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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

Kompetenzentwicklung für selbstgesteuertes Arbeiten im Homeoffice

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Zusammenfassung

Arbeiten im Homeoffice unterliegt, obwohl Abläufe und Aufgaben scheinbar analoge Merkmale aufweisen, anderen Gesetzmäßigkeiten als die Vorortarbeit im Unternehmen. Selbst da, wo diese scheinbar ohne große Friktionen ins Homeoffice verlagert werden kann, ist die neue Arbeitsform nicht dieselbe, da sich für die Erreichung von Arbeitszielen Verantwortlichkeiten in Richtung Beschäftigte verlagern. Die Verantwortung für adäquate Rahmenbedingungen liegt bei den betrieblichen Akteuren, doch wird sie in der Praxis zumeist an die Prozessakteure im Homeoffice delegiert: die betroffenen Mitarbeiter*innen. Und dafür benötigen diese Kompetenzen – hier sind die Unternehmen gefordert, und zwar dahingehend, eine frühzeitige, umfängliche und partizipative Umsetzungsstrategie zu entwickeln.

1 Einführung

Arbeiten und Homeoffice – ein Begriffspaar, welches insbesondere seit knapp zwei Jahren eine steile Karriere absolviert hat. Vom verordneten Instrument zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, in dem die Politik einen pragmatischen, teils aber auch aktionistischen Ansatz zur Vermeidung von Virusinfektionen entdeckt hat, über ein – durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales en passant proklamierten und dann letztendlich 2020 im Gesetzgebungsverfahren gescheitertes Vorhaben1 für ein zukünftiges Grundrecht auf Homeoffice. Dieses konnte sich von der Reduzierung auf die pandemischen Rahmenbedingungen nicht lösen und behauptete damit prinzipiell einen eher ungeregelten Anspruch auf ein (zumindest anteiliges) Homeoffice mit der Chance einer besseren Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatzeit.
Arbeiten im Homeoffice ist allerdings nicht nur die (verordnete) räumliche Verlagerung von bisher an einem betrieblichen Arbeitsplatz erbrachten Tätigkeiten in eine häusliche, durch digitale Arbeitsgeräte mit dem Unternehmen vernetzte Arbeitsumgebung. Vielmehr ist diese Form eines ortsflexiblen Arbeitens ein wesentlich komplexerer Prozess mit Indikationen auf die Aufhebung bestehender vertraglich fixierter Rahmenbedingungen. Grundlage ist in jedem Fall die unternehmerische Entscheidung – ausgedrückt in der Disposition von Arbeitgebenden über den Arbeitseinsatz der abhängig Beschäftigten und damit auch über die Bedingungen der Anwendung ihrer Arbeitskraft, in welchem arbeitsorganisatorischen Modell auch immer (vgl. Marsden 1999): betrieblich präsentes oder mobiles Arbeiten. Diesen grundsätzlichen Aspekt betont auch die Stellungnahme des Präsidenten des IT-Interessensverbandes Bitkom Achim Berg gegen die gesetzlich geplante Pflicht zum Homeoffice, weil es „keinem Unternehmer oder Manager…gefallen (wird), wenn der Staat so tief in seine unternehmerische Freiheit eingreift und ihm vorschreibt, wo und wie seine Mitarbeiter zu arbeiten haben“ (Bitkom e. V.-2 2021) und daher die „Entscheidung über die Arbeitsform…prinzipiell bei den Arbeitgebern verbleiben (sollte)“ (Schindlbeck 2021). Stattdessen setzt der Bitkom-Verband in dieser Frage auf eine durch „steuerliche Anreize“ (Schindlbeck 2021) geförderte Einsicht der Unternehmen.
Was ist es eigentlich genau, dieses (Arbeiten im) Homeoffice mit seinem behaupteten Potenzial für das „Neue Normal“? In der im August 2020 in Kraft getretenen SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel definierte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) „Homeoffice … als Form der mobilen Arbeit, die nicht in einer Arbeitsstätte gemäß § 2 Absatz 1 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) oder an einem fest eingerichteten Telearbeitsplatz gemäß § 2 Absatz 7 ArbStättV im Privatbereich des Beschäftigten ausgeübt wird“ (BMAS 2021,  S. 14). Durch eine solche arbeitsrechtliche Einstufung der Erwerbsarbeit von Zuhause ergeben sich Konsequenzen in Bezug auf die Gestaltung der Arbeitsplätze und die Pflichten der verordnenden Unternehmen. Letztere fallen für wesentliche Aspekte von Homeoffice nämlich rechtlich einfach weg. Erfolgt die häusliche Tätigkeit hingegen im Rahmen von Telearbeit mit arbeitgeberseitig fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplätzen im Privatbereich der Beschäftigten und für die Dauer einer solchen Tätigkeit fest vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeiten, ist ausschließlich der/die Arbeitgeber*in für die Ausstattung (Mobiliar, Arbeitsmittel, Kommunikationseinrichtungen) zuständig. Diese gesetzliche Verantwortlichkeit gibt es bei der Arbeit im Homeoffice als besondere Form des mobilen Arbeitens nicht. In beiden Fällen besteht für den/die Arbeitgeber*in jedoch zu mindestens die Verpflichtung, alle notwendigen Maßnahmen zum Arbeitsschutz zu ergreifen.
Trotz der Absicht von Politik und Gewerkschaften, Homeoffice zukünftig als alternative und mit Rechtsansprüchen ausgestattete Arbeitsform zu etablieren, und trotz der positiven Erfahrungen während der Pandemie bei den unterschiedlichen Beteiligten, weisen neueste Untersuchungen darauf hin, dass hier eine eher rückläufige Entwicklung zu erwarten ist.
