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17.03.2015 | Mikroelektronik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wenn Thorium den Takt angibt, tickt die Uhr genauer

verfasst von: Andreas Burkert

5 Min. Lesedauer

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Statt einer Atomuhr wird künftig eine Atomkern-Uhr den genaueren Takt angeben. Diese ist nicht nur kompakter, sondern arbeitet auch mit einer derart hohen Präzision, dass grundlegende Konstanten der Physik auf ihre wahre Konstanz hin überprüft werden können.

Jeder Ingenieur weiß, dass Atomuhren die genauesten Messinstrumente überhaupt sind. Erst nach Milliarden Jahren gehen sie um eine Sekunde vor oder nach. Doch das genügt einigen Wissenschaftler der TU Wien nicht. Sie wollen mit Hilfe von Thorium-229-Kernen eine Atomkern-Uhr entwickeln, die noch deutlich präziser und gleichzeitig einfacher und robuster ist als bisherige Atomuhren. Gelingt das Vorhaben, ließe sich sogar untersuchen, ob die Naturkonstanten tatsächlich konstant sind, oder sich im Lauf der Zeit minimal verändern.

Doch dafür muss es nur gelingen, den Takt zu optimieren.  Und dazu benötigt jede Uhr eine möglichst konstante Schwingung. Das kann die Schwingung eines Pendels sein, die Oszillation eines Kristalls in einer Quarzuhr – oder aber der Schwingungstakt des Lichts, das von Atomen absorbiert wird. So wie es das Prinzip einer Atomuhr ist. Zum Einsatz kommt ein Laser, dessen Lichtfrequenz genau zur Energiedifferenz zwischen zwei Energieniveaus passt. Damit lässt sich ein Elektron vom tieferen in das höhere Energieniveau anheben. Fällt es danach wieder in den ursprünglichen Zustand zurück, sendet es wieder Licht mit derselben Frequenz aus. Mit solchen Methoden kann man den Energieunterschied zwischen zwei Quantenzuständen extrem präzise messen und damit eine Frequenz sehr genau definieren.

Nachteile einer Atomuhr

Die Genauigkeit kann einfach bestimmt werden. Sekunde ist nämlich als jene Periode definiert, in der das charakteristische Licht des Übergangs zwischen zwei Zuständen des Cäsium-Atoms genau 9.192.631.770mal schwingt. Die Forscher sind allerdings der Ansicht, dass es viel besser wäre, statt der Elektronen im Atom den Atomkern selbst zu verwenden. Immerhin ist der Atomkern tausendmal kleiner als die Elektronenhülle und viel weniger anfällig für Störungen von außen. „In gewöhnlichen Atomuhren müssen die Atome mühsam gegen elektromagnetischen Feldern abgeschirmt werden, unsere Atomkern-Uhr wäre viel robuster“, erklärt Professor Thorsten Schumm von TU Wien den Nachteil einer Atomuhr.

Und die Thorium-Kerne? Die muss man nicht einmal isoliert untersuchen. „Man kann sie sogar in Kristalle einbauen und wird noch immer dieselben Energiezustände messen“. Das hat erhebliche Vorteile: So benötigt man für eine Atomkern-Uhr kein speziell präpariertes Labor, man könnte sie relativ kompakt bauen und dann beispielsweise in einem Satelliten ins All schießen, für die nächste Generation des Navigationssystems GPS.

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Allerdings stellen sich einige Herausforderungen in den Weg. So identifiziert Simon Stellmer, der ebenfalls am Atominstitut der TU Wien arbeitet, folgendes Problem: „Die Übergänge zwischen Zuständen des Atomkerns finden meist auf einer ganz anderen Energieskala statt“. Wenn Elektronen ihren Zustand ändern, entsteht typischerweise Licht im Bereich von einigen Elektronenvolt, bei Zuständen des Atomkerns können es auch mal 100.000 Elektronenvolt sein. Man braucht daher einen ganz besonderen Atomkern, der zwei Zustände aufweist, die beinahe dieselbe Energie haben.

