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02.06.2022 | Krisenmanagement | Interview | Online-Artikel

"Zulieferer müssen ihr Geschäftsmodell optimieren"

verfasst von: Andrea Amerland, Christiane Köllner

4 Min. Lesedauer

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Die Automobilzulieferer stehen unter enormen Druck. Gebeutelt von aktuellen Krisen, muss die Branche die Transformation ihrer Geschäftsmodelle bewerkstelligen. Springer Professional sprach mit Restrukturierungs-Experte Johann Georg von Hülsen über die größten Herausforderungen. 

Elektrifizierung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung setzen neben den Automobilherstellern gerade auch die Zulieferer unter Druck. Welche Risiken und Herausforderungen sehen Sie hier insbesondere für Zulieferer?

Johann Georg von Hülsen: Die gesamte Zuliefererbranche sieht sich seit einigen Jahren mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert – sowohl, was die Digitalisierung als auch die gesetzlichen Anforderungen an eine nachhaltige Produktionsweise anbelangt. Hinzukommt bei all denjenigen Unternehmen, die im Segment Antriebsstrang tätig sind, dass sie ihr Portfolio angesichts der Elektromobilität anpassen müssen. Das heißt, sie benötigen zum einen neue Produkte und müssen zum anderen möglichst flexibel auf die sich wandelnden Anforderungen der OEMs reagieren. Möglich ist dies in der Regel nur, wenn die Erträge aus dem alten Geschäft für die Finanzierung der notwendigen Transformation genutzt werden.

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Zusammen genommen lässt sich für die Branche also eine dreiteilige Herausforderung feststellen: Zulieferer müssen ihr Geschäftsmodell hinsichtlich des Produktportfolios, der Produktionseffizienz als auch hinsichtlich der Anforderungen an die Nachhaltigkeit optimieren. Gelingt ihnen dies nicht, werden sie ein erhebliches Vermarktungsrisiko haben und gegebenenfalls keine Neuaufträge mehr generieren.

Sind die OEMs in dieser schwierigen Lage eher Partner oder Hemmschuh?

Die OEMs sind in dieser Situation definitiv nicht der Hemmschuh. Schließlich wollen und müssen auch sie ihre Produkte an den neuen Anforderungen von Markt und Gesetz ausrichten. Auf der anderen Seite darf aber auch das Wort 'Partner' an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden. Schließlich verhalten sich OEMs gegenüber den Zulieferern nicht wirklich gleichgesinnt. Vielmehr geben sie ihre Forderungen in der Regel unmittelbar an die Zulieferer weiter, ohne dabei den damit verbundenen zeitlichen Aufwand, geschweige denn den Investitionsbedarf zu berücksichtigen. Sie agieren aus meiner Sicht daher eher als Treiber der Transformation der Zulieferer – im positiven wie auch negativen Sinne.

Warum setzt den Mittelständlern im Zulieferermarkt die aktuelle Krise besonders zu?

Hier muss ich die Gegenfrage stellen: Ist das tatsächlich der Fall, dass die großen Zulieferer keine Probleme mit der aktuellen Krise haben? Ich denke nicht. Natürlich haben die größeren Player am Markt per se eine deutlich ausgeprägtere Markt- und damit Verhandlungsmacht. Das schützt sie jedoch nicht vor denselben Herausforderungen, mit denen sich auch die KMU der Branche stellen müssen. Und letztlich ist es in der Regel ja auch so, dass die mächtigeren Zulieferer allein aufgrund ihrer Größe auch ein Vielfaches an Investitionen tätigen müssen, um die Transformation erfolgreich zu bestehen.

Was sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren für die Restrukturierung der Zulieferer?

Für den Erfolg einer Restrukturierung ist entscheidend, dass jedes Unternehmen aktiv für operative Excellenz sorgt. Daneben ist ein möglichst überzeugendes Transformationskonzept gegenüber den Kunden unabdingbar – eines, das im Idealfall auch schon erste Umsetzungserfolge vorweisen kann und die wesentlichen wirtschaftlichen Kriterien zur langfristigen Finanzierungsfähigkeit nachweist. Und genau dafür benötigen die Zulieferer schließlich wieder die OEMs als Partner, damit diese ihnen eine gewisse Stabilität auf Auftragsseite ermöglichen.

Wie wird sich die Zahl der Restrukturierungen in Zukunft entwickeln und welche Konsequenzen hat das für die Branche? 

Das hängt davon ab, wie sich die aktuellen Krisen entwickeln. Viele Zulieferer sind ausgezehrt – von der Corona-Pandemie, dem Chip-Mangel, der Rohstoffknappheit und dem Ukraine-Krieg wurde und wird der Markt von vielen Krisen erschüttert, deren Ausgang ungewiss ist. Darüber hinaus droht mit dem Lockdown in Shanghai der nächste Versorgungsengpass. Die Frage ist angesichts dessen: Welche Zulieferer werden überhaupt weiter unterstützt? Aus meiner Sicht sind dies die Marktteilnehmer, die ein schlüssiges Transformationskonzept haben. Also einen Plan, der von Kunden, Finanzierern, Gesellschaftern und Mitarbeitern unterstützt wird. Umso wichtiger ist es, jetzt die richtigen Weichen für diesen Wandel zu stellen und sich frühzeitig Gedanken über ein wettbewerbsfähiges Produktportfolio zu machen. Letztendlich kann die seit Jahren andauernde Krise dann sogar eine Konsolidierung des Marktes zur Folge haben.

Wie sieht es mit dem M&A-Geschäft beziehungsweise der Kompetenz auf diesem Gebiet bei OEMS/der Autobranche aus?

Ganz grundsätzlich gilt: Größere Krisen sorgen stets für größere Aktivitäten am Restrukturierungsmarkt und damit auch beim M&A-Geschäft. Jedoch ist eine Transaktion immer nur dann möglich, wenn das zu übernehmende Unternehmen ein wirtschaftlich sinnvoller Übernahmekandidat ist. Bei diesem Prozess sind die OEMs insgesamt recht wenig beteiligt, sie sind also nicht diejenigen, die den M&A-Prozess unmittelbar bei den Zulieferern vorantreiben. Sie nehmen aber die Rolle des Auftraggebers ein, der im Falle einer soliden Preis- und Kostenstruktur die langfristige Ertragskraft der Zulieferer sichert – insofern kann man sie durchaus als wichtigen Baustein innerhalb dieses Business Cases bezeichnen.  

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