So wurde das Potenzial für Homeoffice-taugliche Arbeitstätigkeiten oft überschätzt; es liegt nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit knapp 43 % bei weniger als der Hälfte aller sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten in Deutschland (vgl. Bellmann et al. 2020). Zudem erfolgte die Anwendung dieser mobilen Arbeitsform bereits vor der Pandemie in einem deutlich geringeren Umfang. So lag nach einer Panelbefragung der Hans-Böckler-Stiftung der Anteil der Arbeitnehmer*innen, die vor der Corona-Krise überwiegend oder ausschließlich zu Hause arbeiteten, bei gerade einmal 4 %, stieg dann im ersten Lockdown im April 2020 auf 27 % und fiel danach zwischenzeitlich wieder ab. Im Januar 2021 arbeitete dann wiederum jede/r vierte Beschäftigte im Homeoffice (vgl. Emmler und Kohlrausch 2021, S. 5).
Nach einer repräsentativen Betriebsbefragung („Betriebe in der Covid-19-Krise“) des IAB unter monatlich ca. 1500 bis 2000 Betrieben wollen nur ca. 20 % aller Unternehmen, in denen es prinzipiell Möglichkeiten gibt, Tätigkeiten auch im Homeoffice auszuführen, nach der Corona-Pandemie diese Möglichkeiten erweitern. Ergänzend dazu gaben zwei Drittel der Unternehmen an, den „Einsatz dieser Arbeitsform nach der Pandemie auf das vorherige Niveau zurückzufahren“ (Bellmann et al. 2021, S. 5). Und ein Zehntel aller Betriebe will darüber hinaus den Einsatz von Homeoffice sogar absenken, insbesondere auch aufgrund der Einschätzung der Betriebe, dass „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder auch Führungskräfte nicht über die notwendigen Fähigkeiten (verfügen), ihre Arbeit in angemessener Weise auch von zu Hause aus…erledigen (zu können)“ (Bellmann et al. 2021, S. 7). Zu korrespondierenden Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des Digitalverbandes Bitkom e. V. (2021-1) in die gut 600 Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten einbezogen wurden. Von den befragten Unternehmen will gut ein Viertel Homeoffice nach der Beendigung der Corona-Krise vollständig abschaffen, 45 % diese Möglichkeit reduzieren, 23 % auf dem jetzigen Niveau halten und nur 4 % diese Form mobilen Arbeitens ausbauen. Nach einer weiteren repräsentativen Studie, einer Yougov-Umfrage im Auftrag von LinkedIn unter 2000 Führungskräften aus elf Ländern fürchten in Deutschland 37 % der Befragten negative Folgen für Ihr Unternehmen durch die Ermöglichung von Homeoffice – und das ist im Ländervergleich der zweithöchste Wert. Größte Befürchtung der deutschen Führungskräfte ist demnach, dass „dass Mitarbeiter, die nicht im Büro sind, ihrer Arbeit nicht nachgehen“ (LinkedIn Corporation 2021).
Vielleicht repräsentieren diese Ergebnisse aber auch nur die Perspektive von Unternehmen, die Homeoffice anbieten mussten und dieses nicht nur positiv beurteilten. Die von mehr als einem Drittel der betrieblich Verantwortlichen geäußerte Skepsis in Bezug auf ein mobiles Arbeitsformat mag sich zum Teil Vorurteilen über die Arbeits- und Leistungsbereitschaft von (nicht unter präsenter Aufsicht stehenden) Arbeitnehmer*innen verdanken. Es kann aber auch sein, dass der gesetzlich verordnete und durch die Unternehmen umgesetzte „Wurf“ ins Homeoffice nicht adäquat vorbereitet, begleitet und gecoacht wurde – z. B. in Hinblick auf die Anforderungen an die Selbststeuerung und das Selbstmanagement der betroffenen Beschäftigten und diese in der Konsequenz mit der Realisierung allein gelassen wurden – mit all den zugehörigen Belastungen. So boten nach einer Befragung der DAK-Gesundheit (2021) Anfang 2021 nur 13 % aller Unternehmen Schulungen zur Arbeit im Homeoffice an.
Unternehmen, die Homeoffice zukünftig als zusätzliche Arbeitsform etablieren wollen, wären daher gut beraten adäquate Umsetzungsstrategien zu entwickeln, die explizit die Bildung der erforderlichen Kompetenzen der Mitarbeiter*innen mit einbeziehen. Um eine solche Strategiebildung zu modellieren, werden im Folgenden die Ergebnisse des Projekts FlexiGesA2 aus dem Bereich von IT-Dienstleistungen einbezogen.
Hier zeigte sich, dass nicht nur die betrieblich Verantwortlichen, sondern auch die Beschäftigten oftmals die Herausforderungen eines Arbeitens im Homeoffice unterschätzen, von der Einrichtung des häuslichen Arbeitsplatzes bis hin zur Einbindung des beruflichen in das private Leben. So übernahmen sie oftmals in der Übergangsphase der Abordnung in das Homeoffice die anfallenden Aufwendungen (Anschaffung zwar nicht adäquater, aber doch irgendwie ausreichender Arbeitsmittel wie Hard-, Soft- und Netware) selbst – weil es eben die Arbeitgeber*innen in der Regel nicht taten. Da es zumeist zunächst keine arbeitgeberseitige Begleitung bei der technischen und organisatorischen Umsetzung gab, wurde in vielen Fällen eine gegenseitige Unterstützung im Kreis der ebenfalls betroffenen Kolleg*innen realisiert- als informelles Wissensmanagement.
Der Beitrag behandelt in fünf Themenbereichen die bisherige Praxis der Überführung von Tätigkeiten in das Homeoffice im Kontext der gesundheitspolitisch begründeten Verpflichtung für Unternehmen in der Corona-Pandemie und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für alle Beteiligten. Dazu werden zunächst die mobile Arbeitsform Homeoffice charakterisiert und die Einschätzungen der Akteure für eine optionale zukünftige regelhafte Nutzung beleuchtet. Der zweite Teil fokussiert die (unterschätzten) Herausforderungen des Arbeitens in der häuslichen Sphäre – dies umfasst die betroffenen Arbeitnehmer*innen ebenso wie die verantwortlichen Führungskräfte in den Unternehmen. Daran anschließend werden mit dem Schwerpunkt auf Kompetenzbildungsprozesse proaktive Umsetzungsstrategien vorgestellt für eine nachhaltige Einbindung von Homeoffice in ein mögliches arbeitsorganisatorisches Gesamtmodell von Unternehmen. In einem Resümee werden dann die Ergebnisse in Hinblick auf die zukünftige Umsetzung zusammengefasst und in einer abschließenden Reflexion weiterführende Fragestellungen skizziert.