Das seltene Isotop Thorium-229 ist gefragt

„Der beste Kandidat dafür ist Thorium-229, ein sehr seltenes Isotop, das nur künstlich hergestellt werden kann.“, sagt Thorsten Schumm. Weniger als ein Milligramm davon steht der Wissenschaft heute weltweit zur Verfügung. „Es gibt derzeit viele Hinweise darauf, dass der Kern von Thorium-229 einen angeregten Zustand besitzt, der bloß etwa 7 Elektronenvolt oberhalb des Grundzustands liegt.“ Für kernphysikalische Verhältnisse ist das eine winzige Energiedifferenz. Die Lebensdauer dieses Zustands ist extrem lang: Erst nach tausenden Sekunden kehrt der Atomkern vom angeregten Zustand wieder in den Grundzustand zurück – meist hat man es in der Quantenphysik mit Lebensdauern von winzigen Sekundenbruchteilen zu tun.

„Quantenphysikalisch ist die Lebensdauer mit der Präzision der Messung verknüpft“, sagt Simon Stellmer. „Je länger der angeregte Zustand lebt, umso präziser ist die Energie der dazugehörigen Strahlung definiert.“ Einerseits ist das sehr positiv: Das Licht, das dem Übergang zwischen den beiden Thorium-Kernzuständen entspricht, soll schließlich eine möglichst genau definierte Frequenz haben, damit man einen möglichst genauen Taktgeber für die Zeitmessung zur Verfügung hat. Allerdings ist damit auch ein großes Problem verbunden: Ebenso genau muss man nämlich die richtige Frequenz treffen, um den Übergang überhaupt zu finden.

Nur die richtige Lichtfrequenz regt den Thoriumkern korrekt an

So gestaltet sich die Suche nach der richtigen Frequenz schwierig. „Man muss den Thoriumkern mit genau der richtigen Lichtfrequenz bestrahlen, dann absorbiert er die Strahlung, geht in den etwas höheren Energiezustand über, wechselt dann ein paar tausend Sekunden später wieder in den ursprünglichen Zustand zurück und sendet dabei wieder Licht aus, das wir messen können. Doch wegen der extrem hohen Genauigkeit, die man hier braucht, ist es sehr schwierig, den Übergang tatsächlich zu finden und seine exakte Frequenz zu bestimmen.“.

Jede mögliche Frequenz auszuprobieren würde unüberschaubar lange dauern, daher arbeitet das Team an verschiedenen Möglichkeiten, der exakten Thoriumkern-Frequenz auf die Spur zu kommen. Aber Stellmer gibt sich optimistisch. „Wenn wir den gesuchten Kernübergang erst mal zweifelsfrei identifiziert haben, dann kann man eine ganze Menge damit machen“. Alle nötigen Technologien zur technischen Nutzung dieses Phänomens sind mittlerweile verfügbar – grundsätzlich haben wir nun ein gutes Verständnis davon, was zu tun ist. Und wenn die Atomkern-Uhr erst funktioniert, wird es viele spannende Anwendungsmöglichkeiten geben.

„Man wird damit nicht nur Zeit messen, man möchte auch überprüfen, ob die grundlegenden Konstanten der Physik wirklich konstant sind. Es gibt Theorien, die nahelegen, dass sich gewisse physikalische Größen, wie etwa die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung, im Lauf der Zeit langsam verändern“, sagt Schumm. „Wenn sich herausstellt, dass sich die Naturkräfte über Milliarden Jahren wandeln, dann würde das unser Verständnis vom frühen Universum völlig umkrempeln.“ Atomkern-Uhren wären so empfindlich, dass man solche Veränderungen, sollte es sie tatsächlich geben, bereits im Lauf einiger Jahre messen könnte.

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