verfasst von
:
Heiner Hans Heimes, Achim Kampker, Christian Offermanns, Janis Vienenkötter, Francesco Maltoni, Natalia Soldan Cattani, Nils Christen, Kim Kreisköther
Die Nutzungsdauer von Batterien wird durch Konzepte zu „Second Life“, Repair, Refurbishment und Remanufacturing verlängert. Diese Ansätze befähigen dazu, die maximale Alterung aus den elektrochemischen Energiespeichern herauszuholen, bevor sie zyklisch oder kalendarisch ihr Lebensende erreichen. Zur Schließung des Batteriekreislaufs folgt die Zuführung der Akkus zum Recycling-Prozess. Die politische Forcierung des Batterie-Recyclings wird im nachstehenden Abschn. 43.1 erörtert. Es folgt ein Überblick zu den unterschiedlichen Batterie-Recycling-Verfahren, bevor der aktuelle Stand der Technik im Detail vorgestellt wird.
Die Nutzungsdauer von Batterien wird durch Konzepte zu „Second Life“, Repair, Refurbishment und Remanufacturing verlängert. Diese Ansätze befähigen dazu, die maximale Alterung aus den elektrochemischen Energiespeichern herauszuholen, bevor sie zyklisch oder kalendarisch ihr Lebensende erreichen. Zur Schließung des Batteriekreislaufs folgt die Zuführung der Akkus zum Recycling-Prozess. Die politische Forcierung des Batterie-Recyclings wird im nachstehenden Abschn. 43.1 erörtert. Es folgt ein Überblick zu den unterschiedlichen Batterie-Recycling-Verfahren, bevor der aktuelle Stand der Technik im Detail vorgestellt wird.
43.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen
Unabhängig von jeglichen Maßnahmen zur Lebenszyklusverlängerung von Lithium-Ionen-Batterien ist das Recycling unvermeidbar. Letztlich ist es für die Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Batterien von entscheidender Bedeutung. Ziele bilden dabei eine günstige Rückgewinnung der Wertstoffe, um das Recycling profitabel umsetzen zu können, und eine möglichst hohe Qualität der recycelten Rohstoffe zum erneuten Einsatz im selben Marktsegment. Diese beiden Absichten stehen nicht im Konflikt zueinander, sind aber nach dem heutigen Stand der Technik nur teilweise miteinander vereinbar.
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Die ursprüngliche Rechtsvorschrift für das Batterie-Recycling in Europa ist mit der Richtlinie 91/157/EEC der Europäischen Gemeinschaft vom 18. März 1991 in Kraft getreten.1 Diese setzt das in der 75/442/EWG vom 15. Juli 1975 festgelegte Prinzip um, dass die Bewirtschaftung besonderer Abfallkategorien wie Batterien unter besonderen oder ergänzenden Vorschriften erfolgen muss. Der Zweck dieser Richtlinie besteht darin, Umweltverunreinigungen einzuschränken oder sogar gänzlich zu beseitigen und gleichzeitig für eine Kreislaufwirtschaft der Rohstoffquellen zu sorgen. Die erste EU-Batteriedirektive wurde durch die Richtlinien 93/86/EEC vom 4. Oktober 1993 über die Kennzeichnung von Batterien und Batteriegeräten und anschließend durch die 98/101/EC vom 22. Dezember 1998 (Verbot von Quecksilber) ersetzt.2,3
Die verabschiedete EU-Richtlinie 2000/53/EG vom 18. September 2000 bezieht sich auf die angestrebten Recycling-Quoten im Bereich der Rohstoffrückgewinnung aus Altfahrzeugen. Sie gibt vor, dass Automobilhersteller eine kostenlose Rücknahme ihrer Altfahrzeuge gewährleisten müssen. Darüber hinaus wurden Verwertungsquoten bestimmt, die zu einem festgelegten Zeitpunkt erreicht werden sollen. Maßnahmen für die Weiternutzung sowie zur Rückgewinnung von Komponenten wurden durch Marktanreize begünstigt und Mindeststandards eingeführt. Die Richtlinie betonte, wie die Erreichung dieser Ziele bereits während der Konzeption neuer Fahrzeuge im Fokus stehen muss. Dazu sind nicht nur Gefahrstoffe zu recyceln, sondern auch Wertstoffe wie Metalle und Kunststoffe. Von zentraler Bedeutung ist die Einführung von Pflichten für Automobilhersteller, den Markt für recycelte Rohstoffe durch zielgerichtete Konstruktion und ausreichende Informationen für dritte Unternehmen sowie für Verbraucher zu ermöglichen. Ähnliche Prinzipien wurden für Elektrogeräte durch die 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte umgesetzt, wovon Fahrzeuge technisch ausgenommen sind. Allerdings folgen die elektrischen und elektronischen Komponenten von Fahrzeugen wie Kabel, Platinen und Bildschirme ähnlichen Recycling-Verfahren wie die von der Richtlinie umfassten Geräte.4 Die Richtlinie 2006/66/EC vom 6. September 2006 (EG-Richtlinie 2006) hat die ursprüngliche Richtlinie 91/157/EEC außer Kraft gesetzt und die 2000/53/EC sowie die 2002/96/EG ergänzt. Dabei werden für sämtliche in