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01.07.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

DUH warnt VW vor Einsatz des Kältemittels R1234yf

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

5:30 Min. Lesedauer

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Der Volkswagen-Konzern erwägt den Einsatz des gefährlichen Kältemittels R1234yf - trotz anderslautender Zusagen. Das teilte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kürzlich mit. Die DUH kritisiert diese Kehrtwende scharf.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnt Volkswagen vor einem Einsatz des Kältemittels R1234yf und fordert einen konkreten Zeitplan zum Umstieg auf die nachhaltige CO2-Klimatechnik, wie die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation erklärt. Nach einer EU-Vorgabe müssen alle neuzugelassenen Pkw ab 2017 mit einem umweltfreundlichen Kältemittel befüllt sein. Der VW-Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch hatte laut DUH im Herbst 2012 nach den alarmierenden Testergebnissen von Daimler zur Chemikalie R1234yf klargestellt: "Das richtige Kältemittel ist CO2. Das brennt garantiert nicht". Der DUH würden jedoch Informationen vorliegen, dass der Konzern entgegen bisher gemachter Zusagen zum Umstieg auf CO2 (R744) auch R1234yf einsetzen möchte.

DUH: erneuter Wortbruch bei Pkw-Kältemittel

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Für DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch wäre dies der zweite Wortbruch in Folge: "Bereits 2007 hatten die deutschen Autohersteller angekündigt, auf das natürliche Kältemittel CO2 umzusteigen und gleichzeitig die Entwicklung chemischer Alternativen einzustellen. Dieses Versprechen wurde kurz darauf einkassiert. Dass VW nach dem jüngsten Bekenntnis zu CO2 nun erneut mit der Chemikalie R1234yf plant, ist unverantwortlich - insbesondere für einen Konzern, der sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2018 der nachhaltigste Autohersteller der Welt zu werden".

Bislang berührte das seit 2011 zunächst für alle neuen Fahrzeugtypen geltende Verbot des bisherigen Kältemittels R134a das Unternehmen aus Wolfsburg nur am Rande: Schließlich hatte VW für alle neuen Modelle noch vor dem Stichtag der Regelung eine Typgenehmigung beantragt, führt die DUH aus. Dadurch sei der Einsatz des klimaschädlichen R134a bis Ende 2016 möglich. Doch auch diese Frist rücke nun näher und eine Umstellung der gesamten Modellpalette auf die CO2-Klimatechnik ab 2017 erscheine äußerst unwahrscheinlich, wie die DUH prognostiziert.

"Durch ihre abwartende Haltung hat sich die Volkswagen-Konzernspitze selbst in diese Lage manövriert. Als mögliche Lösung hat die DUH angemessene Kompensationszahlungen ins Spiel gebracht. Jegliche Diskussion hierüber erfordert nun jedoch, dass VW zeitnah konkrete Modelle mit CO2-Klimaanlage ankündigt und die weiteren Pläne zum Umstieg auf das nachhaltige Kältemittel CO2 offenlegt", stellt Resch klar.

Volkswagen: CO2 langfristig und strategisch das bevorzugte Kältemittel

Volkswagen teilte dazu mit, dass man zur Aussage, CO2 als Kältemittel sukzessive in die Fahrzeugflotte einführen zu wollen, stehe. Aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes sei CO2 für den Volkswagen-Konzern langfristig und strategisch das bevorzugte Kältemittel, wie ein Sprecher erläuterte.

Das geltende europäische Recht schreibe vor, dass ab dem 1. Januar 2017 in Neufahrzeugen das bisherige Kältemittel R134a nicht mehr verwendet werden darf. Ein direkter Umstieg auf CO2 als Kältemittel sei seitens VW erwünscht, wäre aber nur möglich, wenn die entsprechende europäische Richtlinie geändert werden würde, erklärte der Sprecher weiter.

Damit macht VW die Notwendigkeit einer Übergangslösung deutlich. Ob es R1234yf sein könnte, ließ der Konzern offen. VW erklärte, zurzeit werde das neue Kältemittel R1234yf nicht eingesetzt. Auch wenn es bei eigenen Untersuchungen zu keiner Gefährdung durch das Kältemittel R1234yf gekommen sei, stehe Volkswagen zu seiner Aussage, CO2 als Kältemittel sukzessive in die Fahrzeugflotte einführen zu wollen. Die Planungen und Vorbereitungen liefen dazu.

