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23.01.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kältemittel R1234yf gefährlicher als angenommen

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4:30 Min. Lesedauer

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Das Kältemittel R1234yf ist umstritten. Die Deutsche Umwelthilfe warnt erneut vor den Risiken der Chemikalie. Auch Daimler hält es für gefährlich. Doch die EU schreibt den Einsatz von R1234yf vor. Nun will die EU-Kommission Deutschland zur Rechenschaft ziehen.

Im Streit um Kältemittel für Klimaanlagen in Fahrzeugen hat die EU-Kommission jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland angekündigt, wie die Kommission heute bekannt gab. Hintergrund ist, dass Autohersteller Daimler aus Sicherheitsbedenken das Kältemittel HFO-1234yf (R1234yf) ablehnt. Stattdessen setzt der Stuttgarter Hersteller auch in neuen Modellen weiterhin auf das ältere Kältemittel R134a. Das Kraftfahrtbundesamt hat diesen Fahrzeugen die Zulassung erteilt, was die EU-Kommission anmahnt. R134a gilt aber als klimaschädlicher und ist daher in der EU für neue Modelle (Fahrzeuge, die nach 1. Januar 2011 ihre Typgenehmigung erhielten) seit Anfang 2013 verboten. In Neuwagen bereits zugelassener Typen darf R134a noch bis Ende 2016 benutzt werden. Ab 2017 ist die alte Substanz dann für alle Neuwagen verboten. Deutschland habe nun zwei Monate Zeit, auf die Mahnschreiben der Kommission zu diesem Thema zu reagieren.

Am vergangenen Dienstag hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Ergebnisse eines Brandtests veröffentlicht, der die Gefahren des Kältemittels R1234yf bestätigt. Das Kältemittel R1234yf sei noch gefährlicher als bislang angenommen, erklärt die DUH. Ein neuer Test in einem Brandtunnel im Auftrag der DUH macht deutlich, dass die Chemikalie auch bei Fahrzeugbränden, die nicht direkt auf einen Austritt von R1234yf zurückzuführen sind, zum Risiko für Insassen, Ersthelfer und Rettungskräfte wird. Angesichts der Risiken fordert die DUH ein Verbot von R1234yf und spricht sich für den schnellstmöglichen Einsatz der Kältemittelalternative CO2 aus.

Irreversible gesundheitliche Schäden

"Beim Abbrand des Fahrzeuges konnten wir alarmierende Mengen von Fluorwasserstoff (HF) feststellen. In der Abluft wurden knapp 45 ppm gemessen – diese Konzentration führt bereits nach kurzer Zeit zu irreversiblen gesundheitlichen Schäden. Bei ungünstigen Luftverhältnissen ist mit weitaus höheren HF-Konzentrationen zu rechnen. Dieses Ergebnis gilt nicht nur für das getestete Auto, sondern lässt sich auf alle Fahrzeuge mit dem Kältemittel R1234yf übertragen", erläutert der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich, der die Durchführung des Tests betreute.

Den Versuch in einem Brandtunnel hatte das Ingenieurunternehmen DMT, eine Tochtergesellschaft des TÜV Nord, durchgeführt. Der eingesetzte Pkw ist seit Mitte 2013 auf dem Markt erhältlich und gehört zu den zehn meistverkauften Automodellen, in denen das Kältemittel R1234yf zum Einsatz kommt.

Anzahl der Fahrzeuge mit R1234yf steigt rasant

Das von der DUH gewählte Brandszenario sei keineswegs unüblich, wie die Umweltorganisation erklärt. Viele der jährlich rund 20.000 Fahrzeugbrände in Deutschland entstehen unter anderem durch Kabeldefekte, überhitzte Bremsen und Reifen, Vandalismus sowie übergreifende Flammen von brennenden Autos bei Massenkarambolagen oder in geschlossenen Räumen wie Tunneln oder Tiefgaragen, wie die DUH weiß. Alle bisher durchgeführten Sicherheitstests hätten lediglich untersucht, ob sich unmittelbar ausströmendes Kältemittel R1234yf an heißen Motorteilen entzündet und ob es in diesem Zusammenhang zu einer HF-Bildung kommt. Andere Brand- und Unfallszenarien blieben unberücksichtigt.

Nach Angaben der Umwelthilfe seien bis Ende 2013 in Deutschland fast 100.000 Autos neu zugelassen worden, in denen das Kältemittel R1234yf genutzt wird. Aufgrund der seit Januar 2013 wirksamen EU-Vorgabe zu klimaschonenderen Kältemitteln werde die Anzahl der Fahrzeuge mit R1234yf rasant ansteigen.

Mercedes-Benz setzt auf CO2-Klimaanlagen

Im Fokus der seit über einem Jahr schwelenden Debatte über den Einsatz des neuen Kältemittels steht Daimler. Der Stuttgarter Autohersteller meidet die von Honeywell und DuPont produzierte Chemikalie aufgrund von Sicherheitsbedenken. Für Daimler lasse sich ein Sicherheitsrisiko durch den Einsatz von R1234yf nicht ausschließen. Das Stuttgarter Unternehmen habe sich daher für die Entwicklung von CO2-Klimaanlagen entschieden.
Daimler weist zudem darauf hin, dass sich auch nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) das Sicherheitsniveau von Kraftfahrzeugen durch den Einsatz von R1234yf im Vergleich zum bisherigen Kältemittel R134a verschlechtere.

Dem Kraftfahrt-Bundesamt zufolge bestehe im Rahmen des Produktsicherheitsgesetzes keine ernste Gefahr, wie das KBA im vergangenen Jahr mitteilte. Gleichwohl seien bei durchgeführten Versuchen Entflammungen und Fluorwasserstoffexpositionen festgestellt worden. Vergleichsversuche mit R134a blieben hingegen ohne kritische Ereignisse. Dies sei ein deutlicher Hinweis auf eine weitergehende Problematik des Kältemitteleinsatzes von R1234yf in Klimaanlagen von Kraftfahrzeugen, sagt das KBA. Das KBA rät zu weiteren Untersuchungen.

Honeywell zweifelt an der Studie der Umwelthilfe

Der Kühlmittel-Hersteller Honeywell kritisierte unterdessen den Test der Deutschen Umwelthilfe. "Es ist enttäuschend, dass die DUH viel Zeit in öffentlichkeitswirksame Aktionen investiert und dabei lediglich alte Behauptungen wiederholt - obwohl sie von Experten aus der Industrie, von Aufsichtsbehörden und Fahrzeugherstellern wiederholt entkräftet worden sind. Umfassende Sicherheitstests haben nachgewiesen, dass HFO-1234yf sicher ist", nimmt Honeywell Stellung.

Zudem hat Honeywell heute bekannt geben, dass das Unternehmen einen Liefervertrag mit der Asahi Glass Company abgeschlossen habe, um die Produktion von R1234yf zu steigern. Ebenso teilte DuPont gestern mit, dass es sein Produktionsvolumina des Kältemittels erhöhen werde, um den für das laufende Jahr erwarteten Bedarf zu decken.

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