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2014 | Buch

Handbuch Tiefe Geothermie

Prospektion, Exploration, Realisierung, Nutzung

herausgegeben von: Mathias Bauer, Willi Freeden, Hans Jacobi, Thomas Neu

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

​Das vorliegende Handbuch stellt erstmalig in deutscher Sprache umfassend alle Themen im Bereich Tiefe Geothermie vor: Prospektion, Exploration, Realisierung und Nutzung. In zwei abschließenden Kapiteln werden Zukunft und Perspektiven von Tiefer Geothermie vorgestellt und diskutiert. Die von anerkannten Spezialisten verfassten Artikel sind so konzipiert und geschrieben, dass alle an der Konzeption und Erschließung tiefengeothermischer Ressourcen Beteiligten einen direkten Nutzen für ihre Arbeit daraus ziehen können.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Thermisches Regime der Erde
Zusammenfassung
Die Erde ist schalenförmig aufgebaut. Im Inneren Erdkern rechnet man mit Temperaturen um 5000 °C, die mittlere Temperatur der Erdoberfläche beträgt 14 °C. Um die nicht einheitliche Temperaturverteilung im Erduntergrund zu bestimmen, werden Wärmestromdichte und Wärmeleitfähig der Gesteine herangezogen.
Neben dem Aufbau der Erde werden die thermischen Eigenschaften und das Energiedargebot der Erde betrachtet. Die wichtigsten thermischen Parameter, wie beispielsweise Wärmeleitfähigkeit oder Wärmekapazität, und ihre Bestimmungsmethoden sowie die gängisten Verfahren Temperaturen in Tiefbohrungen zu bestimmen. Gesetzmässigkeiten zum Wärmetransport werden im Detail beschrieben und es wird eine thermische Bilanzrechnung der Erde aufgestellt. In diesem Kapitel finden sich auch Grössenangaben zu den wichtigsten Parametern für verschiedene Gesteine und Stoffe.
Ingrid Stober
2. Geologische und geophysikalische Untersuchungen
Zusammenfassung
Bei Projekten der Tiefen Geothermie und in Erschließungskonzepten für zugeteilte Erlaubnisfelder spielen geologische und geophysikalische Untersuchungen eine wesentliche Rolle. Ausgehend vom Konzept der geothermischen Energie als Lagerstätte, die mit Tiefbohrungen im Rahmen einer hydrothermalen oder petrothermalen (EGS, hot dry rock) Geothermie zu erschließen ist, werden die wichtigsten geologischen und geophysikalischen Grundlagen mit vielfachem Bezug zu analogen Szenarien in der Kohlenwasserstoff‐Exploration zusammengestellt. Die Situation in Deutschland steht dabei im Fokus. Die Erörterung betrifft lithofazielle und strukturelle Gegebenheiten und betont die Bedeutung der Untersuchung nicht nur des Reservoirs selbst sondern auch der hangenden Schichten entlang der geplanten Bohrpfade einschließlich möglicher oberflächennaher kritischer geologischer und anthropogener Konstellationen im Bereich der Bohransatzpunkte. Einer knappen Erläuterung der wichtigsten geophysikalischen Verfahren aus Seismik, Gravimetrie, Geomagnetik und Geoelektrik sowie der für die geothermalen Reservoirs wichtigsten petrophysikalischen Parameter folgen Hinweise, wie bereits existierende geophysikalische Daten für eine Projektstudie genutzt werden können. Bei der Diskussion von Neuerkundungen für ein Erlaubnisfeld werden mit starkem Blick auf internationale Verhältnisse die Verfahren der Refraktionsseismik, Gravimetrie, Geomagnetik und Geoelektrik als unerlässliche Ergänzungen der in Deutschland dominierenden Reflexionsseismik gegenübergestellt und die Vorzüge insbesondere der Gravimetrie und der Tiefengeoelektrik in Form der Magnetotellurik betont. Die Einbeziehung der standortspezifischen Geologie und Geophysik für Lösungsansätze bei der Unterscheidung verschiedener Arten der Seismizität, sowie die Verknüpfung von Messungen in Bohrungen mit Messungen der Oberflächengeophysik als Folgemöglichkeit einer bereits niedergebrachten Bohrung, z. B. in einer Geothermie‐Dublette, sollten bereits in einer Projektstudie bedacht werden. Der Beitrag ist ein Plädoyer für eine größere, vielfach vermisste Harmonie zwischen Geologie und Geophysik, was der Exploration der Tiefen Geothermie nutzen würde.
Kord Ernstson
3. Reflexionsseismische Exploration
Zusammenfassung
Plant man den Standort einer Geothermieanlage, ist die Voruntersuchung des Untergrundes ein essentiell wichtiger Schritt. Geowissenschaftler sind auf diesem Gebiet die Profis. Sie sind schon während der Genehmigungsphase aktiv, erbringen aber während der Erkundungsphase den Hauptteil der hier vorgestellten Wertschöpfungskette, nämlich die geophysikalische Tiefenerkundung, die geologische 3D‐Modellierung, die Reservoirmodellierung und die Strömungssimulation. Mit Hilfe der Ergebnisse dieser Untersuchungen können Risiken beim Abteufen der Bohrung vermieden werden, Alternativszenarien geplant werden und beispielsweise die Nutzung, sowie der Abkühlprozess eines Reservoirs im Vorfeld des Betriebes einer Anlage simuliert werden. Mögliche Risiken können so im Voraus erkannt werden, und die Planung kann rechtzeitig angepasst werden. Im Ergebnis der geohydraulischen und der geothermischen Simulationen, die auf den bei den Testarbeiten bestimmten Parametern beruhen, können die Auswirkungen des Dublettenbetriebes prognostiziert werden. Dies wird im Wärmebergbaugutachten, welches aus der Sicht des Wasserrechts die Grundlage für den Dublettenbetrieb darstellt, systematisch dargestellt.
Silke Bißmann, René Kahnt
4. Mathematische Methoden
Zusammenfassung
Aufgrund des gestiegenen Bedarfs an erneuerbaren Energien und den vielfältigen Produktionsmöglichkeiten ist die Modellierung von geothermischen Systemen ein zentrales Thema in der heutigen Ingenieurspraxis. Nach nunmehr bereits 40-jähriger Forschung wurden viele Modelle vorgeschlagen und weltweit an verschiedenen Standorten zum Einsatz gebracht. Inzwischen sind durch gestiegene Rechnerleistung und genauere Observations- und Messverfahren effizientere numerische Methoden und Simulationen realisierbar, die heutzutage wirklichkeitsnähere Modellumsetzungen als in der Vergangenheit ermöglichen.