BMW: CO2 nicht ohne konstruktive Eingriffe umsetzbar

Auch BMW geht von der Sicherheit des neuen Kältemittels aus. Das bayerische Unternehmen setzt das neue Kältemittel im BMW i3 und im BMW i8 ein. Man habe mit den BMW-i-Modellen alle bisher bekannten Testverfahren durchgeführt und sei vom sicheren Betrieb mit dem Kältemittel R1234yf überzeugt, wie ein Unternehmenssprecher mitteilte.

Das alternative Kältemittel R744 (CO2) hält BMW für eine nachhaltige Lösung, die allerdings nicht ohne konstruktive Eingriffe umsetzbar sei. BMW habe sich entschieden, das Kältemittel R744 serientauglich weiterzuentwickeln. Diese Entwicklung dauere aber Jahre, nicht Monate. Ein flächendeckendes Roll-out-Szenario sei daher eher mittel- bis langfristig denkbar.

Lesen Sie mehr zur Entwicklung von CO2-Klimaanlagen auf Seite 2.

Daimler: CO2-Klimaanlgen ab 2017 marktreif

Daimler lehnt hingegen den Einsatz des von Honeywell und Dupont hergestellten Kältemittels R1234yf aus Sicherheitsgründen ab. Daimler teilte auf Anfrage mit, dass CO2 für das Unternehmen das ideale Kältemittel sei und die begonnene Entwicklung fortgesetzt werde. Das Unternehmen plane für Ende 2016 / Anfang 2017 eine Einführung des Kältemittels CO2 in seinen Fahrzeugen, wie ein Sprecher mitteilte.

Bis dahin setzt der Autobauer in seinen Fahrzeugen weiterhin auf R134a. Deshalb hatte Frankreich für einige Mercedes-Kompaktmodelle einen Zulassungsstopp verhängt, der mittlerweile durch ein Urteil des obersten französischen Verwaltungsgericht als unzulässig gewertet wurde.

Wegen Daimlers Weigerung hat die EU-Kommission auch Anfang des Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet. Eine Entscheidung darüber, ob die Kommission die Bundesregierung deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, steht noch aus.

Entwicklung der ersten R744-Klimasysteme begann Mitte der 90er

Die DUH fordert die sich neu formierende Europäische Kommission auf, die Sicherheitsrisiken von R1234yf ernst zu nehmen. Dafür seien schnellstmöglich politische Lösungen für Autohersteller notwendig, die zum Schutz ihrer Kunden und anderer Verkehrsteilnehmer auf den Einsatz der gefährlichen Chemikalie verzichten möchten.

In Deutschland ist das neue Kältemittel R1234yf bereits seit Längerem umstritten. R1234yf gilt als äußerst gefährlich: Es gab bereits von verschiedenen Institutionen, wie der Deutschen Umwelthilfe, und auch Autoherstellern, wie Daimler, Tests, bei denen festgestellt wurde, dass sich R1234yf bei Unfällen entzünden und Flusssäure freisetzen kann. Für Insassen und Rettungskräfte eine deutliches Risiko. Jüngst haben auch Chemiker der Ludwigs-Maximilians-Universität München festgestellt, dass das neue Kältemittel R1234yf beim Verbrennen auch das hochgiftige Carbonylfluorid bildet.

CO2-Klimaanlagen im Auto sind hingegen noch nicht serienreif. Hersteller und Zulieferer arbeiten jedoch seit Längerem daran - etwa seit Mitte der 90iger-Jahre. Beispielsweise hat Behr 2005 im Artikel "Klimatisierung mit dem Kältemittel R744" aus der ATZ 9-2005 eine weiterentwickeltes R744-Klimasystem vorgestellt. Im Artikel "Kohlendioxid-R744 als Kältemittel in Fahrzeug-Klimaanlagen" (Seite 1159) aus der ATZ 12-2001 kommen die Autoren der Firmen LuK/Sanden und Obrist Engineering zu folgendem Fazit: "Das Potenzial der auf R744 basierenden Klimaanlagen und Wärmepumpen wurde in den vergangenen Jahren in verschiedensten Versuchsträgern dargestellt. Die derzeitige Entwicklungsarbeit zielt auf den Serieneinsatz ab 2005 hin."

Allerdings ist die Entwicklung Kältemittelalternative CO2 nach der Branchenentscheidung für 1234yf nicht mehr forciert worden. Eigentlich hatten sich die Fahrzeughersteller im Verband der Automobilindustrie (VDA) ursprünglich darauf verständigt, als weltweit erste Unternehmen der Automobilindustrie das natürliche Kältemittel R744 zukünftig in Fahrzeugklimaanlagen einzusetzen. VDA-Präsident Matthias Wissmann erklärte dies in einer Pressemitteilung vom 6. September 2007.

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Quelle:
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