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09.06.2022 | Mitarbeitermotivation | Interview | Online-Artikel

"Stillstand führt zu Mitarbeiterfrust"

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Eine Bonuszahlung hier, ein Dienstrad dort: Führungskräfte denken, mit derartigen Incentives Mitarbeiter motivieren zu können. Doch extrinsische Motivatoren verblassen. Warum Anreize auf das intrinsische Engagement zielen sollten, sagt Vinted-HR-Experte Michael Nicodemus.
 

Springer Professional: Umfragen zeigen immer wieder, dass Beschäftigte demotiviert sind. Was sind die Hauptgründe dafür, dass Mitarbeiter innerlich kündigen?

Michael Nicodemus: Mitarbeitende wollen sich in ihrem Job wohlfühlen. Dazu gehören regelmäßige Kommunikation, Vertrauen und das Arbeiten für einen bestimmten Zweck, mit dem sie sich identifizieren können. Es kommt den Menschen darauf an, für etwas Größeres verantwortlich zu sein. Demotivation beruht oft auf drei Aspekten: 

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Anforderungen an das Führungsverhalten zur Stressprävention und Mitarbeitermotivation im Changemanagement

Das folgende Kapitel umfasst den empirischen Teil dieser Arbeit. Zunächst werden das Forschungsdesign sowie die verwendete Methodik vorgestellt und definiert. Im nächsten Schritt erfolgt die Auswertung der geführten Experteninterviews mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.

Zu wenig Offenheit: Einer der wohl am weitesten verbreiteten Gründe für Demotiviation am Arbeitsplatz ist die fehlende Kommunikation zwischen Führungskräften und Angestellten. 

Nicht genügend Vertrauen: Menschen arbeiten am besten, wenn sie es eigenverantwortlich und selbstständig tun können. Wer nicht die Möglichkeit bekommt, eigene Entscheidungen zu treffen und dabei auch Fehler machen zu dürfen, wird sich langfristig betrachtet nicht weiterentwickeln. Stillstand führt zu Mitarbeiterfrust, was die Motivation letztendlich auf ein Minimum runter fährt.

Der Sinn fehlt: Menschen haben den Drang, sich in allen Lebensbereichen selbst verwirklichen zu wollen, auch im Job. Können sich die Mitarbeitenden nicht mit der Mission oder dem Ziel eines Unternehmens identifizieren, wirkt sich das durchaus negativ auf die Motivation aus. Wissen Arbeitnehmer hingegen, wofür sie sich engagieren, erhöht sich auch ihr Engagement und ihr Einsatz. 

Was bringen Incentives wie Boni, um das Mitarbeiterengagement zu fördern?

Natürlich wird niemand eine Bonuszahlung oder andere Incentives ablehnen. Für eine gewisse Zeitspanne werden die Mitarbeitenden auch deutlich engagierter und produktiver arbeiten. Wenn sich Führungskräfte davon allerdings erhoffen, dass Motivation durch solch eine Maßnahme langfristig aufrecht erhalten werden kann, muss ich sie enttäuschen. 

Extrinsische Motivatoren, wie eben zum Beispiel mehr Gehalt, verblassen nach kurzer Zeit und rufen kein intrinsisches Engagement hervor. Das Gegenteil ist sogar der Fall: Laut des US-amerikanischen Bestseller-Autors Daniel Pink, der unter anderem "Drive: The Surprising Truth About What Motivates Us" geschrieben hat, unterdrücken Incentives und festgefahrene Strukturen die Kreativität und ersticken die Leidenschaft. Außerdem belegen Studien, dass Mitarbeitende, die intrinsisch motiviert sind, wesentlich engagierter arbeiten als jene, die sich von extrinsischen Verlockungen wie Geld leiten lassen.

Was sollten Führungskräfte stattdessen oder ergänzend tun, um ihr Team zu motivieren?

