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16.10.2014 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

E-Call als Datenmonopol für Autohersteller

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

3:30 Min. Lesedauer

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Mit E-Call will die EU jährlich bis zu 2500 Menschenleben europaweit retten. Daher ist das automatische Notrufsystem ab 2015 Pflicht in allen Autos. Das ruft neben Datenschützern auch Verbände auf den Plan, die fürchten, das mit E-Call ein Datenmonopol für Autohersteller entsteht.

Der ADAC, der Verbraucherzentrale Bundesverband, das deutsche Kraftfahrzeuggewerbe und die deutsche Versicherungswirtschaft warnen davor, dass mit der europaweiten Einführung des Auto-Notrufsystems E-Call ein Datenmonopol für Autohersteller geschaffen werden könnte, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einer Stellungnahme mitteilt. Die Verbände bekräftigen daher ihre Forderung, die Autohersteller gesetzlich zum Einbau einer standardisierten und offenen Schnittstelle für den Datentransfer zu verpflichten. Mit einer solchen Schnittstelle sollen die Autofahrer frei entscheiden können, an wen sie ihre Fahrzeugdaten übermitteln: an Autohersteller, Versicherer, Kfz-Betriebe, Mobilitätsdienstleister oder Automobilclubs.

Entscheidungsfreiheit für Kunden sicherstellen

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Nur wenn die Autofahrer die Kontrolle über ihre Daten behalten, könnten sie sich für das jeweils beste Angebot und für den von ihnen bevorzugten Dienstleister entscheiden, erklären die Verbände. Hätten die Autohersteller alleinigen Zugang zu den Daten, könnten sie andere Dienstleister ausschließen und einzelne Märkte dauerhaft abschotten. Ein derart eingeschränkter Wettbewerb würde langfristig zu höheren Kosten für die Autofahrer führen, warnen die Verbände.

Bereits im Februar hatte sich das Europäische Parlament für eine diskriminierungsfrei zugängliche Schnittstelle ausgesprochen. Seit Anfang Oktober verhandeln Parlament, Kommission und die italienische Ratspräsidentschaft im Trilog-Verfahren über die streitigen Details der E-Call-Gesetzgebung.

Das E-Call-System soll zukünftig bei einem schweren Unfall den Rettungsdienst alarmieren. Dazu löst das bordeigene System automatisch oder manuell einen Notruf an die Notrufnummer 112 aus. Via Mobilfunknetz übermittelt das System Daten über die Position des Autos sowie die letzte Fahrtrichtung an die nächste Rettungsleitstelle. Ziel ist es, den Zeitraum zwischen einem Unfall und dem Eintreffen der Rettungskräfte auf ein Minimum zu reduzieren. Die Verbände unterstützen die Einführung eines solchen Systems, denn es helfe Leben zu retten und die Verletzungsfolgen eines Unfalls zu mindern.

Warnung vor Datenmonopol der Autohersteller

Gleichzeitig sehen sie im ursprünglichen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission aber auch die Gefahr von unbeabsichtigten Nachteilen für die Verbraucher und andere Interessengruppen wie Versicherungen, Kfz-Betriebe oder Automobilclubs.

Denn: Die Technik des E-Calls könne auch zu anderen Zwecken genutzt werden, etwa für die schnelle Hilfe bei einer Panne, für Ferndiagnosen oder für die Ortung des Fahrzeugs nach einem Diebstahl. Bei einem Datenmonopol könnten die Autofahrer nur die Dienste nutzen, die vom jeweiligen Autohersteller angeboten werden. Die Autobauer könnten ihre Kunden nach einem Unfall bevorzugt in eigene Niederlassungen lotsen, entsprechende Angebote von Kfz-Betrieben blieben unberücksichtigt, befürchten die Verbände.

Gleiches gelte auch bei einer Panne: Dem Autofahrer würden nur die Pannenhilfsdienste der Autohersteller angeboten - der Service anderer Marktteilnehmer, zum Beispiel von Automobilclubs oder den Anbietern von Autoschutzbriefen würden dem Autofahrer vorenthalten.

Auch die Kfz-Versicherer müssen sich durch die baldige Einführung von E-Call neu erfinden, wie aus dem Artikel "Richtig zuhören ist die halbe Miete" aus dem Versicherungsmagazin 1-2014 hervorgeht. Die große Furcht der Kfz-Versicherer: "Wenn die Kundenschnittstelle im Schadenfall der Hersteller und nicht mehr der Versicherer ist, dann könnte das gesamte Geschäftsmodell in Gefahr geraten", sagt Marcus Hansen, Vorstandsmitglied der Deutsche Assistance Versicherung.

Datensicherheit

Aus Sicht des ADAC müssen neben der Wahlfreiheit des Verbrauchers sowie einem freien und fairem Wettbewerb auch die Datensicherheit bei der EU-Gesetzgebung für E-Call berücksichtigt werden.

Eine ungefilterte Weitergabe von Standortkoordinaten eines Fahrzeugs könnte personenbezogene Daten betreffen, erklärt der Automobilclub. Der ADAC sieht die Einhaltung des Datenschutzes allerdings unkritisch, solange außerhalb des konkreten Notfalls keine Übermittlung des Mindestdatensatzes und keine Ortung des Fahrzeuges erfolgt (auch keine Zellortung im Mobilfunknetz). Für eine Datenübermittlung im Rahmen von Telematik Zusatzdiensten sei die Einwilligung des Verbrauchers notwendig. Die gesetzlichen Vorgaben zum Datenschutz müssten grundsätzlich beachtet werden.

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