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17.10.2017 | Echzeitsysteme | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie intelligent ist eigentlich eine KI?

verfasst von: Sven Eisenkrämer

6 Min. Lesedauer

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Chinesische Forscher haben die tatsächliche Intelligenz von Künstlichen Intelligenzen (KI) untersucht. Google liegt dabei deutlich vor der Konkurrenz und kommt bereits an den IQ von Menschenkindern heran. Dahinter steckt die ernste Frage: Sind aufstrebende KI-Systeme wirklich eine Bedrohung für den Menschen?

Können Künstliche Intelligenzen (KI) uns Menschen wirklich gefährlich werden? Die Diskussionen darüber sind kontrovers. Wohin sich KI-Systeme entwickeln, kann man heute höchstens erahnen. Der aktuellen Studie "Sex, Lies and AI" (Sex, Lügen und KI) zufolge glauben 41 Prozent der Deutschen, dass Künstliche Intelligenz eine Bedrohung für das Überleben der Menschheit darstellen könnte. Wie die Marketing-Agenturgruppe Syzygy in der Umfrage in drei Ländern (Deutschland, USA und Vereintes Königreich) ermittelt hat, befürchtet außerdem ein Viertel der Menschen hierzulande, dass etwa 30 Prozent ihres heutigen Arbeitsplatzes innerhalb der nächsten fünf Jahre durch den Einsatz von KI ersetzt werden. 

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Fukushima der künstlichen Intelligenz

Als 2015 das Digital-Manifest als Warnung von Wissenschaftlern vor Auswirkungen veröffentlicht wurde, haben Philosophen ein Diskussionspapier über Risiken und Chancen von Künstlicher Intelligenz vorgelegt. Sie warnen vor historisch beispiellosen ethischen Herausforderungen durch die weitere KI-Entwicklung. Ein Interview mit Thomas Metzinger, einem der Autoren des Papiers.


Insgesamt stehen die Deutschen laut Syzygy-Studie KI gegenüber jedoch auch offen gegenüber und zeigen neben Misstrauen und Besorgnis auch großes Interesse, Hoffnung und Optimismus als emotionale Reaktionen, wenn sie über KI nachdenken. Neben der möglichen Vernichtung von Arbeitsplätzen ist ein Kontrollverlust noch ein wichtiges Thema für die Deutschen: Wann ist der Computer so intelligent und übernimmt selbst das Zepter?  

Methode zur Messung der Intelligenz gesucht

Aber wie intelligent sind diese Computerprogramme mit ihren simulierten, neuronalen Netzen derzeit überhaupt? Das haben drei chinesische Forscher untersucht und in einem Fachbeitrag im Springer-Magazin "Annals of Data Science" veröffentlicht. In der Forschung zum Beitrag "Intelligence Quotient and Intelligence Grade of Artificial Intelligence" geht es den Wissenschaftlern Feng Liu, Yong Shi und Ying Liu darum, eine Analysemethode zu entwickeln, die die Intelligenz von künstlichen und natürlichen Systemen – also von Computern und Menschen – zuverlässig vergleichen kann. Dadurch ließe sich das Problem einer Bedrohung durch KI überhaupt erst bewerten, schreiben Feng, Yong und Ying.

Es gebe derzeit weder ein einheitliches Modell für ein künstlich intelligentes System, noch gebe es eins für den Vergleich der KI mit dem Menschen. "Diese beiden Herausforderungen ergeben sich aus dem gleichen Problem, nämlich der Notwendigkeit, ein einheitliches Modell zur Beschreibung aller Systeme der Künstlichen Intelligenz und allen lebenden Verhaltensweisen (insbesondere menschlichen Verhaltens) zu haben, um eine intelligente Bewertungs- und Testmethode zu etablieren. Wenn eine einheitliche Bewertungsmethode erreicht werden kann, könnte es möglich sein, Intelligenz-Entwicklungsniveaus zu vergleichen", heißt es in der Facharbeit.

Seit 2014 werden KIs zu ihrem IQ untersucht

Schon 2014 schlugen die drei chinesischen Forscher ein solches Modell vor und testeten damit bereits Internet-Suchmaschinen mit KI-Strukturen sowie Menschen in drei Altersstufen (sechs Jahre, zwölf Jahre und 18 Jahre alt) mit wissenschaftlichen Kriterien, um die Intelligenzquotienten (IQ) herauszufinden. Seit Anfang 2016 testen sie erneut KIs. Zwar ist die wissenschaftliche Arbeit noch nicht abgeschlossen, aber die bis zur Veröffentlichung der Studie erreichten Ergebnisse zeigen bereits, dass einige KI-Systeme ihre Intelligenz seit 2014 erheblich gesteigert haben.