2 New Order? Herausforderungen für ein Arbeiten im Homeoffice

Für Beschäftigte, die in das Homeoffice geschickt werden, ergeben sich multidimensionale Herausforderungen, die sich je nach individueller Disposition bzw. Ressourcenlage unterschiedlich tief in die private Sphäre auswirken. In der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel wird zwar ein Anspruch an die Verantwortlichkeit und diesbezüglich insbesondere auch die Führungskompetenz der betrieblichen Leitungskräfte formuliert, die sich sowohl auf die Gewährleistung des Gesundheitsschutzes für die betroffenen Arbeitnehmer*innen bezieht als auch auf deren Kompetenzbildung für den Umgang mit dem Übergang resp. dem Eindringen von Erwerbsarbeit in ihre Privatsphäre. Der Einbezug der Verantwortungsebenen erscheint dabei zwar selbstverständlich, doch werden weder Umsetzungsstrategien operationalisiert noch werden Umsetzungsinstrumente benannt. Dabei sind die Herausforderungen eines so einfachen und selbstverständlich erscheinenden, letztendlich aber doch voraussetzungsvollen Wechsels zwischen den Arbeitsformen zu beachten.
Ein wesentlicher Aspekt ist die Auflösung der inhaltlichen Trennung zwischen Arbeits- und Privatsphäre als Entgrenzung mit der inhärenten Tendenz zur Selbstausbeutung durch unentgoltene Mehrarbeit. So weist der aktuelle „DGB-Index Gute Arbeit“ nach, dass Grenzverschiebungen im Homeoffice eher zum Regelfall geworden sind, wenn etwa „unbezahlte Arbeit außerhalb (der) normalen Arbeitszeit“ (DGB 2021, S. 5) bei fast jedem/jeder dritten Heimarbeiter/in anfällt, dreimal häufiger als am betrieblichen Arbeitsplatz (10 %). Korrelierend wird dazu in weiteren Studie belegt, dass die tägliche Arbeitszeit bei einem Drittel der Homeworker bis in die späten Abendstunden oder in das Wochenende hinein schwappt, dies aber „nur 3,1 Prozent der ‚Inhouse-Beschäftigten‘“ (Westheide 2020, S. 31) betrifft. Darüber hinaus scheint es den Beschäftigten mit zunehmender Dauer der Heimarbeit immer schlechter zu gelingen, ihre üblichen Arbeitszeiten einzuhalten, wie Erhebungen des WSI ergaben. Die Zustimmungswerte sanken demnach kontinuierlich von 76 % im Juni 2020 auf 71 % im Januar 2021 (Ahlers et al. 2021, S. 17). Dies scheint eine Konsequenz von selbst bestimmten Verschiebungen in der Work-Privacy-Balance zu sein. Solche zeitlichen Verschiebungen von Erwerbsarbeit können wiederum in Widerspruch geraten zu Erwartungen von Familienangehörigen, das Wochenende und die Abendstunden als erwerbsarbeitsfreie Zeit gemeinsam zu gestalten.
Eine weitere Belastung besteht auch darin, in der arbeitsfreien Zeit nicht abschalten zu können, weil im Homeoffice eine eher überdurchschnittliche Erreichbarkeit über E-Mail bzw. Telefon erwartetet wird. Eine so entgrenzte zeitliche Verfügbarkeit kann überdies die Erholungsfähigkeit von Beschäftigten beeinträchtigen (vgl. Ahlers et al. 2021, S. 17).
Daneben stellen räumliche Grenzen des Arbeitens im Homeoffice durch die in vielen Haushalten beengten Wohnverhältnissen eine wesentliche Herausforderung dar, die die oben angeführte fehlende inhaltliche Trennung zwischen Erwerbsarbeit und privater Lebensführung physisch untermauern. Die betrieblich verortete Erwerbsarbeit entfiel pandemiebedingt als Ausweichmöglichkeit aus beengten Wohn- bzw. sozialen Verhältnissen.
Grundsätzlich trifft die Anforderung einer individuellen Selbstorganisation mit ihrer konsequenten Abtrennung der Arbeit im Homeoffice auf (familiäre) Ansprüche. Hier vermischen sich vorher getrennte Arbeits- und Privatwelten. die trotz Absprachen oftmals an ihre Grenzen geraten und neue Konfliktfelder eröffnen Die scheinbare Autonomie einer selbstbestimmten zeitlichen Abstimmung familiärer Dispositionen (Privataufgaben, wie Kinderbetreuung, Abholung Schule, Kita etc.) sind im Homeoffice in Bezug auf die Notwendigkeiten von Erwerbsarbeit nicht oder nur sehr schwer im familiären Umfeld kommunizier- und durchsetzbar.
Daneben wird beim Arbeiten im Homeoffice auch das Fehlen regelmäßiger sozialer Kontakte im beruflichen Kontext als Defizit empfunden. Nach neuesten Studien dienen solche Kontakte sowohl als Stimulans für Arbeitskreativität als auch als Zugehörigkeitsrahmen (vgl. Becke et al. 2022; DAK-Gesundheit 2021; Heitmann et al. 2020) und wirken somit in der Verlängerung auch als wesentliches Regulativ im Kontext der Ergebnisqualität von Arbeit.
Auch die Herausforderungen für die Führungskräfte müssen adäquat berücksichtigt werden – nicht nur wegen ihrer in der SARS-Verordnung explizit zugeschriebenen Bedeutung für ein Gelingen der Homeoffice-Maßnahmen – sondern auch gerade, um die eigene Kompetenzentwicklung ebenso zu befördern wie die der Beschäftigten. Dies betrifft beispielsweise die Fähigkeit, über Distanz zu führen – also eingespielte und akzeptierte Kommunikations- und Kontrollroutinen des Präsenzarbeitens in digital gestützte Arbeitsprozesse zu überführen. Dazu gehört auch der Umgang mit befürchteten Kontrollverlusten über Mitarbeitende bei deren selbstorganisierter Arbeit im Homeoffice. Dabei ist die „zentrale Herausforderung für Organisationen…die gute Balance zwischen Rahmen, Struktur und Sicherheit auf der einen Seite und der Flexibilität auf der anderen Seite“ (Haufe 2021, S. 4), und hier spielt betriebsseitiges Vertrauen eine wesentliche Rolle.