Mit ihren Angestellten sprechen. Kommunikation darf keinesfalls unterschätzt werden, denn sie ist ausschlaggebend für eine dauerhaft gute Arbeitsatmosphäre. Gerade durch die Pandemiesituation der vergangenen zwei Jahre oder aktuell dem Ukrainekrieg leben wir in fordernden Zeiten - nicht nur im privaten, sondern eben auch im beruflichen Umfeld. Verständnis, Vertrauen und Kommunikation sind die Basis für motivierte Mitarbeitende. Dabei ist aber zu beachten, dass die Kommunikation auf Augenhöhe und nicht nur top-down stattfindet.

Ownership fördern. Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitenden mehr Vertrauen entgegenbringen, indem sie bestimmte Aufgaben abgeben. So haben die Angestellten die Chance, Herausforderungen eigenständig zu meistern und neue, individuelle Ansätze für Lösungswege zu finden. Auch wenn die Aufgaben und Tasks von der Führungskraft bestimmt werden, ist es wichtig, den Angestellten die Möglichkeit der Mitbestimmung zu geben.

Ungefragtes Feedback reduzieren. In der heutigen Unternehmenswelt sind die meisten Manager darauf gepolt, ständig Feedback zu geben, um zu optimieren. Unser Gehirn ist darauf programmiert, Bedrohungen und Belohnungen zu unterscheiden. Unaufgefordertes Feedback kann unbewusst einen Bedrohungszustand auslösen. Das bedeutet, dass wir nicht so empfänglich für das Feedback sind. Das belegen auch Forschungen des Neuro-Leadership-Institutes. Unternehmen sollten sich daher um eine Kultur bemühen, in der Beschäftigte um Feedback bitten, wenn sie benötigen. 

Was gilt es in Hinblick auf Remote Work zu beachten, wenn es um das Thema Motivation geht?

Es mag wie ein Klischee klingen, aber jeder Mensch ist anders und hat andere Bedürfnisse, wenn es um das Thema Working from home geht. Um das Engagement während der Heimarbeit zu fördern, ist es wichtig, dass Führungskräfte empfänglich für die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden sind und auf sie eingehen. Um es wiederholt zu betonen: Kommunikation ist unerlässlich, damit herausgefunden werden kann, wo die spezifischen Herausforderungen für jedes Individuum liegen. So können angepasste Lösungen gefunden werden, die die Motivation wieder steigern. Das können etwa kurze Video-Kaffeegespräche sein, um die Verbindung zueinander zu stärken. Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, dass wir zwar gut aus der Ferne arbeiten können, aber trotzdem eine Connection zueinander brauchen, auch wenn sie virtuell ist. 

Vielen Arbeitnehmern ist Sinn in der Arbeit wichtig. Was können Unternehmen tun, um diesen zu vermitteln?

Der Sinn der Arbeit ist eng verknüpft mit der Mission, dem übergeordneten Ziel eines Unternehmens. Es ist sinnvoll, nicht bloß dieses Mission Statement auszuformulieren, sondern auch die Werte, die man als Unternehmen vertritt. Diese helfen im Rahmen des Recruitings wiederum potenzielle Kandidaten mit dem passenden Mindset zu identifizieren. Übergeordnetes Ziel und auch Werte sollte ein Unternehmen seiner Belegschaft transparent kommunizieren - im Optimalfall bereits beim Onboarding. 

Denn wenn Arbeitnehmer von Anfang wissen, wie ihre individuelle Aufgabe aussieht, weshalb sie genau diesen Job erledigen sollen und was dieser zum Gelingen der Mission beiträgt, erhält ihre Arbeit die viel beschworene Sinnhaftigkeit. Gleichzeitig gilt: Eine Unternehmenskultur ist wie ein eigenständiger Organismus. Erst wenn man tatsächlich im Team mitarbeitet, erfährt man, was die ausgegebenen Werte in der Praxis bedeuten. Man kann es quasi als sich selbst verstärkendes System betrachten, da die Sinnhaftigkeit sich am besten durch die von Teammitgliedern und Führungskräften vorgelebten Werte internalisiert. 

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