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19.09.2018 | Nutzfahrzeuge | Schwerpunkt | Online-Artikel

Elektro-Lkw mischen das Truck-Geschäft auf

verfasst von: Christiane Köllner

4:30 Min. Lesedauer

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Neue Antriebe setzen Lkw-Hersteller unter Druck. Halten sie alleine am Diesel fest, droht Umsatz wegzubrechen. Mit neuen Geschäftsmodellen können die Truck-Hersteller gegensteuern. 

Mit dem Umstieg auf neue Antriebsarten kommt das Geschäftsmodell der Lkw-Hersteller auf den Prüfstand. Setzten sie lange auf den konventionellen Antrieb, so könnte der Diesel künftig als Standard für Lkw schrittweise abgelöst werden. Dieser Wandel hat Konsequenzen: "Die Hersteller müssen nicht nur erhebliche Investitionen in parallele Technologieentwicklung tätigen. Die Auswirkungen des Umbruchs sind auch in den Bereichen Aftersales und Wiedervermarktung zu spüren", wie eine aktuelle Analyse des Nutzfahrzeugmarktes der Unternehmensberatung Oliver Wyman deutlich macht. 

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01.08.2018 | 120 Jahre ATZ

Nutzfahrzeuge bewegen

Was bewegt die Menschen 2025? Welche Themen und welche Fahrzeuge werden sie beschäftigen? Natürlich ist ein solcher Ausblick immer mit Unsicherheiten verbunden. Aber was sieben Jahre oder rund eine Fahrzeuggeneration voraus liegt, wird konsequenterweise auf den derzeitigen Entwicklungen basieren.

Ein wichtiger Treiber für alternative Antriebe sind – wie auch im Pkw-Bereich – neue EU-Regularien. Heute schon sind schwere Nutzfahrzeuge für rund ein Viertel der CO2-Emissionen des Verkehrssektors verantwortlich. Laut Europäischer Kommission sollen ihre Emissionen bis 2030 um 30 Prozent gesenkt werden. Oliver Wyman erwartet, dass 2030 bereits 25 Prozent der Lkw in Deutschland mit alternativen Antrieben verkauft werden. Der Dieselmotor werde in Kombination mit einem Elektroantrieb zum Hybrid – oder durch andere alternative Antriebsarten wie Gas, Wasserstoff-elektrische oder rein-elektrische Technologie ersetzt, so die Unternehmensberatung. Auch die Wiederkehr des Oberleitungs-Lkw wird geprüft. 

Antriebsmix ähnlich wie beim Pkw

Um die Umweltentlastung voranzutreiben, haben die europäischen Lkw-Hersteller für die nächsten drei Jahre elf neue Elektro-Lkw-Modelle angekündigt, darunter zum Beispiel der schwere Verteiler-Lkw Mercedes-Benz eActros. Dazu kommen der vollelektrische Verteiler-Lkw MAN eTGM und der für schwerere Verteileraufgaben konzipierte Volvo FE Electric, die beide neben weiteren Neuheiten auf der IAA Nutzfahrzeuge zu sehen sind.

Ähnlich wie beim Pkw werden Kurzstrecken-Lkw früher vollelektrisch fahren als Langstrecken-Lkw", sagt Romed Kelp, Partner und Nutzfahrzeugexperte bei Oliver Wyman. "Auf der Langstrecke ist der batterieelektrische Antrieb kurz- und mittelfristig nicht die Lösung. Hier werden Brückentechnologien wie Hybride oder Gasantriebe zum Tragen kommen." 

Der Zulieferer Wabco geht sogar davon aus, dass Dieselantriebe noch im Jahr 2025 die Fahrzeuge auf der Langstrecke antreiben, erklärt Thomas Dieckmann im Artikel Nutzfahrzeuge bewegen aus dem Jubiläumsheft 120 Jahre ATZ. Helmut Eichlseder von der TU Graz prognostiziert im Interview "Wir Wissenschaftler müssen beginnen, Sturm zu laufen" aus der MTZ 10/2018, dass es künftig den lokalen, batterieelektrischen Zustellverkehr ebenso geben wird wie Brennstoffzellenantriebe als auch Gas- und Dieselantriebe. Hybridmotoren könnten eine geringere Spreizung haben als im Pkw, so der Nutzfahrzeugexperte.