3 Umsetzungsstrategien für eine regelhafte Einbindung von Homeoffice

Ob sich ein Arbeiten im Homeoffice perspektivisch als paralleles oder sogar gleichrangiges Arbeitsformat etablieren wird, hängt zunächst wesentlich von der betrieblichen Entscheidung ab, inwieweit ein solches Arbeiten geeignet ist, zumindest die gleiche, wenn nicht sogar eine höhere Produktivität zu gewährleisten. Diese Bewertung bezieht sich nicht nur auf den Output der Arbeit (Quantum, Effizienz), sondern auch auf die Rolle der Arbeitnehmer*innen in einem solchen Konstrukt: Akzeptanz, Motivation, Leistungsbereitschaft und nicht zuletzt auch Kompetenz. So erweist sich diese Form des ortsflexiblen Arbeitens als ein wesentlich komplexerer Prozess, der, wie aktuelle Studien zeigen, in ein hybrides Konzept zukünftigen Arbeitens eingebunden werden sollte. So weist eine Studie des Fraunhofer Instituts nach, dass der Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen positive Ergebnisse in Bezug auf Produktivität und Kreativität (vgl. Bockstahler et al. 2020) befördert.
Auch die Erfahrungen im Projekt FlexiGesA zeigen, dass insbesondere die direkte Kommunikation und Kooperation zwischen Kolleg*innen sowie zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften im Betrieb viele Potenziale für eine gute Arbeits- und Ergebnisqualität bietet (vgl. Becke et al. 2022). Wenn also Unternehmen Homeoffice unabhängig von der Corona-Krise systematisch einbinden wollen, sollten zwingend hybride Arbeitsmodelle mitgedacht bzw. entwickelt werden, die einen regelmäßigen Wechsel zwischen Arbeiten im Büro und im Homeoffice vorsehen.
Damit Beschäftigte ihren arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten und Aufgaben in alternierenden Arbeitskontexten gesundheitserhaltend und qualitätsgesichert nachkommen können, sind komplexe Rahmenbedingungen sicherzustellen.
Ein wesentlicher Faktor ist dabei eine möglichst hohe Akzeptanz für eine solche Arbeitsform bei allen Beteiligten (Mitarbeitende, Unternehmensführung, Führungskräfte, Kund*innen) zu erreichen. Zudem sind die arbeitsrechtlichen und den Arbeits- und Gesundheitsschutz betreffenden Aspekte adäquat zu berücksichtigen. Nicht zuletzt gilt es, auch den betrieblichen Ansprüchen an eine mindestens gleichwertige Qualität der Arbeitsergebnisse gerecht zu werden.
Personalverantwortliche sollten daher idealerweise frühzeitig eine Umsetzungsstrategie entwickeln, die die unterschiedlichen Prozessphasen von Planung, Vorbereitung und Etablierung eines anteiligen Arbeitens im Homeoffice berücksichtigt.
Dabei liegt die Verantwortung für die Vorbereitung und Herstellung der arbeitsorganisatorischen, technischen und gesundheitlich präventiven Maßnahmen zunächst auf betrieblicher Seite (Arbeitgeber, Personalverantwortliche, betriebliches Gesundheits- und Arbeitsschutzmanagement). Falls in Unternehmen auch eine Mitarbeitervertretung bzw. ein Betriebsrat vorhanden ist, sollte diese in diesen Prozess von Anfang an eingebunden werden. Dadurch können Belange der Mitarbeitenden besser berücksichtigt und der Rückhalt für das Arbeiten im Homeoffice in der Belegschaft gestärkt werden.
Die Durchführung der arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungen – die eigentliche Arbeit im Homeoffice – erfolgt dann weitestgehend eigenverantwortlich durch die Beschäftigten. Hierfür sollten allerdings im Vorfeld betriebliche Unterstützungsstrukturen eingerichtet werden, die die neuen Herausforderungen des Arbeitens von Zuhause berücksichtigen und für die betroffenen Beschäftigen transparent und auch in einer zukünftigen etablierten Arbeit im Homeoffice verlässlich verfügbar sind. Dies betrifft unterschiedliche Aspekte:
  • Selbstorganisation
    • Selbstregulation der eigenen Person (z. B. Pausen, Arbeitszeiten)
    • Familienregulation (Trennung Arbeits- und Familienzeitkorridore)
    • Arbeitsstrukturen (z. B. Zeitpläne, Routinen, Honorierung täglicher Arbeitsleistung)
  • Gesundheitsprävention
    • Ergonomische Grundlagen
    • Stärkung von Gesundheitsressourcen (z. B. Entspannungsübungen)
    • Belastungsvermeidung (psychische Stressoren), z. B. Zeiten ungestörten Arbeitens
    • Selbstachtsamkeit: Belastungsgrenzen
    • Einbindung in die betriebliche Gesundheitsförderung
    • Einbindung des Arbeitens im Homeoffice bzw. hybrider Arbeitsmodelle in das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung
  • Außenkontakte
    • Soziale Sichtbarkeit im Kolleg*innenkreis (z. B. regelmäßige face-to-face-Meetings)
    • Interne Kommunikationsintervalle (gemeinsame virtuelle und Präsenzräume)
    • Beruflicher und privater Erfahrungsaustausch (z. B. virtuelle Kaffeepause)
  • Qualifikationserhaltung
    • Fachliche Unterstützung und Austausch
    • Förderung von Kompetenzbildung bei Homeoffice-Beschäftigten
    • Technischer Support
  • Wertschätzung mobiler Arbeit
    • Betonung der Zugehörigkeit zu einem Unternehmen (Sinnhaftigkeit/-stiftung)
    • Wertschätzendes Feedback durch Führungskräfte
    • Kommunikation mit Vorgesetzten (Regelangebote, z. B. virtuelle Sprechstunden)
    • Verlässliche Absprachen im Team, zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften
    • Kommunikative Unterstützung bei externen Kunden (z. B. Erreichbarkeitsregelungen)
In welcher Form und in welchem Umfang das Arbeiten im Homeoffice dann praktiziert werden soll, hängt zwar wesentlich von der strategischen Bedeutung ab, die diesem Arbeitsformat zukünftig im Unternehmen zukommen soll, doch ergeben sich aus einer prozessorientierten Perspektive grundsätzlich drei Phasen des Übergangs:
1.
In einer Planungsphase sollte analysiert werden, welche Aufgabenbereiche Potenzial für die Bearbeitung im Homeoffice aufweisen und welcher Interventionsaufwand in Bezug auf die benötigten Ressourcen (technisch, räumlich, qualifikatorisch etc.) für die Gestaltung erforderlich ist. Darauf aufbauend sollten partizipative Gespräche mit den Mitarbeitenden geführt werden, die für einen Übergang in das Homeoffice ausgewählt wurden. Die Entscheidungsfindungen sollten jedoch in eine grundsätzliche Strategie zur Bedeutung (und damit des Anteils) der zu verlagernden Tätigkeit eingebunden werden. Geht es um eine dauerhafte Verlagerung von Arbeiten ins Homeoffice oder soll das Modell eines alternierenden Arbeitens zwischen Betrieb und Homeoffice eingeführt werden. Bei diesen vorbereitenden Ermittlungen der erforderlichen Handlungsfelder kann eine Checkliste zum gesundheitsförderlichen Arbeiten im Homeoffice als Analyseinstrument genutzt werden.
 
