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29.06.2022 | Fahrwerk | Kompakt erklärt | Online-Artikel

Feiert die Trommelbremse ein Comeback?

verfasst von: Christiane Köllner

3 Min. Lesedauer

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Vielen gilt die Trommelbremse als veraltete Technik. Sie kommt heute höchstens noch in kleineren Fahrzeugsegmenten zum Einsatz. Doch Elektroautos könnten ihr wieder zum Comeback verhelfen. 

Die Trommelbremse gewinnt wieder an Bedeutung. Langlebigkeit, Robustheit und Bremsstaubreduktion sind Gründe, auf die Trommelbremse zu setzen. Besonders für Elektrofahrzeuge stellt die altbewährte Technik eine mögliche Alternative zur Scheibenbremse dar. Seit rund 60 Jahren sind Trommelbremsen an der Fahrzeug-Vorderachse nämlich kein Thema mehr, nur an der Hinterachse und in kleineren Fahrzeugsegmenten haben die Trommelbremsen heute noch Relevanz. 

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Abbremsung und Bremssysteme

Fahrzeuge verfügen in der Regel über eine an allen Rädern wirksame Bremsanlage mit hoher Bremsleistung. Im Gegensatz dazu weisen die meisten Fahrzeuge Antriebsmaschinen mit deutlich geringerer Leistung und nur eine angetriebene Achse (Vorderachs- oder Hinterachsantrieb) auf. Das Ziel der Bremsenentwicklung ist nicht die isolierte Betrachtung der Bremsleistung, sondern die maximale Ausnutzung der Kraftschlussbeanspruchung an den Rädern der beiden Achsen bis zur Haftgrenze, was mit einer idealen Bremskraftverteilung möglich ist.

Alte Technik neu aufgelegt

Trommelbremsen, die fast so alt wie das Automobil selbst sind, sind Radialbremsen. "Sie haben zwei Bremsbacken, die durch hydraulische Radzylinderbetätigung beim Bremsen nach außen gegen die Reibfläche der Trommel gedrückt werden. Bei Beendigung der Bremsung ziehen Federn die Bremsbacken wieder nach innen, so dass zwischen Trommelreibfläche und Bremsbelägen ein 'Lüftspiel' entsteht", erklären die Springer-Autoren um Axel Pauly im Kapitel Fahrwerk (Seite 297) aus dem Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik.

Für viele gilt die Trommelbremse heute als ein altmodisches Produkt. "Trommelbremsen wurden in der Vergangenheit aufgrund der thermischen Belastbarkeit und der damit einhergehenden Empfindlichkeit zunehmend durch die Scheibenbremsen ersetzt", so Springer-Autor Ferit Küçükay im Kapitel Abbremsung und Bremssysteme (Seite 815f) des Buchs Grundlagen der Fahrzeugtechnik. Sie sind gegenüber Scheibenbremsen thermisch weniger belastbar, "da mit der geschlossenen Bauweise Kühlungsnachteile einhergehen und thermisch bedingte Bauteildeformationen oft deutliche Reibwert- bzw. -Schwankungen ergeben", so die Springer-Autoren um Axel Pauly weiter.

Weniger Partikelemissionen durch geschlossenes System

Doch Trommelbremsen bieten auch einige Vorteile. Sie weisen "im Vergleich zu Scheibenbremsen eine hohe innere Übersetzung, keine Restbremsmomente, geringe Korrosionsanfälligkeit und einen relativ kompakten und leichten Aufbau auf", so Springer-Auto Küçükay. Gerade für Elektrofahrzeuge macht die Trommelbremse Sinn. Denn aufgrund der hohen Rekuperationsleistung neuer Elektroautos wird die Bremse in vielen Situationen des Alltags nur noch selten genutzt. "Was sich im ersten Moment nach mehr Langlebigkeit der Bremsbeläge und Bremsscheiben anhört, führt bei Scheibenbremsen genau zum Gegenteil", erklärt der Zulieferer Continental, der auf die Zukunft der Trommelbremse setzt, in einem Technologie-Dossier. Durch den seltenen Einsatz seien Scheibenbremsen anfälliger für Korrosion (Flugrost) und verlören nach langem Nichtbetätigen an Bremskraft. 

Dazu kommt: Die Trommelbremse ist ein System, das vollständig von einem Gehäuse eingekapselt ist. "Dadurch sind die Mechanik und die Bremsflächen im Inneren gut vor Korrosionseinflüssen wie Regen und Salz geschützt", so Continental weiter. Durch diese geschlossene Bauweise verursache sie auch kaum Partikelemissionen. Der Bremsstaub bleibt somit zu großen Teilen in der Bremstrommel und verteilt sich nicht in der Umgebung – ein Thema, das immer wichtiger wird. Laut Continental rechnen Experten mit strengeren gesetzlichen Vorgaben für Bremsenfeinstaub seitens der EU-Kommission spätestens für das Jahr 2025.

Auch für die Vorderachse eine attraktive Option

Continental setzt im Pkw-Bereich nach langer Pause wieder auf eine Trommelbremse bei Neufahrzeugen. Zum Beispiel im Elektroauto VW ID.3 an der Hinterachse. In einem Testfahrzeug hat der Zulieferer aber auch bereits gezeigt, dass an der Vorderachse eine Trommelbremse ebenfalls möglich ist, wie Michael Reichenbach im Artikel Continental bringt die Trommelbremse zurück berichtet. "Durch das verwendete Duo-Servo-Prinzip wird ein hohes Bremsmoment bei niedrigen Betätigungskräften erreicht; der Selbstverstärkungseffekt dieses Funktionsprinzips kann positiv ausgenutzt werden. Dadurch ist die Trommelbremse an der Vorderachse ein idealer Baustein für die nächste Generation trocken betätigter Radbremsen", schreibt Continental im Technologie-Dossier.

Und Dr.-Ing. Hans-Jörg Feigel, Leiter der Zentralfunktion Strategy and Future Solutions und Mitglied des Management Boards im Geschäftsfeld Safety and Motion bei Continental, bestätigt im Interview "Die Trommelbremse ist wieder eine interessante Lösung": "Aus unserer Sicht ist die Trommelbremse wieder eine interessante Lösung, die wir derzeit aktiv mit unseren Kunden diskutieren."

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