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13.08.2014 | Produktion + Produktionstechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Fördertechnik für die Industrie 4.0

6 Min. Lesedauer

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Die vernetzte und selbstorganisierte Fabrik ist Herausforderung auch für die Fördertechnik. Dubbel-Autor André Katterfeld skizziert in einem Gastbeitrag zu erwartende Technologietrends insbesondere bei Stetigförderern.

Das Schlagwort „Industrie 4.0“ dürfte allen Technikern und auch Nicht-Technikern in den letzten Monaten in den Schlagzeilen der Medien begegnet sein. Bereits vor der Hannover Messe wurde im März 2014 ausführlich über diesen neuen Mega-Trend auf dem 23. Materialfluss-Kongress in München debattiert. Und das durchaus nicht unkritisch. Fragen wie „Haben wir Industrie 3.0 verpasst?“ oder „Wo kann ich das Update kaufen?“ machten auf ironische Weise deutlich, dass selbst nicht alle Fachleute mit diesem Begriff etwas anzufangen wissen.

Unter Industrie 4.0 wird von vielen Experten die vernetzte und sich selbstorganisierende Fabrik verstanden, in der sich High-Tech-Fertigungseinheiten vollkommen automatisch zusammenfinden, um ein zum Großteil vom Kunden konfiguriertes Produkt zu fertigen. Und wenn sich die Fertigungseinheiten selbst organisieren, dann bleibt das auch nicht ohne Konsequenz für die Förder- und Materialflusstechnik. Bei Unstetigförderern wie Gabelstaplern oder Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) lässt sich aufgrund der flexiblen Gutauf- und abgabestellen und des nicht vordefinierten Transportweges eine Einbindung in die vernetzten Fertigungseinheiten leicht vorstellen.

Kleinskalige Fördermodule bei Stetigförderern

100 Jahre Dubbel
Das erstmals 1914 von Heinrich Dubbel bei Springer
herausgegebene Taschenbuch für den Maschinenbau
hat sich im Laufe der Jahrzehnte als Standardwerk
der Ingenieure mit den Schwerpunkten Allgemeiner
Maschinenbau und Verfahrens- und Systemtechnik
etabliert. Rund 100 Autoren präsentieren im „Dubbel“
verlässliches Wissen zum Stand der Technik. In loser
Folge diskutieren einige Autoren an dieser Stelle
Perspektiven in ihrem jeweiligen Fachgebiet.

Doch viele Aufgabenstellungen im Produktionsprozess lassen sich durch Stetigförderer effizienter lösen als mit Unstetigförderern. Damit auch diese Fördergeräte, wie zum Beispiel Rollenbahnen und Gurtförderer, ebenfalls Industrie 4.0-tauglich werden, sind kleinskalige und verfahrbare Fördermodule notwendig, die sich zu größeren Förderern verbinden können und sich so an das dynamische Fabriklayout der Zukunft anpassen können. Erste solcher Fördermodule bzw. –modulbaukästen sind am Markt verfügbar. Die Firmen Flexlog und Gebhardt Fördertechnik wurden für diese Produktidee auf dem Materialflusskongress mit dem VDI-Innovationspreis Logistik 2014 ausgezeichnet.

Bislang müssen die Fördermodule aber noch von Hand arrangiert werden. Die mechanischen und steuerungstechnischen Schnittstellen erlauben zwar eine sehr leichte und flexible Neu-Anordnung der Fördermodule, aber dies wird der Vision von Industrie 4.0 noch lange nicht gerecht. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Anbieter solcher Fördermodule und deren Automatisierungsgrad künftig stark ansteigen wird.

Neuartige Fördererkomponenten

Aufgrund der neuen Anforderungen an die Fördermodule in Bezug auf die Baugröße und die flexible Förderung in unterschiedliche Richtungen ist zu erwarten, dass die Bedeutung von Fördererkomponenten, die heute vielleicht nur als Prototyp verfügbar sind oder aufgrund von hohen Kosten nur sehr vereinzelt Verwendung finden, künftig deutlich zunehmen wird. Als Beispiele sind die angetriebene Allseitenrolle [1] oder neue Antriebskonzepte von Vibrationsförderern [2] zu nennen.

Industrie 4.0 und Schüttgutfördertechnik

In vielen Industriebereichen werden aber nicht nur Stückgüter sondern auch Schüttgüter gefördert. Die Vision von Industrie 4.0 wird sich auf die Schüttgut-Fördertechnik wohl kaum auswirken, da auch die Vordenker bezweifeln, dass sich der Kunde zukünftig sein eigenes Waschmittel, seinen eigenen Beton-Estrich oder die eigenen Cornflakes im Internet selbst zusammenstellen und damit eine ganz individuelle Fertigung notwendig machen wird. Trotzdem können einige Mega-Trends in der Schüttgut-Fördertechnik ausgemacht werden, die sich meist unter den Schlagwörtern Energieeffizienz und Nachhaltigkeit subsumieren lassen. Energiefresser wie zum Beispiel Pneumatische Förderanlagen im Flugförder-Modus werden sich klein- und mittelständische Unternehmen aufgrund der steigenden Energiekosten zukünftig immer seltener leisten können.

