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02.05.2018 | Fahrwerk | Interview | Online-Artikel

"Die Autoindustrie ist im Sinne der Agilität gefordert"

verfasst von: Michael Reichenbach

4 Min. Lesedauer

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Seit einem Jahr ist Dr. Holger Klein Leiter Pkw-Fahrwerktechnik bei ZF. Im Interview geht er auf die Geschäftsmodelle der New Automotive Customers ein, aber auch die Frage, wie das Chassis mit agilen Methoden und Leichtbau noch besser werden kann.

SpringerProfessional _ ATZ: Herr Dr. Klein, sehen Sie sich eher als der Komponentenspezialist oder der Systemlieferant für das Chassis?

Klein: ZF kann beides, das ist unser Vorteil. Wir helfen bei integrierten Lösungen, da wir das Systemverständnis mitbringen und damit auch den Entwicklungsprozess unterstützen können. Hier sind zum einen als Kunden die deutschen Premium-OEMs zu nennen. Es gibt zum anderen aber auch Kunden, vor allem die New Automotive Customers, die eigentlich andere Geschäftsmodelle verfolgen und sich nicht über das Fahrwerk vom Wettbewerb differenzieren wollen. Diese Firmen kommen zu uns und wollen eher ein Smartphone auf Rädern entwickeln. Da wird das Bauen des Autos an sich schnell zur lästigen Nebensache. Wenn die neuen Player komplette Lösungen suchen, die off-the-shelf und kostengünstig sind und vor allem schnell geliefert werden können, dann ist das für uns sehr, sehr interessant und relevant. 

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Müssen Sie in Losgrößen und Skaleneffekten denken, um über die Stückzahl Ihre Entwicklungskosten wieder hereinzubekommen?

Die Herausforderung liegt für uns woanders. Das Systemverständnis brauchen Sie auch für den klassischen Premium-OEM, um ihn auf Augenhöhe bedienen zu können. Nur verkaufen wir es dort nicht, weil der OEM in starkem Maße selbst über diese Kompetenzen verfügt und dann bei uns nur die Komponente an sich bestellt. Die Herausforderung ist dann eine ganz andere, wenn diese neuen Kundengruppen auf uns zukommen und nach schnellen Entwicklungszyklen fragen. Wenn uns jemand seine Zeichnung gibt, und seine Autos sollen am Tag X vom Band laufen, dann ist das ein ganz anderes Zusammenarbeits-Modell und ein anderer Speed.

Wie können Sie schneller entwickeln, mit den neuen agilen Methoden?

Hier, glaube ich, ist die Automobilindustrie im Sinne der Agilität gefordert. Für die neuen Player müssen wir in den Prozessen wesentlich schneller und leichter werden. Viele Fragen sind jedoch noch offen: Wird jedes Produkt agil entwickelt werden? Wo macht es Sinn, wo nicht? Wie bilden wir es in unseren ZF-Organisationsstrukturen ab? Es wird auf eine Mischform zwischen klassischen und agilen Methoden hinauslaufen. Da gibt es kein gut oder schlecht.

Für das Thema null Emissionen muss auch das Fahrwerk leichter werden. Welche Stellhebel gibt es?

Leichtbau ist fürs Chassis eine echte Chance. Natürlich müssen auch wir als Fahrwerkentwickler einen Beitrag zu Zero Emissions leisten. Wenn Sie auf ZF gucken, mit den Missionen Zero Accidents und Zero Emissions, dann rücken auch immer mehr Leichtbaumaterialien in den Fokus. Wir sehen das Thema Werkstoffsubstitution vor uns, es kommen neue Materialien statt dem Klassiker Stahl auf uns zu: Thermoplaste, Duroplaste, endlosfaserverstärkte Kunststoffe, GFK, CFK, aber auch Aluminium und unterschiedliche höchstfeste Stähle. Um das Ganze noch ein bisschen komplexer zu machen, kombiniert man diese Werkstoffe zu Hybriden – als Sandwich-Bauweise etwa. Das ist für uns sehr wichtig, wir bringen uns mit der Materialentwicklung und -forschung mit ein. Zu unseren Kompetenzen zählt außerdem der konstruktive Leichtbau. Das ist auch eine Herausforderung hinsichtlich der NVH-Problematik, die mit besonderen Eigenschwingungen und den anderen Geräuschkulissen im Elektroauto zusammenhängt.

Hat ZF dafür ein besonders Kompetenzzentrum Leichtbau oder ist das Wissen in jeder Abteilung einzeln vorhanden?

Wir beschäftigen uns als Gruppe insgesamt mit dem Thema. ZF macht jetzt, nach dem TRW-Kauf 2015, um die 36,4 Milliarden Euro Umsatz, das ist die aktuelle Zahl von 2017, und ist natürlich auch in unterschiedlichen Industriesegmenten und Branchen unterwegs. Das reicht von der Pkw- über die Nutzfahrzeugindustrie bis hin zur allgemeinen Industriesparte samt Windkraft, Land- und Baumaschinen, aber auch vom Motorsport über Mobilitätsdienstleistungen bis zum Aftermarket. Solche Leichtbau-Themen werden gebündelt, zum Beispiel in einem Kunststofftechnikum, das bei ZF übergreifend agiert. So muss nicht der einzelne Bereich die gesamten Kosten einer Materialforschung und -entwicklung tragen, sondern sie werden auf mehrere Schultern verteilt. Denn die Werkstofferkenntnisse können in den unterschiedlichen Industriesegmenten genutzt und über alle Applikationen hinweg ausgerollt werden.

Vielen Dank, Herr Dr. Klein, für das informative Gespräch.

Mehr vom Interview können Sie in der ATZ 6/2018 lesen, die am 25. Mai erscheinen wird.

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