Das Ziel des Beitrags ist es, die neuere Entwicklung im Bereich der Modellbildung für die Gebiete der Potentialmethoden, des seismischen Prozessing sowie der Simulation von Fluid- und Wärmeflüssen in porösen und geklüfteten unterirdischen Systemen darzustellen. Die üblicherweise im Bereich industrieller Energieexploration und -produktion eingesetzten Verfahren wie Gravimetrie, seismische Migration und Inversionsmethode in Kombination mit kontinuierlichen und diskreten Strömungsmodellen für die Kontrolle und das Management von Reservoiren werden aufgeführt und ihre Wirksamkeit in zwei- und dreidimensionalen Anwendungen erläutert. Darüber hinaus werden instruktive numerische Beispiele präsentiert, die auch Nichtmathematikern die große Bedeutung der Mathematik als eine Schlüsseltechnologie in der geothermischen Forschung vermitteln, ohne dass hierfür ein tieferes Verständnis des zugrunde liegenden mathematischen Apparates erforderlich ist. Abschließend werden zukünftige Forschungsfelder geothermischer Anwendung beschrieben sowie relevante Perspektiven und Herausforderungen diskutiert.
Willi Freeden, Helga Nutz
5. Hydrothermale Nutzung
Zusammenfassung
Hydrothermale Nutzung erfolgt aus und in natürlichen Grundwasserleitern (Aquiferen), deren Durchlässigkeiten gegebenenfalls durch Stimulationen verbessert werden. In Deutschland und Österreich beschränkt sich die Erschließung derzeit auf Systeme mit niedriger Enthalpie. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Nutzungsanlagen ist neben dem Wärmeinhalt die Transmissivität des erschlossenen Aquifers. Als Untergrenze der Wirtschaftlichkeit ist eine Transmissivität von 2 × 10−4 m²/s anzusehen, dies entspricht einer notwendigen Pumpenleistung für die Förderung bzw. die Reinjektion eines Volumenstromes von 80 l/s in der Größenordnung von 700 kWel.
Der Malmaquifer im Süddeutschen und Oberösterreichischen Molassebecken unterliegt im Umkreis von München und im niederbayerisch‐oberösterreichischen Innviertel einer intensiven Nutzung bei hoher Anlagendichte. Der bewilligte kumulative Volumenstrom für Entnahme und Reinjektion der um die bayerische Landeshauptstadt gelegenen Projekte beträgt 1395 l/s. Dies entspricht bei einer einer Spreizung von 45 K einer thermischen Leistung von ca. 260 MW. Die hydraulisch‐thermische Modellierung mit einem 3D‐FE‐Modell wies die Raumverträglichkeit der Nutzungen und eine nur geringe gegenseitige Beeinflussung der Anlagen nach. Die thermischen Auswirkungen der Reinjektion beschränken sich auf die Nahreiche der jeweiligen Reinjektionsbohrlöcher.
Im niederbayerisch‐oberösterreichischen Innviertel ist eine ähnlich hohe Konzentration von hydrothermalen Anlagen gegeben wie im Großraum München. Die Thermalwasserbilanz in diesem Raum wird durch die Nettoentnahme von ca. 50 l/s für balneologische Anlagen bestimmt. Die Druckentwicklung von den 1970er bis Ende der 1990er Jahren zeigt das Bild eines überbeanspruchten Aquifers. Mit dem Einsetzen der Reinjektion der Geothermischen Anlagen konnte eine Stabilisierung der Druckverhältnisse erreicht werden.
Die größte geothermische Anlage in Niederbayern/Oberösterreich ist Simbach‐Braunau. Bei einem Anschlusswert des Fernwärmenetzes von 41,7 MW beträgt die Leistung der Geothermie 9,3 MW, der geothermische Anteil an der Jahresarbeit von ca. 62 GWh liegt jedoch zwischen 66 und über 70 %, was umso bemerkenswerter ist, da die Wellhead‐Temperatur 80,5 °C, die Netztemperatur jedoch 110 °C. Dies zeigt die besondere Stärke der Geothermie durch ihre Grundlastfähigkeit.
Die möglichst umfassende Nutzung der Geothermie durch eine Kaskadennutzung ist ein wesentlicher Beitrag zur Hebung der Wirtschaftlichkeit einer geothermischen Anlage. In diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse von hydraulisch‐thermischen Modellrechnungen von Bedeutung, welche die geringe laterale Ausdehnung der sich um die Reinjektionsbohrung ausbildenden Abkühlungsfronten bei geringer Abhängigkeit von der Reinjektionstemperatur zeigen.
Beispiele von umgesetzten Kaskaden im Oberösterreichischen Molassbecken und dem Steirischen Becken zeigen die Machbarkeit dieser Ansätze bei unterschiedlichen Fördertemperaturen.
Johann Goldbrunner
6. Petrothermale Nutzung und Stimulationsoptionen
Zusammenfassung
Petrothermale Reservoirs machen den weitaus größten Teil aller geothermalen Lagerstätten weltweit aus. Sie können in sehr unterschiedliche geologischen Formationen im kristallinen Basement, in sedimentären Becken und in Orogenzonen vorkommen. Gebunden an hydraulisch dichte, kristalline und sedimentäre Speichergesteine überwiegt dort der konduktive gegenüber dem konvektiven Wärmeübertragungsanteil. Seit 40 Jahren wurden an verschiedenen Standorten weltweit unterschiedliche Erschließungskonzepte mit zunehmender Tiefe realisiert. Als Stimulationsverfahren dienten dabei hydraulische, chemische und Stützmittel‐gebundene Technologien. Die Frack‐Operationen und die dazu verwendeten Einsatzstoffe bei den EGS‐Projekten in Soultz‐sous‐Forets, Groß‐Schönebeck und GeneSys, sowie zum hydrothermalen EGS‐Projekt in Landau werden quantifiziert. Druckwasser war dabei stets der Hauptträger des Stimulationsprozesses; daneben können Hilfschemikalien zum Einsatz kommen. Hierzu erfolgt eine Analyse der Umweltverträglichkeit, eine Abgrenzung zum Erdgasfracking und zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Verfahrens.