2.
In der anschließenden Einführungsphase sollten dann zunächst die erforderlichen Homeoffice-Arbeitsbedingungen konsolidiert werden, d. h. Räumlichkeiten optimiert, geeignete Arbeitsmittel beschafft sowie technische und kommunikative Infrastrukturen eingerichtet werden. Um einen „guten“, d. h. motivierenden und damit auch nachhaltigen Einstieg bzw. Übergang der Beschäftigten in das (anteilige) Homeoffice zu gestalten, sollten begleitend dazu Einführungsveranstaltungen durchgeführt werden. Als passendes Format kann hier das FlexiGesA-Interventionsinstrument „Coaching-Workshop“ eingesetzt werden (vgl. Becke et al. 2021).
 
3.
In der eigentlichen Nutzungsphase können die Coachings-Workshops dann bedarfsbezogen als reflexive Elemente der o. g. betrieblichen Unterstützungsstrukturen dienen, um die Arbeitszufriedenheit und damit auch die Ergebnisqualität zu verstetigten.
 
Coaching-Workshops können also als ein wichtiges Instrument für das Empowering für den Übergang von Arbeitnehmer*innen in das Homeoffice eingesetzt werden, da sie fundamental zum Aufbau und zur Stärkung von Selbstorganisationskompetenzen bei Beschäftigten beitragen. Sie vermitteln einerseits Grundlagen(wissen) zu rechtlichen und arbeitspsychologischen Rahmenbedingungen als Basis für die eigenständige Anpassung der Arbeit im Homeoffice und fokussieren darüber hinaus die selbsttätige Abstimmung von Arbeits- und Privatleben, die bei diesem Arbeitsformat die wesentliche Rolle spielt.
Hier sind betriebliche Akteure aus verschiedenen Kontexten (Personalentwicklung, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Arbeitsschutz, Betriebsrat) als Moderierende gefragt, um entsprechende Fortbildungsformate für Arbeitsbedingungen, Strukturierung der Arbeit und Kommunikationsstrukturen zu kreieren.
So können betriebliche Unterstützungsmöglichkeiten (z. B. finanzielle Zuschüsse, technische und gesundheitliche Beratungen) kombiniert werden mit der Einbindung des Erfahrungswissens der Beschäftigten (z. B. Erkenntnisse der Arbeitsabläufe aus einem „Normalarbeitstag“ im Betrieb). In einem solchen Modell versuchen die Teilnehmenden, diese Strukturen auf den Arbeitstag im Homeoffice zu adaptieren und erstellen daraus ein Modell zur Strukturierung (Übernahme von Routinen, Möglichkeiten für informellen kollegialen Austausch; gesunde Arbeitszeiten im Homeoffice). Die Moderator*innen kommunizieren die Ergebnisse in den für die Organisation und Begleitung des Übergangs in das Homeoffice zuständigen Gremien (Geschäftsleitung, Führungskräfte, Personalabteilung). Nach einem Einführungsworkshop, der einen Überblick über die Herausforderungen und Lösungsansätze geben soll, könnten in nachfolgenden Workshops spezielle organisatorische und fachliche Thematiken behandelt werden, wie z. B. die (Weiter)Entwicklung kommunikativer Strukturen für einen regelmäßigen Austausch in hybriden Arbeitsstrukturen oder Möglichkeiten eines digital gestützten kollaborativen Arbeitens in Projekten.