Diese Aussagen machen deutlich, dass die Nfz-Hersteller einen ähnlich breiten Antriebsmix wie Pkw-OEMs entwickeln müssen. Dadurch gerät das Geschäftsmodell der Lkw-Hersteller unter Druck. Denn der Verbrennungsmotor ist bis heute der wichtigste Wettbewerbsvorteil der etablierten Lkw-Produzenten. Er bestimmt in hohem Maß sowohl die Gesamtbetriebskosten als auch die Leistung des Fahrzeugs. "Sobald dieses Differenzierungsmerkmal wegfällt, wird der Wettbewerb der bestehenden Hersteller härter", erklärt Analyst Kelp. 

Dies wäre insbesondere der Fall, wenn sich der batterieelektrische Antrieb in der Breite durchsetzt. Der Grund: "Die Motoren der Elektro-Lkw unterscheiden sich kaum voneinander; Batterien und damit die Reichweite werden zum wichtigsten Differenzierungsfaktor. Diese werden nicht von den Lkw-Herstellern gefertigt, sondern von Elektronik- und Chemiekonzernen", heißt es in der Wyman-Studie. Der Kompetenzschwerpunkt liege in China, Südkorea und Japan – in diesen Ländern seien über 90 Prozent der aktuellen Batteriekapazität gebündelt. 

Umsatzeinbußen bei Aftersales und Wiedervermarktung 

Doch am klassischen Verbrennungsmotor hängt noch mehr: Durch die Umstellung auf alternative Antriebe sollen Herstellern Umsatzeinbußen von etwa zehn Prozent im Aftersales sowie beim Wiederverkauf von Lkw drohen, meint Oliver Wyman. Im Aftersales seien 50 Prozent der Gewinne auf Ersatzteile des Antriebsstrangs zurückzuführen. Hierunter würden beispielsweise Ersatz- und Verschleißteile für die Verbrennungsmotoren fallen, die nach dem Lkw-Verkauf für Umsatz sorgen. Im Zuge der Elektrifizierung würden hier große Umsätze wegfallen. Bei der Wiedervermarktung von Gebraucht-Lkw seien weitere Einbußen zu erwarten. Denn Lkw mit alternativen Antrieben seien nicht in allen Ländern einsetzbar, weil die Infrastruktur fehle.

Neues Geschäftsmodell vonnöten

Was können Lkw-Hersteller nun tun, um ihr Geschäft auch in Zukunft zu sichern? Die Experten von Oliver Wyman raten zu vier Strategien:

  • Lkw-Hersteller sollten sich weg vom reinen Fahrzeugverkauf hin zum Angebot ganzheitlicher Betreibermodelle und Transportlösungen bewegen.
  • Hersteller müssen Kundenakzeptanz und Differenzierung sicherstellen und agil sein. Knackpunkt ist ferner die Zusammenarbeit mit Batterieherstellern. Auch die Infrastruktur muss gegebenenfalls aktiv mitgestaltet werden.
  • Im Aftersales sollten neue Erlösquellen erschlossen werden. Im Bereich Elektromotor geht es dabei um Erlöspotenzial rund um Batterie und Ladung sowie maßgeschneiderte Teile- und Service-Angebote für jedes Fahrzeugalter.
  • Für erfolgreiche Wiedervermarktung ist es wichtig, erweiterte Lebenszykluskonzepte zu definieren. Dazu gehören zum einen Umrüstungsmöglichkeiten sowie Erneuerungskonzepte für Batterien, Software und Elektronik. Der künftige Lkw sollte wesentlich modularer gestaltet werden, um in der Wiedervermarktung weiterhin Gewinne zu erzielen.

Fazit

Die Veränderungen im Lkw-Markt sind so groß wie die Herausforderungen für die Truck-Hersteller. Unterschiedliche Strategien sind deshalb gefragt, wie auch die Studie "How Europe's Truck Makers Can Break Out of the Pack" von Bain & Company deutlich macht. "Das Interesse der Lkw-Käufer an alternativen Antrieben ist kein Strohfeuer", erklärt Bain-Partner und Studien-Co-Autor Dr. Eric Zayer. "Die Kunden wollen Erfahrung mit diesen Technologien zu sammeln, um die Vorgaben des Regulierers zu erfüllen und ihr Umweltimage zu stärken." Entsprechend groß sei die Aufgabe für die Hersteller.

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