Rolf Bracke
7. Risikomanagement
Zusammenfassung
Jede wirtschaftliche Tätigkeit ist Risiken unterworfen, die dann zu unerwarteten Verlusten führen, wenn sie überraschend auftreten und diejenigen, die die wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unvorbereitet treffen. Das wohl gravierendste Risiko in der deutschen Geothermie ist das Fündigkeitsrisiko. Man geht davon aus, dass weltweit etwa 50 % aller Bohrungen zur Erschließung neuer Lagerstätten nicht fündig werden. Die „Fehlquote“ bei Geothermiebohrungen in Deutschland wird mit 20 bis 30 % deutlich geringer eingeschätzt. Intensive Vorbereitung unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Methoden, gründliche Auswertung aller vorhandenen Daten und realistische Abschätzung möglicher Restrisiken können die „Fehlquote“ weiter verringern. Gleichwohl bleibt ein Restrisiko, das den Investor eines einzigen Geothermiekraftwerkes stärker treffen kann als den Investor mehrerer Kraftwerke.
Hans Jacobi, Thomas Neu
8. Bohrtechnik für Tiefbohrung
Zusammenfassung
Die Wirtschaftlichkeit von Geothermieprojekten hängt von den Bohrkosten ab. Erst bei Teufen von 4000 m oder tiefer hat die Temperatur des geförderten Wärmeträgermediums einen akzeptablen Wert. Durch die großen Bohrteufen sind große Hakenlasten der Bohranlagen notwendig. Um die gewonnene Wärme wirtschaftlich nutzen zu können, müssen die Bohranlagen in der Nähe der Verbraucher (innerorts) installiert werden und sollten daher einen geringen Platzbedarf aufweisen. Weitere limitierende Faktoren für den Betrieb der Bohranlage innerorts sind: Schall- und Schadstoffemissionen, logistisches Verkehrsaufkommen, Platzbedarf, Anlagen- und Betriebssicherheit. Die geothermische Energiegewinnung erfordert den Einsatz der Tiefbohrtechnik für Bohrtiefen bis zu 6000 m, wie sie aus der Erdöl-Erdgas-Branche bekannt sind. Angewandt wird das jahrhunderte alte Rotary-Bohrverfahren, das sich in der Erdöl- und Erdgasindustrie als Standardverfahren etabliert hat. Bei dem Rotary-Bohrverfahren wird der Meißel unter Andruckbelastung gedreht und eine Spülflüssigkeit (Bohrspülung) verwendet, die die Aufgabe hat, das Bohrklein von der Bohrlochsohle nach Übertage zu transportieren und das Bohrloch abzustützen. Das Rotary-Bohrverfahren ist ein drehendes Bohrverfahren, das überwiegend im Sedimentgestein bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas angewendet wird und mit konstanter Meißelbelastung und kontinuierlicher Spülung arbeitet.
Catalin Teodoriu, Gioia Falcone
9. Bohrlochgeophysik
Zusammenfassung
Geophysikalische Bohrlochmessungen dienen der in situ Erfassung von gesteins‐ und bohrungsspezifischen Parametern. Für die „Tiefe Geothermie“ sind je nach System (Hydrothermal, Petrothermal, Erd‐Wärme‐Sonde) unterschiedliche Messungen erforderlich. Das minimale Messprogramm besteht aus einer Kontrolle der Zementation, der Ermittlung der wahren Lage der Bohrung, einer Messung der natürlichen Gamma Strahlung zur Korrelation von Bohrungen und zur Lithologiebestimmung sowie Messungen der Temperatur und der möglichen Fördermengen. Ergänzungen durch Scanner‐ und Porositätsmessungen sind für Hydrothermale‐ und Petrothermale Systeme erforderlich.
Das Vertical‐Seismic‐Profiling (VSP) dient dagegen der stratigraphischen Erkundung des Untergrundes im direkten Umfeld der Bohrung. Das Ziel ist die genaue Bestimmung der Tiefenlage geologischer Schichten sowie die Bestimmung der Ausbreitungsgeschwindigkeiten seismischer Wellen innerhalb der einzelnen Schichtpakete. Die Ergebnisse solcher VSP Messungen werden überwiegend zu Kalibrierungszwecken benötigt. Aus großräumigen 2D‐ oder 3D‐reflexionsseismischen Daten können somit möglichst genaue Geschwindigkeits‐Tiefen‐Modelle des Messgebiets generiert werden.
Olaf Brenner, Hans-Joachim Rübel
10. Modernes Projektmanagement
Zusammenfassung
Bei der Erstellung und der Inbetriebnahme eines Geothermiekraftwerkes sind Planungsbüros, Baufirmen, Bohrfirmen, Genehmigungsbehörden und die Öffentlichkeit beteiligt. Die optimale Umsetzung eines solchen Projektes mit der Steuerung der Bau‐Beteiligten, der Kostenplanung, der Terminplanung und der Risikobewertung erfordert ein eigenes Projektmanagement für den Bauherrn/Investor/Auftraggeber. Projektmanagement in diesem Sinne bedeutet Planung und Steuerung eines Geothermie‐Projektes für eine optimale organisatorische Umsetzung. Für die Umsetzung der Projektplanung und der Projektsteuerung ist der Projektsteuerer verantwortlich.
Die notwendigen Arbeitsaufgaben, der Arbeitsablauf und die verschiedenen Steuerungsaufgaben sollen daher kurz beschrieben werden.
Peter Böttcher
11. Umweltaspekte
Zusammenfassung
Die Umweltauswirkungen der in Deutschland möglichen Nutzung der Tiefen Geothermie werden auf Grundlage der Erfahrungen mit den wenigen in Betrieb befindlichen Pilotanlagen und aus Analogieschlüssen mit vergleichbaren und bereits etablierten Techniken abgeschätzt. Hierbei werden sowohl Einrichtung als auch Betrieb der unterirdischen Tiefen‐Geothermie Gewinnung und der oberirdischen Energienutzung/Weiterverarbeitung betrachtet. Nach kurzer Darlegung der gesetzgeberischen Aspekte werden die Auswirkungen bei Einrichtung und Betrieb der Tiefen‐Geothermie Gewinnung, insbesondere Bohrplatzproblematik, Induzierte Seismik, Aquiferveränderungen und Auswirkungen des Wasserverbrauchs diskutiert. Beim Betrieb der oberirdischen Energienutzungsanlagen werden neben den Auswirkungen von Fernwärme‐ und Stromtrassen hauptsächlich die Umweltprobleme durch Immissionen der Geothermiekraftwerke dargelegt.
Jochen Kubiniok
12. Seismizität
Zusammenfassung
Der Begriff Seismizität, der die Gesamtheit aller Erdbebenerscheinungen in einem Gebiet bezeichnet, wurde noch vor wenigen Jahren fast ausschließlich im Zusammenhang mit natürlich auftretenden Erdbeben verwendet, obwohl bereits seit langem bekannt ist, dass prinzipiell jeder Eingriff in den tiefen Untergrund zum Auftreten induzierter Seismizität führen kann. In diesem Beitrag werden einige Grundbegriffe der Seismologie erläutert und es wird erklärt, wie das Einbringen von Flüssigkeiten in den Untergrund zu induzierter Seismizität führen kann und welche physikalische Größen hierbei eine Rolle spielen. Insbesondere im Zusammenhang mit induzierter Seismizität ist es dabei wichtig zwischen Emissionen, den Vorgängen am Entstehungsort, und Immissionen, den Erschütterungen an der Erdoberfläche, zu unterscheiden, denn nur die Stärke der Erschütterung und insbesondere deren maximale Schwinggeschwindigkeit an einem Ort, entscheidet, ob die Erschütterung potentiell schädigend für ein Gebäude sein kann. Grundsätzlich ist eine geothermische Anlage so zu betreiben, dass keine Schäden durch induzierte Erschütterungen auftreten. Dies kann nur erreicht werden, wenn die induzierte Seismizität kontinuierlich überwacht und der Betrieb der Anlage hierauf abgestimmt wird. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Regelung von Injektionsrate oder Injektionsdruck über ein seismizitätsgesteuertes Reaktionsschema ein hierzu geeignetes Verfahren ist.
Ralf Fritschen, Horst Rüter
13. Explorationsstrategie tiefer geothermischer Ressourcen am Beispiel des süddeutschen Oberjuras (Malm)
Zusammenfassung
Der Oberjurassische Malm im tiefen Untergrund der Molasse ist seit über zehn Jahren im Fokus tiefer hydrothermaler Exploration. In dem vorliegenden Artikel wird der aktuelle Stand des Wissens aus hydrogeologischen und hydraulischen Untersuchungen an bisher 18 von der ERDWERK GmbH betreuten Geothermiebohrungen im Großraum München vorgestellt.
Diese weisen zunächst der lithofaziellen und diagenetischen Ausprägung der Malmkarbonate eine zentrale Rolle in der Funktion eines geothermischen Reservoirs zu. Als grundsätzlich gutes Reservoirgestein sind demnach massig ausgebildete Dolomite mit einer entsprechenden Matrixporosität und ‐permeabilität anzusprechen. Ungünstig kann sich in diesen aber die fortschreitende Diagenese mit dem Verschließen der Matrixporen durch Weiterwachstum der Dolomitkristalle auswirken. Neben der Matrixiporosität spielt eine flächenhafte bzw. lithofaziell orientierte und im Gebirgsmaßstab relevante Tiefenverkarstung eine wichtige Rolle. Verkarstung ist meist an lithofazielle Einheiten gebunden, Verkarstungshorizonte treten vermutlich in Verbindung mit Auftauchphasen und Sequenzgrenzen auf, die bisher im oberen und am Top zum mittleren Malm regelmäßig angetroffen wurden.
Den Störungen bzw. einer störungsgebunden Kluftpermeabilität, zu Beginn der Exploration in der Molasse die erklärten Bohrziele, muss heute aufgrund des häufig geringen hydraulischen Kontrastes zwischen Kluft‐ und der Matrixpermeabilität für die Reservoireigenschaften des Malm eher eine untergeordnete Rolle zugewiesen werden. Darüber hinaus ist im Hinblick auf die Hydraulik im Großraum München auch ein geographischer Trend zu erkennen: die flacheren, nördlichen Bohrungen zeigen weitgehend unabhängig von der lithofaziellen Positionierung generell bessere hydraulische Eigenschaften als die tieferen, südlichen. Ausschlaggebend hierfür ist vermutlich die deutlich ausgeprägte Verkarstung, aber auch eine geringere Diagenese der Karbonate sowie eine geringere horizontale Hauptspannung mögen hier eine Rolle spielen.
Das Resümee der hydraulischen Auswertung der Pumpversuche ist, dass ein lineares bzw. bileneares Fließen nur in einer der untersuchten Bohrungen dominant auftritt. Diese Beobachtung beinhalten dass, auch wenn Störungen angetroffen und geologisch nachgewiesen wurden, diese keine markanten hydraulischen Elemente mit höherer Permeabilität ausbilden. Die Matrixpermeabilität und Verkarstung steuert hauptsächlich die Produktivität der Bohrung. Ebenso wie größere Verkarstungserscheinungen erhöhen Störungen oder Störungszonen die Produktivität durch die verbesserte Anbindung an das Reservoir. Entsprechend muss sowohl bei der Prognose der Fündigkeit als auch bei der hydrogeologischen Modellierung Störungen eine Unsicherheit beigemessen werden.
Neben dem deutlich verbesserten Reservoirverständnisses spielen bei der Explorationsstrategie wirtschaftsgeologische Aspekte ein wichtige Rolle. Die Untersuchung der Bohrungen stellt eine für den Großraum München solide Datenbasis dar, die eine fündigkeitsoptimierte und bohrtechnisch risikominimierte Bohrplanung zulässt. Darüber hinaus ermöglicht es eine statistisch fundierte und auf die projektspezifischen Explorationsaktivitäten angepasste Fündigkeitsprognose.
Ulrich Steiner, Alexandros Savvatis, Franz Böhm, Achim Schubert
14. Explorationsstrategie tiefer geothermischer Ressourcen am Beispiel des Norddeutschen Beckens
Zusammenfassung
Das Norddeutsche Becken (NDB) hat die größten geothermischen Potentiale in Deutschland. Das liegt vor allem an seiner Größe aber auch an der vielerorts erhöhten Temperatur wasserführender Gesteinsschichten. Im Mittel steigt die Temperatur mit zunehmender Tiefe um 32 K pro km im NDB an. Lokal können es aber auch 40 bis 50 K pro km sein. Als Tiefengrundwasserleiter kommen vor allem mesozoische und untergeordnet auch permokarbone Sandsteine in Frage. Seit den 80‐er Jahren wurden eine Reihe von Geothermiebohrungen und ‐projekten realisiert, so zum Beispiel in Waren, Neubrandenburg, Neustadt‐Glewe oder Neuruppin. Des Weiteren sind eine Reihe balneologisch genutzter Bohrungen bekannt, wie in Bad Belzig, Bad Wilsnack oder Templin. Genannt seien auch der geothermische Wärmespeicher Neubrandenburg und die tiefe Erdwärmesonde in Prenzlau. Mit der Entwicklung dieser Standorte ist die Geothermie Neubrandenburg GmbH verbunden, welche die Projekte entwickelte und realisierte und an einigen Standorten bis heute betreut.