Fahrzeugen oder Geräten eingebaute Batterien – mit Ausnahme von Rüstung und Raumfahrt – unterschiedliche Sammelsysteme aufgebaut. Diese Sammelsysteme müssen so gestaltet werden, dass die Hersteller für die Sammlung verantwortlich sind, ohne Kosten oder Pflichten für die Verbraucher zu verursachen. Jede Verkaufsstelle muss auch Batteriegeräte annehmen und sie in die Entsorgungsroute einleiten. Die EU-Batteriedirektive hat für die Mitgliedstaaten unter anderem Mindestsammelquoten für Altbatterien und -akkumulatoren von 25 % bis zum 26. September 2012 und von 45 % bis zum 26. September 2016 vorgeschrieben. Außerdem ist für Lithium-Ionen-Batterie-Recycling-Prozesse eine Mindest-Recycling-Effizienz von 50 % der durchschnittlichen Batteriemasse vorgesehen.5
Mit der im März 1998 in Kraft getretenen und im Juli 2001 neugefassten „Verordnung über die Rücknahme und Entsorgung gebrauchter Batterien und Akkumulatoren“ (BattV) erfolgte die Überführung der EU-Batteriedirektive in deutsches Recht. In der „BattV“ werden den Herstellern, Vertreibern und Endverbrauchern bestimmte Pflichten auferlegt. Dadurch soll eine Rücknahme ebenso sichergestellt werden wie eine entsprechend den Vorschriften des 1996 in Kraft getretenen „Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen“ (KrW-/AbfG) ordnungsgemäße und schadlose Verwertung beziehungsweise gemeinwohlverträgliche Beseitigung. Gemäß der „BattV“ dürfen Batterien nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn von Herstellern und Vertreibern gewährleistet wird, dass sie vom Endverbraucher wieder zurückgegeben werden können. Gleichzeitig ist der Endverbraucher dazu verpflichtet, Altbatterien beim Vertreiber oder bei den von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern eingerichteten Erfassungsstellen abzugeben. Eine Entsorgung im Hausmüll ist indes für alle Batterietypen gleichermaßen verboten. Die Hersteller und Vertreiber sind wiederum zu einer unentgeltlichen Batterierücknahme aus den Händen des Endverbrauchers verpflichtet.6,7
Zu diesem Zweck wurde ein laut der „BattV“ vorgeschriebenes gemeinsames Rücknahme- und Entsorgungssystem entwickelt, dessen Organisation und Verwaltung der Stiftung „Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien“ (GRS) obliegt. An dem Verbund beteiligen sich seit 1998 die Hersteller von rund 80 % der im deutschen Markt abgesetzten Batterien. Gegründet wurde die GRS-Stiftung von den Batterieherstellern Duracell, Energizer, Panasonic, Philips, Saft, Sanyo, Sony und Varta sowie dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e. V. (ZVEI). Ende 2008 hatten insgesamt 991 Hersteller und Importeure von Gerätebatterien und -akkumulatoren die Dienstleistungen des GRS-Verbunds genutzt. Die Stiftung ist als gemeinnützige Organisation zu verstehen und hat mehr als 170.000 Sammelstellen zur Rücknahme gebrauchter Batterien eingerichtet. Die Altbatterien werden in regelmäßigen Abständen abgeholt, sortiert und schließlich entsorgt beziehungsweise verwertet. Darüber hinaus ist die GRS-Stiftung für eine Abfallberatung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit verantwortlich. Zusätzlich wird den Bundesländern ein jährlicher Erfolgsbericht vorgelegt, der über die in Umlauf gebrachte Batteriemasse, die zurückgenommene Batteriemasse, die qualitativen und quantitativen Entsorgungsergebnisse sowie die gezahlten Preise für Entsorgungsleistungen informiert.8,9,10
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Eine einheitliche Methode zur Bestimmung beziehungsweise Berechnung der Effizienz von Batterie-Recycling-Prozessen wird von der EU-Batteriedirektive indes nicht vorgegeben. Das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien, das durch unterschiedliche Prozessketten ausgeführt werden kann, wird kontrovers diskutiert. Zu den entsprechenden Aspekten zählen vor allem die Einbeziehung respektive die Nichteinbeziehung bestimmter Batterieinhaltsstoffe wie Wasser, Sauerstoff und Kohlenstoff in die Recycling-Effizienzberechnung. Die generelle Ablehnung anfallender Schlacken als Recycling-Produkte wird kritisiert, da sie unter bestimmten Voraussetzungen beispielsweise im Straßenbau eingesetzt und somit als Recycling-Produkt bewertet werden können.11,12,13 Im Fall von Traktionsbatterien stellt sich die Frage, ob die Eingangsmasse lediglich aus Batterieeinzelzellen besteht oder auch komplette Batteriepacks enthalten darf, da Letztgenannte neben den eigentlichen Batteriezellen auch Verschaltungselektronik- und Gehäusekomponenten umfassen. