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27.12.2022 | Energie | Schwerpunkt | Online-Artikel

2022 stand energiepolitisch im Zeichen des Ukraine-Krieges

verfasst von: Frank Urbansky

5 Min. Lesedauer

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Die neue Bundesregierung hatte sich für 2022 viel vorgenommen. Doch der Ukraine-Krieg warf alles über den Haufen. Statt grüne Energien voranzutreiben, stand die Versorgungssicherheit im Vordergrund.

Carl von Clausewitz war nicht nur der brillanteste Militärtheoretiker seiner Zeit. Seine Aussagen zum Krieg sind auch heute noch auf unsere Zeit und unser Leben übertragbar. "Fällt der erste Schuß, sind alle Planungen hinfällig" etwa. Das musste auch die im Herbst 2021 neu gewählte Bundesregierung erfahren, wollte sie sich doch ans Werk machen, 2022 zu einem Jahr der grünen Energie werden zu lassen. Doch dann kam alles anders, oder, um es mit Clausewitz zu sagen: Alle Planungen waren mit dem 24. Februar 2022 hinfällig.

Versorgungssicherheit im Fokus

Schnell geriet die Versorgungssicherheit, insbesondere mit Erdgas, ins Visier der Politiker. Die Zeitenwende von Bundeskanzler Olaf Scholz markierte dies deutlich. Denn Russland deckte bis dato gut 55 Prozent des deutschen Erdgasbedarfes ab. Und das kam teilweise via Pipeline über das Kriegsgebiet Ukraine. Das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz, EnSiG) musste her und schaffte die Grundlage für den schnellen Umschwung zu anderen Bezugsquellen für Erdgas und letztlich auch für den Zwang zur Befüllung der Gasspeicher. Denn der von Gazprom Germania betriebene Gasspeicher Astora in Norddeutschland, der größte in Europa, war im Februar 2022 so gut wie leer. Das führte letztlich auch zur Verstaatlichung des Betreibers Gazprom Germania und dessen Beaufsichtigung durch die Bundesnetzagentur (BNetzA).

Bisher gab es nur eine lose Selbstverpflichtung der Branche, die analog der Mineralölwirtschaft (bei der dies allerdings seit den 70er Jahren rechtlich bindend ist) Erdgas für 90 Tage im Krisenfall vorhalten sollte. Doch die war das Papier nicht wert auf, dem sie stand. Jetzt gilt: Mit 1. November jeden Jahres müssen die Gasspeicher zu 95 Prozent gefüllt sein. Im ersten Krisenjahr wurde dieses Ziel nach Angaben von Bundesregierung und BNetzA mit 102 Prozent sogar übererfüllt (wobei diese Angabe eigentlich technischer und physikalischer Unsinn ist). Auch der Bau von Terminals für Flüssigerdgas (LNG) an der Nordseeküste wurde deutlich beschleunigt und in Jahresfrist realisiert. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass allein die Planungen für das Terminal in Wilhelmshaven bis auf die 80er Jahre zurückgehen.

Dieser Umschwung, der letztlich in Deutschland zu einem Anteil von nur noch 8 Prozent der Erdgasversorgung durch Russland im November 2022 führte, wurde mit viel Geld erkauft, das alle Kunden letztlich bezahlen müssen oder hätten müssen. Der Bundesregierung schwante dabei schon beizeiten nichts Gutes. Ein erster Aufschlag war das Osterpaket, mit dessen Hilfe die steigenden Kosten auch beim Strom abgefedert werden sollten. Umstritten blieb allerdings bis zum Jahresende das Prozedere.

Im Osterpaket wurde vor allem beschlossen, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, so die Abstandsregelungen bei Windkraftanlagen zu vereinheitlichen und die Verfahren zu vereinfachen. Das hat allerdings nach Meinung der Branche allenfalls zu einer leichten Verbesserung geführt. Planungsphasen für Windkraftanlagen bleiben nach wie vor eine mehrjährige Angelegenheit, nunmehr dauert es drei bis vier statt davor sieben Jahre, um einen Windpark zu errichten. Insbesondere die Einspruchsmöglichkeiten wurden eingeschränkt. Die neuen Ziele für erneuerbare Energien im Strommarkt lauten: 80 Prozent bis 2030 und 100 Prozent bis 2035. Um dies zu erreichen, soll unter anderem die Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Zukunft aus dem Bundeshaushalt kommen und nicht mehr von den Kunden via Strompreis. Das führte zu einer deutlichen Entlastung schon ab Juli 2022, die allerdings von anderen Strompreissteigerungen wieder aufgefressen wurde.

Preisbremse für Verbraucher und Händler

Beim Gaspreis sollte es eine Bremse geben. Ursprünglich sollte die direkt mit jedem Kunden abgegolten werden. Doch dagegen wehrte sich die Branche erfolgreich wegen praktischer Undurchführbarkeit, wegen mangelnder Verfassungsmäßigkeit und auch wegen wohl fehlender Konformität mit geltendem EU-Recht. Im September kündigte Scholz dann mit dem Doppel-Wumms eine Entlastung der Verbraucher mit 200 Milliarden Euro an, die nun über einen Mechanismus dabei den Tarifanbietern und den Kunden zugutekommen sollen.

Haushalte sollen ab kommendem Jahr für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs bei Gas auf 12 Cent, bei Fernwärme auf 9,5 Cent und bei Strom auf 40 Cent je Kilowattstunde gedeckelt werden. Protest kam daraufhin von den Branchenverbänden, die Heizölheizer und Pelletheizer vertreten. Auch diese wurden schließlich mit aufgenommen. Als Sofortmaßnahme für 2022 wurden alle Dezember-Abschläge von privaten Energiekunden ebenfalls von der Bundesregierung übernommen.

Entlastung brauchten auch die Gasimporteure. Denn da Russland nicht mehr lieferte (und nach der Zerstörung von Nord Stream I und II auch kaum mehr liefern will und kann) mussten die Importeure das an sich günstige Erdgas mit teuren Beschaffungen am Markt ersetzen. Das brachte sowohl Uniper als auch VNG in Schieflage. Bei ersterer stieg der Staat ein, bei letzterer halfen Milliardenhilfen. Ein Staatseinstieg wurde nicht nötig.

Einiges gelang doch

Immerhin: Nicht alle Pläne musste die Bundesregierung aufgeben und verschieben. Die CO2-Bepreisung bei der Beheizung von Wohngebäuden wurde wie erwartet zwischen Bewohnern und Mietern aufgeteilt. Hier wurde auch ein Mechanismus eingeführt, der die Vermieter dazu bringen soll, schneller in CO2-freie oder -arme Heiztechnologien oder in Dämmung zu investieren. Ansonsten steigt ihr Anteil am CO2-Preis auf 100 Prozent.

Eine PV-Pflicht kam auch, wenngleich nur für die Dächer von Nichtwohngebäuden im Neubau oder bei umfassender Sanierung. Allerdings steht dem die Branchenrealität mit mangelnden Fachkräften und fehlenden Modulen entgegen.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) wurden ebenfalls novelliert. Die Änderungen treten erst 2023 in Kraft und werden an dieser Stelle demnächst ausführlich behandelt.

Und: Die EU hat es, angeführt von Frankreich und anderen Atomkraft nutzenden Ländern, geschafft, Kernenergie für grün zu erklären. Deutschland mit seinem Atomausstieg ist hier allererster Verlierer.


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