Die Exploration der Sandsteine erfolgt vor allem auf Basis einer großen Anzahl von Altbohrungen, die durch umfangreiche Bohr‐ und hydraulische Testdaten charakterisiert sind. Eine Korrelation zwischen den Bohrungen erfolgt vor allem durch Bohrlochmessungen und Reflexionsseismik. Neben dem Nachweis relevanter mächtiger Sandsteinhorizonte ist auch die Fazies der Sandsteine von großer Bedeutung. So sind für das Rotliegend fast ausschließlich die äolischen Sandsteine des südlichen Beckenrandes von Bedeutung. Im Mittleren Buntsandstein, welcher durch fluviatile Bildungen charakterisiert ist, sind es ebenfalls die Beckenränder, die sich durch mächtige, hoch durchlässige Sandsteine auszeichnen. Die Sandsteine des Keuper und Jura sind überwiegend in deltaischen Systemen abgelagert worden. Hier sind die Sandsteine der Rinnenfüllungen hydraulisch deutlich besser geeignet, als die Schichtsande. Eine detaillierte Vorerkundung standortkonkreter Bedingungen als auch die ordnungsgemäße Durchführung der Bohrungen und deren Tests sind für den Erfolg geothermischer Projekte im NDB wichtig.
Zunehmende Bedeutung gewinnen für das NDB auch die sogenannten Enhanced Geothermal Systems (EGS), welche u. a. mittels Multirisssystemen eine Nutzung tief liegender Gesteine zum Ziel haben. Tiefenlage und Strukturbau relevanter Gesteine lassen sich hierbei bedingt durch reflexionsseismische Untersuchungen ermitteln. Als wichtigste Horizonte sind die permokarbonen Vulkanite zu sehen, die teilweise Mächtigkeiten von mehr als 2000 m erreichen. Daneben sind die geringporösen Sandsteine und Quarzite des Paläozoikums ebenso potentiell geeignet, wie die geringporösen Schichten des Unteren Buntsandsteins. Erste Projekte in Groß Schönebeck, Horstberg und Groß Buchholz deuten einen großen Forschungsbedarf an, der für diese Systeme noch besteht.
Markus Wolfgramm, Matthias Franz, Thorsten Agemar
15. Genehmigungsverfahren von Geothermiekraftwerken
Zusammenfassung
Vorhaben der Tiefen Geothermie sind technisch komplexer Natur, die in den Genehmigungsverfahren vollständig abgebildet werden müssen. Die Problematik besteht darin, dass zu Beginn eines Vorhabens in der Regel kaum Informationen über die geologischen Rahmenbedingungen vorliegen. Die für die Errichtung eines Geothermiekraftwerkes erforderlichen Informationen werden peu á peu im Rahmen der geologischen Erkundung und der ersten Bohrung ermittelt. Diese stufenweise Vorgehensweise spiegelt sich in einer Folge von Genehmigungsverfahren wieder, die entsprechend aus verschiedenen gestuften Verfahren bestehen. Bei den Genehmigungsverfahren wird zwischen der Gewinnung der Erdwärme aus dem Erdinneren (Gewinnung) einerseits und der Nutzung der Energie zur Erzeugung elektrischen Stroms (Weiterverarbeitung) andererseits differenziert. Gewinnung und Weiterverarbeitung unterliegen jeweils unterschiedlichen Rechtsnormen. Aus diesen Gründen sind je nach Erkenntnisstand durch den Antragsteller die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Aufsuchung und Gewinnung bzw. die Genehmigung des Kraftwerksbetriebes und die jeweils diesbezüglichen Tätigkeiten zu erbringen. Im Wesentlichen sind daher die bergrechtlichen Verfahren und die baurechtlichen Verfahren zu unterscheiden.
Andreas Tschauder, Holsten Hübner, Edna Auer
16. Finanzierung
Zusammenfassung
Geothermie könnte auch in Deutschland einen Beitrag zur Energieversorgung und damit zur Energiewende leisten. Allerdings stellt die Finanzierung von Geothermieprojekten regelmäßig eine Herausforderung für die Initiatoren von Projekten dar. Dieser Fachbeitrag kann kein Patentrezept für die Finanzierung von Geothermieprojekten geben. Neben den derzeitigen Rahmenbedingungen werden die Charakteristik von Geothermieprojekten aus Finanzierungssicht im Vergleich zu anderen Projekten im Bereich erneuerbare Energien und sich daraus ergebende Anforderungen an die Projektentwicklung dargestellt.
Hanns-Joachim Garms
17. Fördermöglichkeiten
Zusammenfassung
Um die Umsetzung geothermischer Projekte zu forcieren, stellen die Bundesländer, Bundesministerien und die Europäische Kommission Fördermittel insbesondere für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Aufgrund der intransparenten Strukturen werden diese vielfach von Unternehmen nicht oder nicht sinnvoll in Anspruch genommen. Gegenstand des Fachbeitrags ist es, die grundsätzlichen Förderstrukturen und Rahmenbedingungen zu erläutern und den Marktakteuren darüber einen systematischen Einstieg in das Thema zu ermöglichen. Zudem werden die Entwicklung der Geothermie‐Förderung analysiert und künftige Schwerpunktthemen der Geothermie‐Förderlandschaft, soweit bekannt, erläutert.
Sonja Stockhausen
18. Tiefengrundwassercharakteristik und hydrochemische Untersuchung
Zusammenfassung
Die Analyse von Tiefengrundwässern geothermischer Erschließungen stellt einen kleinen, aber wichtigen Baustein auf dem Weg zur geothermischen Nutzung dar. Durch verschiedene chemische, physikalische und biologische Analysemethoden ergibt sich ein Bild, das die Grundlage für Aussagen über die Nachhaltigkeit des untertägigen Grundwassersystems, Korrosionsverhalten und Ausfällungsneigung des geförderten Grundwassers sowie die Auslegung des Thermalwasserkreislaufs und der Leistung der Energieerzeugungsanlagen zulässt. Je nach Reservoir zeigen die Tiefengrundwässer unterschiedliche Eigenschaften und Verhalten.