4 Fazit

Arbeiten im Homeoffice ist nicht nur eine digital gestützte Übersetzung des analogen Arbeitens im Büro. Büro deswegen, weil hauptsächlich diese Tätigkeiten in einen häuslichen Kontext verlagert werden können. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben mit der mehrfach verordneten „Homeoffice-Pflicht“ eine Art Experimentierraum geschaffen, in dem unter laborähnlichen Bedingungen eine zunehmend umfangreichere Evaluation durch die Wissenschaft erfolgte. Zusammenfassend wird dieser Arbeitsform von allen Beteiligten eine gute Note erteilt: Unter dem Strich zeigen sich Arbeit gebende und Arbeitnehmende positiv überrascht über die scheinbar friktionslose Überführung von Tätigkeiten in die häusliche Sphäre. Verschiedene aktuell erschienene Studienergebnisse (vgl. DGB 2021, Ahlers et al. 2021) weisen jedoch darauf hin, dass diese rosa Brille bei unterschiedlichen Aspekten des Arbeitens im Homeoffice besser abgesetzt werden sollte.
So gibt es in einem Teil der Unternehmen eine Unsicherheit oder sogar ein grundsätzliches Misstrauen den Mitarbeitenden gegenüber, erstens dahingehend, ob diese im nicht kontrollierbaren Homeoffice auch in voller Gänze ihren beruflichen Aufgaben nachgehen und zweitens, ob sie in Bezug auf betriebliche Qualitätsansprüche an die Ergebnisse dazu überhaupt kompetent genug sind. Auf diesen Einschätzungen basieren dann auch betriebliche Planungen, den Einsatz von Homeoffice zukünftig zu reduzieren bzw. als Regelangebot einzustellen. Arbeitnehmende hingegen bezahlen die scheinbar größere Autarkie bei der Selbstbestimmung ihrer Work-Privacy-Balance in vielen Fällen mit einer Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit bis in die späten Abendstunden und wie zudem neueste Studien nachweisen mit einer Zunahme an psychischen Belastungen, z. B. in Form depressiver Symptome (vgl., Krummenacher 2021; Lengen et al. 2021; WirtschaftsWoche 2021). Und unter dem Gesichtspunkt von Ergebnisqualität, für die gerade in vielen Berufen der IT- und Wissensdienstleistungen Kreativität eine wichtige Rolle spielt, sind je nach Eignung der häuslichen Arbeitssituation und in Abhängigkeit von der Dauer des Arbeitens im Homeoffice Abstriche zu beobachten.
Summa summarum verweisen die bisherigen Erfahrungen darauf, dass der Wechsel vom betrieblichen Arbeitsplatz in eine häusliche Arbeitsumgebung ein eher multikomplexer Prozess ist. Dieser sollte insbesondere seitens der Unternehmen entsprechend vorbreitet und gecoacht werden, damit die betroffenen Mitarbeitenden, aber auch die zuständigen Führungskräfte in ihrer Schnittstellenfunktion adäquate Kompetenzen ausbilden können. Als wesentliches Unterstützungsinstrument könnten „Coaching-Workshops“ (vgl. Becke et al. 2021, S. 39) für die Beschäftigten fungieren, wie sie im Projekt FlexiGesA exemplarisch entwickelt wurden. Grundlage dafür ist jedoch die vorbreitende Analyse der erforderlichen technischen, organisationalen und qualifikatorischen Bedarfe auf Basis einer betrieblichen, möglichst prozessorientierten Strategie für die Überführung von Beschäftigten in das Homeoffice. Checklisten, anhand derer die mehrdimensionalen Handlungsfelder, Prozesse, Aufgaben und Zuständigkeiten ermittelt werden, könnten hier als Analyseinstrumente eingesetzt werden. Dafür sind aufseiten der Organisation ausreichende Zeitressourcen zu veranschlagen.
Korrespondierend zu den Empfehlungen in unterschiedlichen Studien weisen auch die Erfahrungen im Projekt FlexiGesA darauf hin, dass insbesondere die direkte Kommunikation und Kooperation zwischen Kolleg*innen sowie zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften im Betrieb viele Potenziale für eine gute Arbeits- und Ergebnisqualität bietet. Wenn Unternehmen also Homeoffice unabhängig von der Corona-Krise systematisch nutzen möchten, sollten daher hybride Arbeitsmodelle mitgedacht bzw. entwickelt werden, die einen regelmäßigen Wechsel zwischen Arbeiten im Büro und im Homeoffice vorsehen.

