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04.07.2012 | Produktmanagement | Interview | Online-Artikel

"Die richtigen Antworten haben"

5 Min. Lesedauer

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Stefan Aust, Leiter Produktmanagement bei Smiths Heimann, spricht im Interview über die aktuellen Herausforderungen im Management von Investitionsgütern und den Umgang mit kontrovers diskutierten Produkten wie dem Nacktscanner.

Springer für Professionals: Was sind derzeit die wichtigsten Herausforderungen für das Produktmanagement in Ihrem Unternehmen?

Stefan Aust: Im Sicherheitsbereich sind wir natürlich nicht in der gleichen Position wie andere Industriezweige, weil wir sehr stark reguliert sind. Bei uns gibt es zwischen Marktanalyse und Produktentwicklung einen ganz entscheidenden Zwischenschritt, nämlich die Regulatoren. Bevor wir überhaupt zur Vermarktung kommen, müssen wir das Gerät zunächst einmal zertifizieren lassen. In Deutschland hat beispielsweise das Bundesinnenministerium die Hoheit über die Luftsicherheit und kauft die entsprechenden Sicherheitssysteme. Ein großes Spannungsfeld beim Management der Produkte herrscht daher für uns zwischen den regulativen Randbedingungen mit ihren immer höheren Sicherheitsanforderungen und den Leuten, die letztendlich operativ mit den Geräten umgehen müssen, also Industry Stakeholdern wie Flughäfen und Passagiere. Da gilt es eine Balance zu finden. Hinzu kommt: Die Kommunikation zu unseren Produkten ist extrem schwierig, weil die Informationen in der Regel als geheim eingestuft werden und wir an enge formale Grenzen gebunden sind. Dabei ist der Bereich Sicherheit ein hochsensibles Thema und es wird in der Presse natürlich über Produkte wie den Nacktscanner oder Personenscanner berichtet. Das bringt eine Erwartungshaltung mit sich, dass die Firma die diese Geräte entwickelt, dazu Stellung nehmen sollte, wir das aber eigentlich gar nicht so genau dürfen.

Haben sich die Aufgaben des Produktmanagements in Ihrem Unternehmen in den letzten Jahren verändert?

Aust: Ja. Ich beobachte eine immer stärker werdende Fokussierung auf das Reporting und Controlling. Früher war die Hauptaufgabe unserer Produktmanager das Transferieren der richtigen Informationen an die Entwicklungsabteilung, um technologisch das Richtige zu tun. Das ist zwar nach wie vor die richtige Aufgabe, aber die Überwachung der Businesspläne und das eventuelle Nachsteuern sind deutlich wichtiger geworden. Man will in der Entwicklungsphase mehr denn je Fehlentscheidungen vermeiden, und wenn es dazu kommt, dass man eine Produktenwicklung in eine andere Richtung treiben oder sie gar abbrechen muss, soll das natürlich in einer möglichst frühen Phase geschehen, um Zeit und Kosten möglichst gering zu halten.

Ihre Produkte, wie zum Beispiel der Nacktscanner, werden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Wie gehen Sie damit um?

Aust: In diesem konkreten Fall war es so, dass das Bedrohungsszenario, das durch das Phänomen der Selbstmordattentäter überhaupt erst aufkam, zu der Anforderung geführt hat, Systeme zu entwickeln, die das adressieren. Der Zeitraum von den ersten Konzeptentwicklungen bis zum Launch des Produktes betrug fast zehn Jahre. Anfangs lag der Fokus natürlich sehr stark auf der Technologie. Die Diskussion, was ein solches Produkt in der Öffentlichkeit überhaupt auslösen könnte, kam erst sehr viel später, zu einem Zeitpunkt, an dem die Geräteentwicklung schon sehr weit fortgeschritten war. Mit der Erfahrung aus heutiger Sicht würde man die Einführung solcher komplett neuen Technologien auch aus Sicht der Öffentlichkeit besser vorbereiten und steuern. Durch die Lessons Learnt sind alle Beteiligten sensibilisiert worden und man denkt inzwischen früher an solche Stolpersteine. Es ist inzwischen jedem bewusst, dass man die gesellschaftspolitischen Aspekte von Sicherheitstechnologie früher adressieren muss, als es in der Vergangenheit getan wurde.

Wie ist das Produktmanagement in Ihrem Unternehmen strukturell aufgehängt?

Aust: Das Produktmanagement ist bei uns eine globale Funktion. Es gibt keine regionalen Zuständigkeiten in diesem Bereich. Die komplette Produktstrategieentwicklung, die Entwicklung der einzelnen Linien bis runter bis zu den einzelnen Produkten und der Überwachung des Erfolgs werden zentral von hier aus gesteuert. Neben dem Bereich Produktmanagement haben wir einen separaten Bereich Communications & PR, der allerdings regional aufgehängt ist, weil der Kommunikationsbereich sehr stark an regionale Bedingungen angepasst werden muss. Diese Funktion haben wir allerdings erst vor ein bis zwei Jahren vom Produktmanagement abgekoppelt. Mein Standpunkt ist aber, das die konkrete Organisation des Unternehmens nicht entscheidend ist, wenn man die richtigen Leute auf den richtigen Funktionen hat. Wichtig ist, dass die einzelnen Leute ein einheitliches Verständnis von dem Gesamtziel haben und in eine Richtung arbeiten.

Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Produktmanager aus?

Aust: Ein Produktmanager im Investitionsgüterbereich benötigt ein breites Verständnis der Technologie, umfassende Marktkenntnis und ganz entscheidend auch eine hohe soziale Kompetenz. Denn in dieser Querschnittsfunktion hat man sowohl intern mit fast allen Fachbereichen zu tun und muss selbst ohne direkte Weisungsbefugnis führen und guidance geben, als auch extern mit Behörden und Kunden. Es ist schwieriger geworden, solche breit aufgestellten Kandidaten zu finden. Wir bilden daher vermehrt intern Leute für das Produktmanagement aus.

Spüren Sie die Auswirkungen der europäischen Schuldenkrise?

Aust: Ja, die spüren wir ganz massiv. Unser Geschäft hängt zu 60 bis 70 Prozent an den Budgets der Regierungen. Der größte Binnenmarkt für Sicherheitstechnik , in dem es auch um Terrorabwehr geht, ist die USA. Dort beobachten wir durchaus, das die Budgets momentan in eine andere Richtung gehen. Noch höhere Risikofaktoren als die eigentliche Marktentwicklung sind für uns jedoch die regulativen und legislativen Randbedingungen. Wenn sich die regulativen Deadlines verschieben, wie etwa bei der Aufhebung des Flüssigkeitsverbots in Flugzeugen in der EU, ist das für uns ein großes Problem. Denn dann haben wir Geräte entwickelt, zu denen die Businesspläne nicht mehr passen. Außerdem kann jeder neue Terroranschlag bestimmte Dinge in eine andere Richtung treiben, so dass unter Umständen bestimmte Investitionen im Nachhinein als falsch erscheinen. Die Kunst für uns liegt darin, diese Entwicklungen zu antizipieren und dann möglichst die richtigen Antworten zu haben.

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