Energieeffizient, staubarm und leise

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Um die Effizienz bestehender Förderer zu erhöhen, können diese mit energiesparenden Komponenten wie Energiespar-Fördergurten [3] oder neu entwickelten Tragrollensystemen wie der Intelligenten Girlande [4] ausgestattet werden. Steigende Energiekosten werden auch den Einsatz von gekapselten Förderern zunehmen lassen, da die Bekämpfung von Staubemissionen etwa durch Absaugungen ebenfalls kostspieliger wird. Aufgrund von immer strengeren Vorschriften hinsichtlich der Lärm- und Geräuschemission werden zukünftige Stetigförderer nicht nur energieeffizienter und staubärmer sondern auch leiser sein. Aufwändige Analyseverfahren wie die sogenannte Akustische Kamera bieten neue Chancen für die Identifikation der Lärmursachen [5].

Vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung kann auch zukünftig davon ausgegangen werden, dass die Gewinnung, Aufbereitung und der Transport von Rohstoffen Technologietreiber für eine immer leistungsfähigere Stetigfördertechnik sein wird. Dies gilt zum einen für den realisierbaren Massenstrom aber auch für den Automatisierungsgrad. Ebenfalls wird die Rohstoffgewinnung für die IT-Industrie, also zum Beispiel die Gewinnung von Kupfer oder seltenen Erden, die Erschließung immer schwierigerer (tieferer) Lagerstätten erfordern. Damit die Gewinnung wirtschaftlich ist, werden wir in der nahen Zukunft neue Möglichkeiten für die stetige Steilförderung von großen Massenströmen erwarten können [6].

Strategie Computersimulation

Bei der Entwicklung neuer Stetigförderer und deren Komponenten wird zukünftig das Digital Engineering immer größere Bedeutung erlangen. Wie heute schon in der Automobil- und Luftfahrtindustrie, wird die Computersimulation von kompletten Förderanlagen oder Bauteilen zukünftig aus dem Arbeitsleben des Konstrukteurs nicht mehr wegzudenken sein. Und damit ist nicht nur die fast schon klassische FEM-Berechnung gemeint. Mehrkörpersimulation, numerische Strömungsmechanik (CFD) und die Diskrete Elemente Methode (DEM) bieten heute schon die Möglichkeit, die zum Teil komplexen Interaktionen zwischen Gut, Bauteilen und Umgebung wirklichkeitsgetreu zu simulieren. Aufgrund der steigenden Rechenleistung handelsüblicher Computer ist zu erwarten, dass diese Methoden dank geeigneter Software zum Handwerkszeug eines zukünftigen Fördertechnikers gehören und die Entwicklung von Stetigförderern sehr stark beeinflussen werden.

Literatur

[1] Overmeyer, L.; Falkenberg, S.; Krühn, T.; Ventz, K.: Kleinskalige, multidirektionale Transportmodule für den Einsatz in der Intralogistik. In: VDI Wissensforum GmbH: 19. Deutscher Materialfluss-Kongress, VDI-Verlag, 2010, S. 231-248
[2] Risch, T.: Zweidimensionale Bewegungsformen in der Vibrationsfördertechnik. Dissertation. TU Chemnitz. 2011
[3] Kropf-Eilers, A.; Overmeyer, L.; Wennekamp, T.: Energy-optimized Conveyor Belts -
Development, Test Methods and Field Measurements; In: bulk solids handling, Vol. 29
(2009), No. 1, Pages 24 – 29.
[4] Gladvsziewicz, A.; Schwandtke, R.; Richter, C.; Katterfeld, A.. „Verifizierung der Intelligenten Girlande“, In: Tagungsband zur 18. Fachtagung Schüttgutfördertechnik 2013. Logisch Verlag. 2013
[5] Scholten, J.; Baranski, F.; Hohaus, L.: Neue Methoden zur Lösung von Lärmproblemen in der Schüttgutfördertechnik. In: Tagungsbandbeitrag zur 17. Fachtagung Schüttgutfördertechnik 2012, fml, TU München, 2012
[6] Dos Santos, J.A.: The Cost and Value of High Angle Conveying. In: bulk solids handling, Vol. 33 (2013) No. 1, Pages 18-23.

Zum Autor
Jun.-Prof. Dr.-Ing. André Katterfeld leitet den Lehrstuhl Materialflusstechnik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Nach dem Abschluss seines Maschinenbau-Studiums und seiner Promotion im Jahr 2005 beschäftigte er sich in zahlreichen Forschungsprojekten mit dem Einsatz von Computersimulationen auf Basis der Diskrete Elemente Methode (DEM) im Bereich der Schüttgutfördertechnik. 2009 wurde er zum Junior-Professor berufen. Seit 2012 ist er ebenfalls Conjoint Associate Professor an der University of Newcastle (Australien).

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