5 Weiterführende Forschungsansätze

Für die zukünftigen Arbeitsverlagerungen in das Homeoffice ergeben sich auf Basis der Vielzahl inzwischen vorliegender Studien zu den unterschiedlichen Aspekten häuslichen Arbeitens mehrere Fragestellungen:
Das betrifft beispielsweise den Komplex der Entlohnung, in dem z. B. in der IT-Branche bisher die Interessen von zumeist Arbeitgeber*innen ohne Mitgliedschaft in tarifgebundenen Verbänden und individuellen Arbeitnehmer*innen aufeinandertreffen und gewerkschaftliche Aktivitäten wie Tarifverhandlungen eher Seltenheitsstatus haben. In diesem Feld melden sich seit einigen Monaten erste Unternehmen zu Wort, die eine Lohnsenkung für Beschäftigte im Homeoffice vorschlagen (z. B. Google) bzw. teils medienunterstützt offensiv einfordern (vgl. Fischer 2021) und dafür unterschiedliche Gründe (beispielsweise Wegfall von Pendlerkosten, geringere Mietkosten in peripheren Wohnlagen etc.) in Anschlag bringen. In der IT-Branche spielen zudem Tagessätze, die für die präsente Arbeit bei externen Kund*innen als Berechnungsgrundlage anfallen, eine wichtige Rolle. Je nachdem, wie sich die Auftraggeber*innen zu verringerten Präsenzzeiten der IT-Dienstleister in ihren Unternehmen(sbereichen) stellen, kann dies den finanziellen Druck auf Beschäftigte im Homeoffice erhöhen. Die Befragungen im Projekt FlexiGesA unter IT-Außendienstmitarbeiter*innen zeigten zwar, dass die externe Kundschaft zum damaligen Zeitpunkt in den allermeisten Fällen keine Abstriche an den Vergütungsregelungen thematisierte, jedoch befanden sich alle Akteure quasi über Nacht in einem „verordneten Versuchslabor“. Ob diese Einstellung jedoch in einer IT-Arbeitswelt, die in Teilen mehr durch hybride Arbeitsformate geprägt sein könnte, Bestand haben wird oder ob für das Arbeiten im Homeoffice ein neuer Boden für dessen Bezahlung eingezogen wird, ist heute noch unklar. Der Frage nach einer Anpassung von Vergütungen ist jedenfalls schon in der Welt.
Eine weitere Thematik im Kontext hybriden Arbeitens bezieht sich auf die Kompetenzentwicklung und eine damit verbundene Personalentwicklung samt persönlichen Karriereoptionen von Beschäftigten. Dies betrifft insbesondere die Sichtbarkeit von Mitarbeiter*innen bzw. ihrer Interessen, Wünsche und Ambitionen im betrieblichen Alltagsgefüge. Auch nur teilweises Arbeiten im Homeoffice reduziert informelle Kommunikationsstrukturen (Flurfunk, kurze Wege, offene Türen) und hebt damit die Schwelle, eigene Ansprüche zu formulieren – und die dann überspitzt formuliert auch noch zeitlich synchronisiert an den oder die zuständige Führungskraft zu adressieren. Auch scheinen sich die „Konkurrenzbedingungen“ zwischen den präsent- und den remote-arbeitenden Beschäftigten etwas zu polarisieren, wenn etwa „Teams schneller in Subgruppen zerfielen“ und dafür „mögliche Sollbruchstelle (die) zwischen Mitarbeitenden in Präsenz und solchen, die im Homeoffice arbeiten“ (Lanzke 2021, S. 2) verantwortlich gemacht werden.