Jochen Schneider, Lena Eggeling, Annalena Hesshaus
19. Schädigung der Verrohrung und der Zementation geothermischer Bohrungen und Werkstoffempfehlungen
Zusammenfassung
Die Verfügbarkeit der geothermischen Kraftwerksanlage wird maßgeblich durch den Primärkreislauf beeinflusst. Während in den beiden übertägigen Kreisläufen (binäres Kraftwerk und Fernwärmeversorgung) ein definiertes Fluid zirkuliert wird, durchströmt den Primärkreislauf ein geothermales Fluid, mit teils hohem Schädigungspotential für die eingesetzten Werkstoffe.
Schädigungen des Primärkreislaufs können durch Korrosion, Ablagerungen, Erosion, mechanisch‐thermische Wechselbeanspruchung, Kavitation oder, bereits während der Herstellung, durch unsachgemäßen Einbau der Verrohrung und Zementation auftreten.
Diese Schädigungen gilt es zum einen durch die Wahl eines geeigneten Werkstoffes und zum anderen durch den Einsatz von Schutzeinrichtungen, wie beispielsweise Filter, vorzubeugen. Die Verfügbarkeit sowie die gesamte Lebensdauer der geothermischen Kraftwerksanlage kann durch die entsprechende Werkstoff‐ und Schutzeinrichtungswahl wesentlich gesteigert werden. Entscheidend ist hierbei das Kosten‐Nutzen‐Verhältnis der eingesetzten Lösung. Durch die Wahl von höherwertigen Werkstoffen oder Beschichtungen steigen zwar die Investitionskosten, jedoch verlängert sich die Lebensdauer der Anlage erheblich. Weiterhein können durch Beschichtungen die Betriebskosten wesentlich gesenkt werden.
Die Steigerung der Lebensdauer und Reduzierung des Druckverlustes können durch einen ganzheitlichen Ansatz bei der Planung der Verrohrung realisiert werden. Hierbei werden die lokalen Gegebenheiten, wie beispielsweise die Zusammensetzung des geothermalen Fluids, auf den Einsatz des entsprechenden Werkstoffs‐ und die Schutzeinrichtungen abgestimmt.
Carsten David Fichter
20. Hydraulische Untersuchungen
Zusammenfassung
Die Testung der Bohrung mittels hydraulischer Tests stellt einen entscheidenden Schritt vor der Inbetriebnahme der Bohrung dar. Sie bildet zunächst die Grundlage für die Entscheidung, ob das Ziel der Bohrung erreicht wurde oder ob weitere Intensivierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Wurde eine ausreichende Schüttung erreicht, so kann anhand der Testergebnisse eine genaue Dimensionierung der Übertageanlagen und der Pumpen erfolgen.
Nachdem diese allgemeinen Zielstellungen im Detail umrissen wurden, werden die unterschiedlichen üblichen hydraulischen Testverfahren im Detail erläutert. Im Anschluss werden die genehmigungsrechtlichen Aspekte für Testarbeiten dargestellt. Dabei spielen vor allem wasser- und bergrechtliche Belange eine zentrale Rolle.
Im Abschnitt ″Planung von Testarbeiten″ geht es zunächst um Betrachtungen und Erläuterungen zu den Fördermengen und Förderraten. Dies wird anhand von Beispielen erläutert. Danach werden die Aspekte hinsichtlich der Zusammensetzung des Thermalwassers erläutert. Insbesondere wird darauf eingegangen, welche Stoffe zu analysieren sind und welche für eine Ableitung kritisch sein können. Abschließend wird ein Werkzeug zur Optimierung des Thermalwassermanagements bei Testarbeiten vorgestellt.
Im anschließenden Kapitel Monitoring von Testarbeiten werden sowohl die über- als auch die untertägigen (im Bohrloch) Monitorigkomponenten vorgestellt und erläutert. Diese umfassen neben den genauen Aufzeichnungen von Druck, Temperatur und Volumenstrom auch die Thermalwasserqualität. Der Abschnitt Auswertung von Testarbeiten gibt einen kurzen Abriss zu diesem sehr komplexen und umfassenden Thema. Anhand von einfachen Beispielen werden Auswertungen von Pump- und Wiederanstiegstests dargestellt. Anschließend wird auf die für die Charakterisierung von Thermalwasserbohrungen wesentliche Größe Produktivitätsindex eingegangen. Dabei wird erläutert, durch welche Parameter dieser beeinflusst wird. Zur Illustration werden Beispiele von realen Tests dargestellt. Der Abschnitt schließt ab mit einem kurzen Überblick zu den Möglichkeiten zur Identifikation von Zuflusszonen. Neben den gängigen Verfahren wird insbesondere auch auf die Nutzung von probabilistischen Druckverlustberechnungen für diesen Zweck eingegangen.
Der Abschnitt ″Prognose von Fördertemperatur und Fördermenge″ gibt einen Überblick über die für diesen Zweck vorhandenen Möglichkeiten. Dabei werden neben komplexen Modell-basierten Ansätzen auch einfache Ansätze erläutert, die für eine Erstauswertung in der Regel ausreichend sind. Im Anschluss daran wird auf die Auswertung und Prognose mit Hilfe eines Bohrlochsimulators am Beispiel des Modells G.E.O.S.I.M. eingegangen, der die wesentlichen Prozesse im Bohrloch beschreibt, sowie die Kopplung mit einem Reservoirsimulator (bspw. ECLIPSE oder FEFLOW) zulässt.
Im abschließenden Abschnitt wird schließlich noch ein Überblick über verfügbare Software zur Auswertung von Pumpversuchen gegeben.
Wolfgang Alt, René Kahnt
21. Förderpumpen in der Geothermie
Zusammenfassung
Die Thermalwasserpumpe ist mitunter eine der wichtigsten Komponenten im Geothermiekraftwerk. Sie bildet die Schnittstelle zwischen dem untertägigen Bereich und dem obertägigen Kraftwerksbereich. Ohne die Pumpe besteht in Deutschland nicht die Möglichkeit, das notwendige Thermalwasser zu fördern. Zwar gibt es artesische Quellen, jedoch ist für die Förderung von Thermalwasser aus der Tiefe die Pumpe unabdingbar. Die Nutzung Tiefer Geothermie lässt sich im Wesentlichen in drei einzelne Segmente, die Stromerzeugung, die Wärmeversorgung und die balneologische Nutzung, aufteilen. Im Folgenden wird auf den Pumpeneinsatz in allen drei Bereichen eingegangen, da jede Umgebung jeweils mit ihren eigenen Bedingungen (unter anderem Temperatur, Schüttung) aufwartet.
