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17.12.2012 | IT-Strategie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Was ist dran am Fachkräftemangel?

verfasst von: Peter Pagel

3:30 Min. Lesedauer

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Wenn über den deutschen IT-Arbeitsmarkt berichtet wird, ist regelmäßig auch vom drohenden Fachkräftemangel die Rede. Doch nur selten werden die Kennzahlen der Komplexität des Themas gerecht.

An Daten zum Arbeitsmarkt herrscht in Deutschland wahrlich kein Mangel: Behörden, Arbeitgeber- und Branchenverbände, Hochschulen und sonstige Institutionen – es gibt zahlreiche Quellen, auf die sich die Berichterstattung zum Thema stützt. Dabei trägt die Vielfalt der Erhebungen nicht zwangsläufig zu mehr Klarheit bei. Professor Dr. Peter Mertens vom Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik I der Universität Erlangen-Nürnberg hat die gängigen Befunde zur Beschäftigungssituation von IT-Fachkräften analysiert. Auch er kommt zu dem Ergebnis, dass langfristig ein struktureller Mangel an IT-Fachleuten droht. Gleichzeitig offenbart der Blick auf die Realität hinter den Daten, dass die typischen Kennziffern wie Arbeitslosenstatistik, Stellenangebote sowie Studienanfänger und -abbrecherzahl nur begrenzt aussagekräftig sind. Der Grund hierfür sind Verzerrungen und Überschneidungen, die aus den unterschiedlichen Systematiken der Einzelerhebungen resultieren. Zwei Beispiele: So lassen sich aus den Beschäftigtenzahlen der IT-Branche nur bedingt Rückschlüsse zum künftigen Bedarf an IT-Spezialisten ziehen, weil in diese Kategorie auch zahlreiche administrative und kaufmännische Tätigkeiten eingerechnet werden. Ebenso sind die zur Ausbildungssituation von Informatikern gerne herangezogenen Daten rund um die so genannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) oft zu weit gefasst, um daraus verlässliche Trends in einzelnen Disziplinen ableiten zu können.

Weiche Faktoren nicht angemessen berücksichtigt

Neben den Problemen bei der rein summarischen Darstellung von Arbeitsmarkttrends verweist Mertens in seiner Analyse auf eine Reihe weicher Faktoren, die sich statistisch kaum abbilden lassen, wohl aber zu den vorhandenen Engpässen am IT-Arbeitsmarkt beitragen. So deuten verschiedene Indizien wie Aussagen von Arbeitgebern, Meldungen der Krankenkassen sowie Umfragen zur Work-Life-Balance unter Führungskräften und Berufseinsteigern darauf hin, dass die Bereitschaft von Leistungsträgern zu dauerhaften Überstunden abnimmt. Weiterhin kritisch zu sehen ist auch die Situation rund um die Ausbildung von IT-Spezialisten. So stieg zwar für das Studienjahr 2011 die Zahl der Erstsemester um 18 Prozent (auf knapp 50 000) an. Und die im Zuge der Studienreform verkürzten Ausbildungszeiten sorgen für einen früheren Berufseintritt von Informatikern. Viele Arbeitgeber beklagen jedoch, dass die zunehmende Praxisferne des Studiums verstärkt betriebliche Kapazitäten bindet, weil Nachwuchskräfte erst zeitaufwändig eingearbeitet werden müssen. Vor diesem Hintergrund mehren sich die Stimmen, die für eine verstärkte Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, etwa aus dem Süden oder Osten Europas, werben. Auch hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass Planspiele auf Basis von Arbeitslosenquoten und vakanten Stellen noch nichts darüber aussagen, wie schnell sich kulturelle und sprachliche Barrieren überbrücken lassen. Vielmehr weist Mertens auf die Gefahr hin, dass günstigere Arbeitsbedingungen im Ausland sogar zu einer Abwanderung von Fachkräften aus Deutschland führen könnten.

Lösungsansatz mit vielen Variablen

Schon die genannten Beispiele machen deutlich, dass es keine pauschale Lösung für die drohenden Engpässe in der ITK-Branche geben kann. Der BITKOM schlägt entsprechend eine Strategie vor, die sich auf die Anwerbung ausländischer Spezialisten, die verstärkte Qualifizierung weiblicher Arbeitskräfte, die Senkung der Abbrecherquote im Studium sowie eine frühzeitige Integration des Themas Informatik an Schulen stützt. Alle vier Ansätze sind zweifelsohne wichtig, um die Situation am Arbeitsmarkt zu verbessern. Der Blick auf die Realität hinter den Zahlen zeigt aber auch, dass sich die Branche weiteren Herausforderungen stellen muss: Dazu gehört etwa die regelmäßige Weiterbildung von Mitarbeitern, um Know-how im Unternehmen zu halten, die Flexibilisierung von Arbeitsmodellen, um die Branche für Frauen interessant zu machen, die gezielte Qualifizierung von Quereinsteigern oder auch die Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen (Löhne, Kinderbetreuung, Unterstützung bei der Eingliederung etc.), die den Standort Deutschland für ausländische Spitzenkräfte aufwerten würde. Nicht zuletzt ist ein seriöser Umgang mit dem vorhandenen Datenmaterial erforderlich, um geplante Qualifizierungsoffensiven optimal auf den vorhandenen Bedarf abzustimmen.

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