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04.06.2014 | Public Relations | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Bei Geschichten wächst der Druck zur Auseinandersetzung"

verfasst von: Andrea Amerland

3 Min. Lesedauer

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Mit der Wahrheit zu lügen, ist ein Vorwurf, dem das Storytelling in Marketing und PR ausgesetzt ist. Dabei wohnt Geschichten mehr Aufrichtigkeit inne, als es scheint, so Silvia Ettl-Huber im Interview.

Springer für Professionals: Noch ein Buch über Storytelling ... Sie schreiben es selbst im Vorwort Ihres Buches. Welche neue Geschichten haben Sie über das Thema zu erzählen?

Silvia Ettl-Huber: Zentral ist mein Argument, dass man sich durch die Auseinandersetzung mit Storytelling in der Organisationskommunikation dem Thema der Aufrichtigkeit und der Authentizität mehr annähert als entfernt. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Unternehmen hat eine Millionen Euro Umsatzsteigerung. Dazu erzählt der Unternehmensblog die Geschichte, dass ein Mitarbeiter durch seinen blinden Sohn auf eine neue Technik für Spracherkennung gestoßen ist, die zu dieser gigantischen Umsatzsteigerung führt. Jetzt würde ich Ihnen als Unternehmen dringend raten, dass diese Geschichte stimmt, denn sie erweckt mehr Aufmerksamkeit als das bloße Faktum der Umsatzsteigerung. Hier erfundene „Geschichteln“ (österreichischer Ausdruck) statt „Geschichten“ erzählt zu haben wäre fatal.

Der Gedanke ist insofern neu, als dass ja davon ausgegangen wird, dass durch den mehr oder weniger bewussten Akt der Konstruktion von Geschichten Realitäten verzerrt würde. Dort ein Rufzeichen gesetzt wird, wo es ein anderer nicht empfunden hätte usw. Ich sage, durch die Aufmerksamkeitssteigerung bei Geschichten wächst der Druck zur Auseinandersetzung mit der Wahrheit. Möglicherweise lässt sich heute in Powerpoint-Folien und Grafiken wesentlich mehr Wahrheit verstecken als in Geschichten.

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Die meisten Bücher zum Thema sind praktische Ratgeber, die erklären, wie Storytelling in Marketing, PR, der Internen Kommunikation oder in den Medien funktioniert. Sie wagen nun eine wissenschaftliche Annäherung. Bestätigt hier die Empirie die Praxis oder gibt es Unterschiede zwischen Storytelling-Theorie und Storytelling-Praxis?

Natürlich wäre es verlockend – und vor allem lukrativer –, einen flotten Praxisratgeber zu schreiben. Aber meine Studentinnen und Studenten sind nach der ersten Euphorie über die gelesenen Storytelling-Bücher oft mit leeren Händen dagestanden, weil sie nichts zitierfähiges für Masterarbeiten darin fanden. Und dorthin wollte ich meinen Fuß mit diesem Band setzen. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung in der Kombination „Storytelling und Organisationskommunikation“ angereichert mit einigen empirischen Daten zum Stand des Einsatzes von Storytelling in der professionellen Unternehmens- und NPO-Kommunikation.

Sie verwenden den Begriff Storytelling-Strategie. Wie wird aus erzählenden Elementen in der Organisationskommunikation eine umfassende Storytelling-Strategie?

Nehmen wir das Bild auf, das ich in der ersten Frage entworfen habe. Der Erfinder-Papa mit dem blinden Sohn, der dem Unternehmen Reichtum bringt. Solche Stories überhaupt erzählen zu können, bedarf schon einer ganz spezifischen Unternehmenskultur. Einer, in dem man Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen zuhört. In jedem mittelgroßen Unternehmen laufen täglich parallel Liebesgeschichten, Krimis, Erfolgsgeschichten und nicht wenige davon haben mit dem Unternehmen zu tun. Im Flurfunk sind sie ohnehin präsent, aber viele davon haben auch Potenzial, im Wissensmanagement, im Change-Management, in der externe wie in der internen Unternehmenskommunikation. Damit dieser Schatz gehoben werden kann, wird man auch Kommunikationsfachleute brauchen, die nicht nur einen Draht in die Chefetage haben: feinsinnige PR-Manager mit einem Ohr bei den Mitarbeitern.

Zur Person
Silvia Ettl-Huber verfasste 1997 ihre Dissertation „Vom Verlags- zum Medienhaus - Verlags und Zeitungsmarketing österreichischer Tageszeitungen in der Informationsgesellschaft“. Im Jahr 2000 wurde sie an die Donau-Universität Krems gerufen und leitete zehn Jahre lang das Internationale Journalismus Zentrum (heute: Zentrum für Journalismus und Kommunikationsmanagement). Derzeit ist sie Studienleiterin des Master-Studiengangs Information Medien Kommunikation an der FH Burgenland.
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