwar einen Nachhaltigkeitsrisikobezug, so dass aus aufsichtlicher Sicht keine neue, separate Kategorie für ESG-Risiken notwendig ist, denn sie lassen sich vollständig innerhalb des Baseler Rahmenwerks abbilden. Aber ESG-Risiken müssen wie jedes Risiko eingeordnet, nachvollziehbar bewertet und entsprechend mit Eigenkapital unterlegt werden. Die Umsetzung ist aufwendig, weil eine übergreifende Datenverfügbarkeit und -integration erforderlich sind. Die EDW-Daten können auch hier weiterhelfen, da sie die ganze Breite der europäischen Banken abbilden und sich daraus Indikatoren und Musterportfolios ableiten lassen, die die Banken bei der Bewertung ihrer eigenen Risiken unterstützen. Auch aus Sicht der Aufsicht ist eine standardisierte, qualitätsgeprüfte Vergleichsdatenbasis mit Sicherheit vorteilhaft.
Zudem empfiehlt EDW Instituten, ihre eigenen Fähigkeiten zur Datenintegration und -organisation weiterzuentwickeln, um unterschiedliche interne und externe Datenquellen kombinieren und nutzen zu können. Hier helfen Methoden aus der KI wie Ontologien und semantische Graphen weiter, da sie Daten kontextbasiert verknüpfen und jederzeit ohne großen Aufwand erweiter- und anpassbar sind - ein unschätzbarer Vorteil in einer immer stärker datengetriebenen Welt.

Kompakt

  • Das European DataWarehouse (EDW) wurde 2012 als Reaktion auf die Finanzkrise gegründet, um Transparenz und damit wieder Schwung in den europäischen Verbriefungsmarkt zu bringen.
  • Mit seinem umfangreichen Datenschatz hat das EDW eine Bedeutung gewonnen, die mittlerweile über den Verbriefungsmarkt hinausgeht.
  • Gerade im Bereich Sustainable Finance liegt in den Daten ein großes Potenzial.
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Metadaten
Titel
Den Datenschatz heben
verfasst von
Edeltraud Leibrock
Christian Thun
Publikationsdatum
01.11.2022
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Bankmagazin / Ausgabe 11/2022
Print ISSN: 0944-3223
Elektronische ISSN: 2192-8770
DOI
https://doi.org/10.1007/s35127-022-1549-1

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