Gerade die Pumpe ist als kritisches und kostenintensives Bauteil bei Heiz‐ und Heizkraftwerksprojekten anzusehen. Ein Ausfall der Pumpe zieht immer einen Stillstand der ganzen Anlage nach sich und erfordert teure Servicearbeiten, das heißt Bergung und Ausbau der defekten sowie Anschaffung und Einbau der neuen Pumpe. Neben den reinen Kosten für den Wechsel der Pumpe treten weitere Aufwendungen hinzu: an erster Stelle steht der Ausfall der Einnahmen aus der Wärme‐ und Stromeinspeisung gefolgt von der gleichzeitigen Bereitstellung von Wärme und Strom aus anderen Energiequellen (Öl), um gegebenenfalls Schadensersatzansprüchen von Wärmeabnehmern vorzubeugen. Im Bereich balneologischer Nutzung sind die Risiken geringer, da die Pumpen hier in der Regel weniger beansprucht werden.
Den hohen Anforderungen – besonders bei Strom‐ und Wärmeerzeugung bei Temperaturen über 100 Grad Celsius – an eine Pumpe stehen relativ wenige Hersteller gegenüber. Ihre Produktpalette für den deutschen Markt und ihre Erfahrungen im Hochleistungsbereich zum Einsatz der Pumpen sind bisher begrenzt, da im Moment nur wenige Projekte vor allem bei der Stromerzeugung realisiert sind.
Die an die Pumpen gestellten Aufgaben wurden in den letzten Jahren nicht erfüllt. Die ursprüngliche Annahme wurde nicht bestätigt, dass eine Anpassung der Förderpumpentechnologie aus der Kohlenwasserstoffindustrie an die Bedingungen der Tiefen Geothermie – vor allem im Bereich kommerzieller Stromerzeugung – mit geringem Aufwand erfolgen kann. Tatsächlich divergieren die Anforderungen an eine Pumpe im Bereich tiefengeothermischer Stromerzeugung im Vergleich zur Erdöl‐ und ‐gasindustrie erheblich. Daher muss das Ziel bleiben, eine Pumpe zu entwickeln, die in der Lage ist, bei hohen Temperaturen und großem Volumenstrom dauerhaft Leistung zur Verfügung zu stellen. Erste Ansätze zur Verbesserung dieser drei Faktoren wurden in der Vergangenheit schon durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gefördert, benötigen aber noch weitere, intensive Begleitforschungsmaßnahmen.
Aike van Douwe, Hubert Hegele, Peter Iberl, Ulrich Martin, Andreas Utz, Thorsten Weimann
22. Kraftwerkstechnik
Zusammenfassung
Die Wahl eines geeigneten Kraftwerkssystems in Abhängigkeit der Charakteristika der Ressource ist ein Schlüssel für eine effiziente geothermische Stromerzeugung. Im Fall von Hochenthalpie‐Lagerstätten ist es möglich, das Thermalwasser direkt als Arbeitsmedium zu nutzen. So kann entweder gesättigter Dampf unmittelbar in der Turbine entspannt und genutzt werden oder im Fall eines geförderten Zwei‐Phasen‐Gemisches durch den Einsatz von Flash‐Prozessen. Für Niederenthalpie‐Lagerstätten mit Thermalwassertemperaturen unter 200 °C, wie sie in Deutschland vorliegen, bedarf es binärer Kraftwerke. Hierbei handelt es sich um geschlossene Sekundärprozesse, auf die die thermische Energie des Thermalwassers übertragen wird. Als Kraftwerkstechnologien stehen der Organic Rankine Cycle (ORC) und der Kalina Cycle (KC) zur Verfügung. Diese Prozesse unterscheiden sich sowohl in der Prozessführung als auch in der Wahl des Arbeitsmediums. Neben den bereits umgesetzten Standardkonzepten existiert eine Vielzahl von Optimierungsansätzen, welche unter Berücksichtigung der geologischen Randbedingungen, zu einer signifikanten Effizienzsteigerung führen können.
Dieter Brüggemann, Florian Heberle
23. Wärmenutzung
Zusammenfassung
Tiefengeothermie ist grundlastfähig und im bayerischen Molassebecken eine verlässlich sprudelnde Energiequelle. Die Erdwärme Grünwald GmbH, ein rein kommunales Energieversorgungs‐Unternehmen der Gemeinde Grünwald im Landkreis München, nutzt diese Quelle in Laufzorn für die regenerative Fernwärme‐Versorgung und, ab der zweiten Jahreshälfte 2014, auch für die Erzeugung grünen Stroms. Das wärmegeführte Projekt heizt private Haushalte, Unternehmen, Kindergärten, Schulen und Seniorenheime in Grünwald und, über eine enge Kooperation mit der benachbarten Geothermiequelle Unterhaching, auch in Unterhaching. Die Quelle Laufzorn liefert aus über 4000 Meter Tiefe bis zu 130 Grad heißes Thermalwasser, die Wärmeleistung beträgt rund 50 MW. Das Geothermie‐Heizwerk Laufzorn basiert auf modernster Pumpen‐ und Wärmetauscher‐Technologie, den Betrieb managt die Bosch Energy and Building Solutions GmbH. Weitere Informationen unter www.​erdwaerme-gruenwald.​de.
Stefan Rothörl
24. Kommunikation und Akzeptanz
Zusammenfassung
Trotz ihrer unbestreitbaren Potenziale sehen sich Tiefe Geothermieprojekte einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit gegenüber. Die Einstellung vieler Menschen ist geprägt durch Angst vor seismischen Ereignissen und schwer einschätzbaren Risiken. Als Erfolg versprechend zur Steigerung der Akzeptanz haben sich neben umfassender, frühzeitiger und ehrlicher Kommunikation insbesondere Formen der direkten Bürgerbeteiligung und offene Dialoge über Chancen und Risiken Tiefer Geothermie erwiesen. Auch die Nutzung von Social Media kann neue Zielgruppen erschließen und die bewährten PR‐Instrumentarien sinnvoll ergänzen.
Markus Frey
25. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Zusammenfassung
In dem Beitrag wird in den ersten drei Kapiteln auf allgemeine Grundlagen zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz eingegangen, die gleichermaßen in allen Bereichen, wo Menschen arbeiten, Geltung haben. In den drei nächsten Kapiteln wird dann auf den Bereich Tiefe Geothermie fokussiert.
