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27.05.2015 | Marketing + Vertrieb | Schwerpunkt | Online-Artikel

Hurra, wir haben schon 15 Facebook-Fans!

4:30 Min. Lesedauer

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Nicht jeder Marketing-Hype ist sinnvoll. Und schon gar nicht für jedes Unternehmen. Manchmal macht es aber Sinn, die scheinbar gesetzten Standards zu hinterfragen, findet Springer-Autor und Unternehmensberater Heino Hilbig. Er plädiert für neue Verantwortlichkeiten im Marketing.

Während ich noch über einen Einstieg zu dieser Kolumne grübele, läuft auf meinem üblichen Radiosender ein kurzer Bericht über einen Besuch der Kanzlerin. Ziel ist diesmal jedoch kein Regierungschef in Ostasien, sondern eine mecklenburgische Fischbude namens ‚Fisch 13‘. Besonders erwähnenswert war für die Radiokollegen neben der dortigen Spezialität „Pflaumenaugust“ – ein Fischbrötchen mit Pflaumenmus – die eigene Facebook-Seite der Fischbude, die dank des auch von "BILD"-Online gemeldeten Kanzlerinnenbesuchs inzwischen schon mehr als 800 Fans hat.

Nun ist es unzweifelhaft eher selten, dass (a) die Kanzlerin oder ein ähnlich prominenter Besuch je einen Imbiss besucht, es (b) dort eine berichtenswerte Eigenart wie den Pflaumenaugust gibt, dies (c) von begleitenden Journalisten aufgegriffen wird und das Ganze so (d) zu einem nennenswerten medialen Echo führt. Ein Glücksfall also, der einem kleinen Imbiss sensationelle 800 Likes eingebracht hat – haben doch nach einer kurzen Stichprobe die meisten der Fischbuden-Kollegen auf Facebook in der Regel eher einstellige Abonnement-Zahlen aufzuweisen.

Virale Erfolge im Social Web purer Zufall?

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Die Frage ist aber doch, ob der Küchenchef auf einen solchen Zufall hat setzen dürfen – oder ob das Engagement bei Facebook ohne diesen Zufall sich jemals irgendwie ausgezahlt hätte. Eine Frage, die sich eigentlich jedes Unternehmen stellen müsste, bevor und natürlich auch während es in den sozialen Netzen aktiv ist. Denn eines ist klar: Kostenlos ist so ein Engagement eben nicht, auch wenn man für Herrn Zuckerbergs Leistung selbst (noch) nichts bezahlen muss.

Neben der von Fachleuten so häufig angemahnten Qualität der Beiträge spielt nämlich auch ein quantitativer Aspekt eine entscheidende Rolle, wie ein schneller Blick in die üblichen Social-Media-Auswertungen zeigt: Wer zum Beispiel im Bereich junger Mode sein Geld verdient, erreicht mit etwa 50 hochwertigen, bebilderten Posts pro Woche seine Zielgruppe am besten, während die Branche der elektronischen Konsumgüter ab zehn Posts bereits zu viel des Guten tut. Mehr wäre dort Spam.

Social Media frisst Ressourcen

Social Media kostet also – und zwar nicht wenig: Die Seiten müssen hochwertig gepflegt werden – mit weit mehr Aufwand, als viele Unternehmen in die eigene Webseite stecken – und Interessenten müssen die Seite finden können. Wer nicht gerade Pflaumenaugust an die Kanzlerin verkauft, braucht dafür Mediagelder, die selbstverständlich keinen Deut kleiner sind als das Investment für eine normale, vergleichbare Webpräsenz.

Angesichts dieser Budgets ist es für mich umso verwunderlicher, dass trotzdem die sonst so allmächtigen Controller bei Aktionen in sozialen Netzwerken offenbar ihre Grenze finden. Wie sonst wäre zu erklären, dass Firmen Fans, Likes oder Follower feiern, die sich in seltener Zahl auf die Unternehmensseiten verirren, während gleichzeitig an anderer Stelle ein Vielfaches dieser Nutzer theoretisch direkt erreicht werden könnte.

Auf dem Bahnhof gibt es es mehr Kunden

Die Bahn beispielsweise hat auf Ihren beiden Hauptportalen (DB Bahn und Deutsche Bahn Konzern) auf Facebook zusammen etwa eine halbe Million Fans, von denen sie aber pro Post meist weniger als 1.000 aktivieren kann. Allein auf dem Hamburger Hauptbahnhof könnte die Bahn aber schon eine halbe Million Kunden direkt treffen – und zwar jeden Tag. Dabei ist dieses Verhältnis sogar noch gut: Einkaufszentren, die nach vielen Jahren gerade mal so viele Likes haben wie in drei Stunden das Zentrum besuchen – oder eben Fischbuden, deren eine Hälfte aller Likes von Familie und Freunden des Betreibers stammen.

Wieviel einfacher wäre es für viele Firmen, statt mühsam kleine Schritte auf Twitter oder Facebook zu machen, wenn man die existierenden Direktkontakte für das Eigenmarketing nutzen würde? Service- oder Hotline-Kontakte beispielsweise eignen sich ebenso hervorragend als Marketing-Tools wie Besucher und Gäste.

Social-Media-Engagement braucht klare Marketingziele

Facebook und ähnliche Medien sind – richtig eingesetzt – unzweifelhaft sinnvolle Maßnahmen, wenn die Marketingziele entsprechend definiert sind! Aber genau daran scheitert es leider immer wieder in den Unternehmen. Anscheinend ist die Hoffnung, selbst einen Angie-Fischbrötchen-Effekt erleben zu dürfen, einfach extrem verbreitet und die Mär vom sich selbst verbreitenden Nachrichten auf den sozialen Kanälen ist einfach nicht aus den Köpfen der Marketeers heraus zu bekommen.

Also, liebe Controller: Bitte macht Euch doch schlau und werft mehr Blicke auf die Social-Media-Effizienz Eurer Marketingabteilung. Nicht jeder Follower ist das Budget wert, was dort investiert wird. Und, liebe Unternehmensspitze: Bitte denkt nochmal darüber nach, ob der Kundenservice oder die Telefonhotline wirklich von Technikern geführt werden muss. So mancher Service-Wüste stände ein bisschen mehr Marketing bestimmt auch gut zu Gesicht. Und effizienter für Ihr Budget könnte dieser Tausch dann auch noch sein.

Zur Person
Heino Hilbig arbeitete nach seinem Mathematik- und Physik-Studium als Produktmanager in einem Elektronikkonzern. Bald übernahm er die Werbe- und Marketingleitung internationaler Marken wie Casio oder Olympus. Er durchlief sämtliche Funktionen bis zum internationalen Marketing-Direktor. 2011 gründete er die Marketing-Unternehmensberatung Mayflower Concepts in Hamburg, deren Geschäftsführer er ist.

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