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12.08.2022 | Energiebereitstellung | Interview | Online-Artikel

"Abfallstoffe wie eben auch CO2 haben einen Wert"

verfasst von: Marc Ziegler

4:30 Min. Lesedauer

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Prof. Uwe Dieter Grebe, Geschäftsführer von AVL, fordert ein Umdenken von Politik und Gesellschaft. Abfallstoffe wie CO2 haben einen Wert, da sie zur Fertigung anderer Produkte genutzt werden können.

MTZ / Springer Professional: Welche Möglichkeiten bietet Carbon Air Capture in Bezug auf die Kraftstoffproduktion? Ist es technisch und wirtschaftlich möglich, Kraftstoffe mit Negativemissionen herzustellen?

Grebe: Zunächst mal: Direct-Air-Capture funktioniert und es gibt Anlagen, die heute in Verwendung sind, um CO2 aus der Luft zu entnehmen. Die Schwierigkeit liegt in der Stöchiometrie. Es muss eine riesige Menge Luft prozessiert werden, um die gewünschte Menge CO2 zu extrahieren. Lassen Sie uns bedenken, dass wir 400 ppm, d.h. 0,04% CO2 in der Luft haben und diese kleine Menge CO2 'ausfiltern' möchten. Die Anlagen sind daher sehr groß. Auch hier ist Effizienz wieder auf die Wirtschaftlichkeit zu beziehen, also wie viel Kapitalinvestment und Betriebskosten erforderlich sind und wie hoch die Energiekosten sind. Ziel ist erstmal die Net-Zero-Emission. Wenn man den Aufwand betreiben will und es einen Anreiz dafür gibt, kann natürlich auch mehr CO2 abgeschieden werden als direkt notwendig. 

Wenn man CO2 einen Wert zuordnet und man damit Handel betreiben kann, ist das schon interessant. Alternativ kann das CO2 gespeichert oder in andere kohlenstoffbasierte Werkstoffe umgewandelt werden. Es gibt hier viele Untersuchungen für Produkte von Straßenbelag bis zu hochfesten Weststoffen. Die Denkweise, die wir anregen müssen, ist, dass Abfallstoffe wie eben auch CO2 einen Wert haben oder sie genutzt werden können, um andere Produkte herzustellen.

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Investitionsbereitschaft in grüne Energie scheint weltweit zu bestehen. Ist hier der Return of Invest im Vergleich zu fossilen Energieträgern mittlerweile besser? 

Relativ gesehen wird das natürlich besser, denn wir entwickeln als Gesellschaft momentan diese Technologien weiter und setzen sie ein. Stromerzeugungskosten von Solar- und Windparks sind in vielen Regionen bereits günstiger als fossile Kraftwerke. Oft aber, insbesondere wenn die Problematik der Zuverlässigkeit und Speicherung hinzukommt, ist es vom Investment immer noch das einfachste und billigste, die fossilen Quellen zu nutzen. Die Bezugsgröße, ein Reservoir anzubohren und Öl zu fördern ist schwer zu schlagen. Und ehrlicherweise sind wir, trotz einiger Ansätze wie dem europäischen Emissionshandel, momentan auch noch sehr weit davon entfernt, dem CO2 einen handelbaren Wert zuzuschreiben, mit dem Geschäftsmodelle wie Air Capture und Speicherung funktionieren könnten.

Wie schafft man hier ein Umdenken?

Man muss Anreize bieten und ein System schaffen, das CO2 letztlich einen Preis zuordnet. Das kann eine Besteuerung sein oder Cap-and-Trade, also eine zugelassene Maximalmenge, die gehandelt werden darf. Wichtig ist, diese Wege zu beschreiten, denn so kommt man auch hinter versteckte CO2-Bilanzen etwa in Importen. Es fällt auf, dass die westlichen Länder deutlich weniger CO2 im Wirtschaftsbereich emittieren. Das ist der Nutzung zugeordnet und liegt einfach daran, dass der Gütertransport der balancierende Faktor auf der Erde ist. Wenn ein Bauteil in China produziert wird, entsteht dort auch die Emission, es muss also auch das CO2 besteuert werden, das woanders oder auf dem Transportweg freigesetzt wurde. Das Äquivalent wäre der Einfuhrzoll. Ansonsten würden wir in Volkswirtschaften scheinbar CO2-neutral, verlagern die Emission aber eigentlich nur in die Transportkette und die Herstellerländer. Aufgrund der unterschiedlichen Regularien in einzelnen Ländern ist das schwierig, da es ein Wirtschaftsvorteil ist, den CO2-Ausstoß nicht zu bepreisen oder zu bestrafen. 

In welche grünen Technologien fließt denn augenblicklich am meisten Kapital?

Erneuerbare Stromerzeugung ist in vielen Gegenden wettbewerbsfähig geworden, viele klassische Kapitalfonds investieren dort. Wenn man sich die Förderlandschaft im Moment betrachtet, würde ich sagen, bei den neuen Themen geht das meiste derzeit in die Wasserstoffwirtschaft. Völlig zu Recht, denn wir benötigen die chemische Speicherung von Energie zwingend.

Werden sich bei der Herstellung zukünftiger Energieträger die technisch besten Lösungen durchsetzen, oder werden politische Faktoren entscheidend sein?

Der Wirkungsgrad und die technische Lösung sind große Treiber, aber die Rahmenbedingungen sind eben entscheidend. Es setzt sich nicht immer das hinsichtlich Wirkungsgrad oder Leistung technisch bevorzugte System durch, sondern jenes, das im Gesamtsystem den besten Nutzen hat. Und dabei sind nicht nur der Wirkungsgrad auf der technischen Seite, sondern auch Verfügbarkeit, Robustheit oder Skalierbarkeit entscheidend. Was den Antrieb angeht, so ist sehr stark die Förderlandschaft ausschlaggebend. Wenn eine Nation ein Verbot der Verbrennungsmotortechnologie in Neufahrzeugen ausruft, ist ein technischer Wettstreit obsolet.

Auch die politischen Entscheider sind sich darüber im Klaren, dass Energie auch zukünftig importiert werden muss. Findet hier nun ein Umdenken statt?

Das große Problem hierbei ist die Bildung von Lagern, die sich ohne Not auf technische Lösungen einengen, und das Denken der Politiker in Legislaturperioden, auch wenn ich nicht unterstellen möchte, dass das die einzige Führungsgröße ist. Das behindert aber den Weitblick und den globalen Ansatz. Zudem ist es immer einfacher, über die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort zu sprechen, als in fernen Regionen. Daher bin ich noch nicht sicher, ob wir dieses Thema schon gelöst haben.

Das gesamte Interview mit Prof. Dr. Grebe finden Sie in der MTZ 9/2022. Dort schätzt Grebe die Relevanz verschiedener Energieträger ein und verdeutlicht die Herstellungsverfahren in einem gesamtheitlichen Ansatz.


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