Der Verpflichtung zu Arbeits‐ und Gesundheitsschutz können sich kein Unternehmer, keine Führungskraft und kein Mitarbeiter entziehen. Die Ziele des Arbeits‐ und Gesundheitsschutzes gehen in den meisten Unternehmen – so auch im Bereich Tiefe Geothermie – heute weit über die Vermeidung oder zumindest die Verminderung von Verletzungen infolge von Arbeits‐ und Wegeunfällen mit oftmals einhergehenden Sachschäden, anerkannten und entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten, verminderter Leistungsfähigkeit bzw. befristetem Arbeitsausfall der Beschäftigten durch arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren hinaus.
Die Erfahrung zeigt, dass in die Produktion integrierter Arbeits‐ und Gesundheitsschutz bei richtiger Vorgehensweise Wertschöpfung und damit Wettbewerbssteigerung zur Folge hat. Es geht damit über die Erfüllung der moralischen, sozialen und gesetzlichen Verpflichtung zur menschengerechten Gestaltung von Arbeit hinaus bis zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit sowie einer Förderung des internen und externen Images des Unternehmens.
Arbeits‐ und Gesundheitsschutz bei Tiefer Geothermie ist nichts „Besonderes“, hat aber seine Besonderheiten, auf die entsprechend zu achten ist.
Mathias Bauer
26. Geothermiebranche Deutschland
Zusammenfassung
Alles ist Energie und Energie ist alles. Unsere Gesellschaft, unser Wohlstand und unsere Lebensverhältnisse hängen von Energie ab. Diese Energie wird in riesigen Mengen in Deutschland verbraucht. Heizungen, Kühlschränke, Computer, Klimaanlagen und Licht wären lahmgelegt, sollte keine Energie zur Verfügung stehen. Einen Teil dieser Verfügbarkeit stellt die Tiefe Geothermie. Ob die Versorgung von Wärme, Kälte oder Strom.
Doch wie sieht der Markt der Tiefen Geothermie tatsächlich aus? Welche Marktteilnehmer beteiligen sich an der Wertschöpfungskette Tiefe Geothermie? Welche Herausforderungen stellen sich für die Tiefe Geothermie um einen größeren Anteil am Primärenergieverbrauch in Deutschland zu erreichen?
Die Grundzüge der Geothermiebranche werden erörtert. Durch Befragungen der einzelnen Unternehmen, die sich im Marktsegment der Tiefen Geothermie bewegen wurden Perspektiven, Herausforderungen und Ziele der Branche evaluiert.
Um gerade die Perspektive aus Unternehmersicht herauszufinden, wurden die Meinungen der Branche über die zukünftige Ausrichtung erfragt. Dabei wurde deutlich, dass eine realistische Einschätzung der Unternehmen zum Wachstum und Anteil der Geothermie am Markt der erneuerbaren Energien vorhanden ist. Jedoch nur mit bestimmten begleitenden Faktoren sei dies möglich. Hier spielen Erfahrungswerte anderer Projekte eine enorme Rolle. Je mehr Projekte umgesetzt werden, desto mehr Erfahrungen bestehen. Nur darf dabei nicht vergessen werden, diese Erfahrungen auch auszutauschen und zugänglich zu machen. Ein weiterer Faktor ist die Entwicklung des Erneuerbaren‐Energien‐Gesetzes. Die kommende Novellierung steht 2014 vor der Türe.
Hier ist für die Branche ein Vertrauensschutz durch die Politik, sowie eine Akzeptanz in der Bevölkerung von hoher Bedeutung, um die Tiefe Geothermie weiter an dem Ausbauprozess der Energiewende zu beteiligen. Als heimische, lokal genutzte Energieform bietet sie Versorgungsunabhängigkeit aufgrund ihrer Ungebundenheit an wetterbedingte Faktoren. Gerade diese dezentrale Nutzungsmöglichkeit ist der ausschlaggebende Grund, weshalb die Branche in einem neuen Energiemarktdesign mit den drei Energieformen Strom, Wärme und Kälte eine wichtige Rolle in der Zukunft sieht.
Hubert Hegele, Erwin Knapek
27. Geothermie weltweit
Zusammenfassung
Der globale Geothermiesektor wuchs in den letzten Jahren kontinuierlich und beständig. Geothermieressourcen werden in 78 Ländern genutzt, sowohl direkt als Wärmelieferant für landwirtschaftliche und industrielle Prozesse, balneologische Anwendungen, Wärme‐ und Kälteversorgung als auch zur Stromerzeugung. Die fünf Länder mit der höchsten installierten Kapazität sind die USA, China, Schweden, Norwegen und Deutschland. Regionen mit erhöhten Wachstumstrends liegen in Zentral‐ und Südamerika, vor allem in Ländern der Andenkordillere, in Ländern entlang des ostafrikanischen Rifts (Kenia, Äthiopien, Tansania, Ruanda) und in den bekannten asiatischen Geothermieländern wie Indonesien, Philippinen und Japan.
Marietta Sander
28. Ausblick: Herausforderungen, Chancen und Perspektiven
Zusammenfassung
Die geothermische Energie ist ein wichtiger Baustein bei zunehmendem Bedarf an erneuerbarer Energieproduktion. Tiefe Geothermie bedeutet eine gesicherte und stabile Grundversorgung an Strom und Wärme. Den Vorteilen (z. B. saisonale Unabhängigkeit von Wetterphänomenen, lokale Produktion, umweltfreundlicher Charakter, optisch-unauffälliger, geringer Flächenbedarf, optimale Energieausnutzung durch Kraft-Wärme Kopplung) steht als kritisches Moment die Minderung des Fündigkeitsrisikos gegenüber, deren dezentrale Bewältigung nur auf der Basis von Wissenschaftlichkeit und verstärkter Forschungstätigkeit gelingen kann. Speziell in Deutschland sind Anreize der Finanzierbarkeit und ein Interessenmanagement zur Schaffung sozio-politischer Akzeptanz als Chancen und Herausforderungen dringend geboten.
Mathias Bauer, Willi Freeden, Hans Jacobi, Thomas Neu
Backmatter
Metadaten
Titel
Handbuch Tiefe Geothermie
herausgegeben von
Mathias Bauer
Willi Freeden
Hans Jacobi
Thomas Neu
Copyright-Jahr
2014
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-54511-5
Print ISBN
978-3-642-54510-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-54511-5