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10.07.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die Crux mit dem Mehrverbrauch

verfasst von: Andreas Burkert

3:30 Min. Lesedauer

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Nur selten beherrschen Autofahrer das Gasgeben und verbrennen mehr Kraftstoff als angegeben. Zwar regelt der NEFZ das Verfahren, wie der Verbrauch bestimmt wird. Doch das Protokoll erlaubt genügend Spielraum, um Werte zu ermitteln, die im Alltag nicht erreicht werden. Mit dem geplanten WLTP hoffen alle auf Besserung - wäre da nicht das Problem mit der CO2-Umrechnung.

Jürgen Resch ist mehr als nur besorgt, er ist stinksauer. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigt sich verärgert über die soeben veröffentlichen Zahlen zu Verbrauch und CO2-Emissionen der in Europa 2013 verkauften Neuwagenflotte. Die belegen zwar, dass sich im Vergleich zu 2012 der Verbrauch um vier Prozent vermindert hat. Doch Resch traut dem Braten nicht. Dabei hat der europäische Dachverband Transport and Environment (T&E), dem die DUH angehört, die Daten selbst erhoben. Allerdings auf Basis von Zahlenmaterial des Europäischen Umweltamtes. Und die dort gemeldeten Angaben stimmen selten mit den wahren Verbräuchen überein. Einige Fälle sind besonders dreist.

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Bei Abweichungen von 40 Prozent und mehr bleibt nur das Kopfschütteln. "Die meisten Neufahrzeuge sind zwischenzeitlich hoffnungslos übermotorisiert und haben in der Folge entsprechend hohe Spritverbräuche", betont Resch. "Da sich insbesondere Deutschland weigert, unrealistische Spritverbrauchsangaben nachzuprüfen, werden die Flottenverbrauchsgrenzwerte der EU nur auf dem Papier eingehalten", ärgert sich der DUH-Chef. Mit Inkrafttreten der EU-Gesetzgebung zur Minderung der CO2-Emissionen hat sich die Lücke zwischen offiziellen Verbrauchsangaben und realen Verbräuchen auf mittlerweile durchschnittlich rund 25 Prozent vergrößert. Tendenz steigend.

Mehrverbrauch bringt Autofahrer auf die Palme

"Untersuchungen der Forschungsorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT) zufolge betrug der Unterschied zwischen Norm- und Realverbrauch im Jahr 2001 im Durchschnitt sieben Prozent, sechs Jahre später 13 Prozent und 2011 bereits 23 Prozent", wird in dem ATZ-Report "WLTP heizt die CO2-Debatte an" ausgeführt. Und für dieses Jahr erwartet die DUH mit einer durchschnittlichen Abweichung von mindestens 30 Prozent einen neuen Spitzenwert. Weil statt der versprochenen Verbrauchsminderung der Autofahrer am Ende steigende Kraftstoffkosten zu tragen hat, droht dem Automobilhersteller Ärger. Von vielen Seiten.

Zum einen drohen Strafzahlungen, wenn der ab 2015 verbindliche Flottengrenzwert von 130 g/km nicht erreicht wird. Die DUH fordert gar, dass "die Bundesregierung dem Beispiel der USA folgen soll, die mit behördlichen Überprüfungen und hohen Strafen bei Verstößen korrekte Spritverbrauchsangaben durchsetzen". Weil zum anderen nur wenige verärgerte Autofahren vor Gericht ziehen, will Resch mit seiner Kampagne für ehrliche Verbrauchsangaben Daten zum Mehrverbrauch sammeln, diese auswerten und mit den Ergebnissen den Druck auf die Regierung zur Nachkontrolle erhöhen. Darüber hinaus plant die DUH einzelne juristische Musterverfahren.

Verzerrt der WLTP den Wettbewerb?

Ein erstes Gerichtsurteil fiel bereits zugunsten eines BMW-Fahrers aus. Den Hinweis auf regelkonforme Testfahrten nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus NEFZ ließen die Richter nicht gelten und verfügten eine Überprüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen. Lässt der NEFZ also zu viel Spielraum, um die Messparameter großzügig auszulegen? Ein Blick in die Prüfstandards offenbart den Gestaltungsraum für die Hersteller, wie der Beitrag aufdeckt.

"Vor diesem Hintergrund würden strengere Tests, die realistische Fahrsituationen abbilden, beiden Seiten helfen", heißt es weiter in dem Report. Der geplante weltweit harmonisierte Prüfzyklus (WLTC) soll demnach das Dilemma abweichender Verbrauchswerte lösen. Dennoch bitten Autohersteller um mehr Bedenkzeit bei der Einführung der geplanten Messmethode WLTP (Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure). Das ist insofern verständlich, als dass es "noch etliche offene Baustellen gibt", wie Dr. Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA), der ATZ auf Anfrage mitteilt.

Das größte Problem besteht unter anderem in der möglichen CO2-Umrechnung. Weil der WLTP über alle Motorvarianten hinweg zu einem Mehrverbrauch führen wird, erwarten viele Auswirkungen auf den Wettbewerb. Wie hoch der genaue Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch allerdings ist, hängt von den jeweiligen Fahrzeug- und Antriebstypen ab. Eines aber ist klar: "Die Einführung des WLTP wird sich auf jedes Fahrzeug anders auswirken".

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Die Hintergründe zu diesem Inhalt

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Teil 1: Mechanische Verfahren
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Energieeffiziente Antriebstechnologien

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Anforderungen, Zielkonflikte

Quelle:
Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik

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Verbrauch und Fahrleistungen

Quelle:
Hucho - Aerodynamik des Automobils

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