Die folgenden Tabellen zeigen auszugsweise die Top-Platzierungen von Künstlichen Intelligenzen und Menschen aus den Untersuchungsergebnissen von Feng, Yong und Ying:

KIs 2014
 
Menschen 2014
Pl.Unternehmen/KIKI-ArtLandIQ
Alter                     IQ**
1GoogleSuchmaschine
USA26,518 Jahre97
2BaiduSuchmaschine
China23,512 Jahre84,5
3SoSuchmaschine
China23,56 Jahre55,5
4SogouSuchmaschine
China22

5YellSuchmaschine
Ägypten*20,5

*) Ägypten laut Studie, Yell-Sitz ist offiziell in UK.**) Durchschnittswerte
KIs 2016   
Pl.Unternehmen/KIKI-ArtLandIQ
1Google Suchmaschine/SprachassistentUSA47,28
2Baidu DuerSprachassistentChina37,2
3Baidu SearchSuchmaschineChina32,92
4Sogou SearchSuchmaschineChina31,98
5MS BingSuchmaschineUSA31,98
6MS Xiaobing*** ChatbotUSA/China24,48
7Apple SiriSprachassistentUSA23,94
***) Chatbot Xiaobing wurde zwischenzeitlich abgeschaltet.
Quelle: "Intelligence Quotient and Intelligence Grade of Artificial Intelligence" aus "Annals of Data Science" (2/2017), Springer-Verlag

Google, das KI beispielsweise im Sprachassistenten "Google Assistant" anwendet, kommt demnach mit einem IQ von über 47 schon nah an die Intelligenz eines sechsjährigen Menschenkindes (IQ von im Schnitt 55,5) heran. Im Gegensatz zum Ergebnis von 2014 hat sich die durch diese Methode entwickelte Intelligenz also um das fast 1,8-Fache gesteigert. Bis heute dürfte sich der Wert nochmals gesteigert haben und sich wohl im Vergleich zu 2014 etwa verdoppelt haben. 

Wie entwickelt sich die Intelligenz von KI?

Feng, Yong und Ying gehen von zwei möglichen Entwicklungen der Intelligenz von Maschinen aus: Entweder das Intelligenz-Level nähert sich künftig stetig an die linear wachsende Intelligenz des Menschen an, ohne es zu überschreiten. Oder die Wachstumsrate des Intelligenzlevels von KI wird so stark sein, dass der Menschliche IQ bald überschritten wird. "Durch Tests von KI-IQs können wir weiterhin diese Entwicklung analysieren und besser bestimmen, welchen Evolutionsweg die KI-Intelligenz nehmen wird", schreiben die Forscher. 


Wie ist das Verhältnis zwischen Risiko und Chance durch KI?

In einem Interview, das im Springer-Buch "Unsere digitale Zukunft – In welcher Welt wollen wir leben" (2017) erschienen ist, spricht Thomas Metzinger, Leiter des Arbeitsbereichs Theoretische Philosophie an der Universität Mainz und Direktor der Forschungsstelle Neuroethik am dortigen Philosophischen Seminar, über die Entwicklungen von KI aus ethischer Sicht:

Vieles, was '​gewöhnlich'​ ist, ist nicht damit schon in Ordnung. Eine Analogie: Die meisten von uns haben sich bereits längst an die Tatsache gewöhnt, dass [...] das eine Prozent der reichsten Menschen über 50 Prozent des weltweiten Vermögens besitzt – die andere Hälfte verteilt sich dann wiederum sehr ungleich auf die restlichen 99 Prozent. Wir haben hier eine Zusammenballung wirtschaftlicher und politischer Macht und müssen uns fragen: Gibt es heute noch eine demokratisch gewählte Regierung auf der Welt, die es mit dieser Macht aufnehmen kann? Bei der KI sollten wir eine analoge Entwicklung verhindern, also eine nicht mehr rückgängig zu machende Konzentration kognitiver Kraft. 
Zweitens gibt es bei KI aber mehrere neue Qualitäten: KI-Technologie könnte irgendwann überhaupt nicht mehr 'dienen'​, weil sie eben genau nur dann immer besser wird, wenn wir sie auch autonomer werden lassen. Außerdem könnte die KI – gerade weil sie ja eine '​erkennende Technologie'​ ist – zu ganz anderen Einschätzungen darüber gelangen, was denn überhaupt '​gut'​ und '​schlecht'​ ist. Wenn sie das tut, könnte es für sie rational sein, diese Tatsache vor uns zu verbergen. Man muss verstehen, dass es hier nicht mehr nur um 'Technologiefolgenabschätzung'​ und angewandte Ethik im klassischen Sinn geht. Die autonomer werdende KI und das Internet sind '​Metatechnologien'​, weil fortgeschrittene KI letztlich selbst zur Erforschung und Entwicklung neuer Technologien verwendet werden kann. Wir gehen [...] deshalb davon aus, dass KI diejenige Technologie ist, von der aktuell und mittelfristig die höchsten Risiken und Chancen ausgehen."  
 
Thomas Metzinger im Interview "Fukushima der künstlichen Intelligenz" im Herausgeberwerk von Carsten Könneker "Unsere digitale Zukunft" (2017), Seiten 87/88. 

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