Der Großteil der bisherigen Studien über die staatlich verordnete Homeoffice-Pflicht in der Pandemie beziehen sich entweder auf deren zukünftige Erweiterungspotenziale und Durchführungsqualität, auf arbeitsschutzrechtliche Regelungen und in einigen Fällen auch auf die Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmer*innen. Die meisten Ansätze nehmen aber eine rein unternehmerische Perspektive ein – z. B. im Zusammenhang mit der Durchsetzung, ob auf Grundlage des Weisungsrechts der Arbeitgeber*innen Homeoffice einfach angeordnet werden kann und ob sich Arbeitnehmer*innen weigern können. Auch in der Neufassung des Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind nach § 28 b Abs. 4 erstere verpflichtet, Beschäftigten mit Bürotätigkeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten ein Homeoffice-Angebot zu machen, welches diese grundsätzlich annehmen müssen, sofern ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Als Gründe gelten z. B. mangelnde räumliche und technische Gegebenheiten in der Wohnung. Für die Ablehnung „genügt eine formlose Mitteilung des Beschäftigten, dass seine persönlichen Umstände Homeoffice nicht zulassen“ (BMAS 2022, S. 14) – was aber aufgrund der vorhandenen Abhängigkeitsverhältnisse wahrscheinlich nicht immer so einfach umzusetzen ist wie es klingt.
Obwohl damit scheinbar eindeutige rechtliche Regelungen vorliegen, stellt sich die Frage, welchen Anteil dabei eigentlich Arbeitnehmer*innen einnehmen, die wegen Nichteignung der persönlichen Umstände Homeoffice-Angebote ihrer Arbeitgeber*innen ablehnen und ob diese Meldungen auch konfliktfrei akzeptiert werden. Ergibt sich durch die gesetzlichen Regelungen, die mögliche Auseinandersetzungen in dieser Frage auf die Ebene Arbeitgeber*in/Arbeitnehmer*in verlagert, ein neues Konfliktpotential in Bezug auf Interessendurchsetzung, Wirkungsmacht und Abhängigkeit? Wenn ja, wie sehen dann die Ergebnisse aus? Auch könnte eine Untersuchung in Bezug auf die Quantitäten „ungeeigneter persönlicher Umstände“ Auskunft darüber geben, welche häuslichen Verhältnisse in der jetzigen Form nicht für Homeoffice-Arbeit taugen und damit vielleicht auch das – zumeist auf betrieblicher Ebene erhobene – „noch nicht zur Gänze ausgeschöpft(e)“ (Bellmann et al. 2020, S. 5) Potenzial für eine zukünftige Ausweitung dieser Arbeitsform näher zu beleuchten.
Zudem sind die politischen Vorgaben in Bezug auf die Umsetzung des verordneten Homeoffice zwar eindeutig formuliert, die diesbezüglichen Konflikte werden aber auf die Auseinandersetzungsebene zwischen Betrieb und Individuum verlagert.
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Fußnoten
1
Die Verordnung zum Arbeiten im Homeoffice bezog sich 2020 zunächst allein auf Aspekte der Pandemie-Eindämmung und änderte auch 2021 nicht den Fokus (vgl: SARS Covid Arbeitsregeln 2021).
 
2
Verbundprojekt „Flexible Dienstleistungsarbeit gesundheitsförderlich gestalten“ (FlexiGesA). https://​www.​flexigesa.​de/​.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Ahlers, Elke, Sandra Mierich, und Aline Zucca. 2021. Was wir aus der Zeit der Pandemie für die zukünftige Gestaltung von Homeoffice lernen können. In WSI Report Nr. 65, April 2021. Düsseldorf. Ahlers, Elke, Sandra Mierich, und Aline Zucca. 2021. Was wir aus der Zeit der Pandemie für die zukünftige Gestaltung von Homeoffice lernen können. In WSI Report Nr. 65, April 2021. Düsseldorf.
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Metadaten
Titel
Kompetenzentwicklung für selbstgesteuertes Arbeiten im Homeoffice
verfasst von
Andreas Friemer
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37055-8_11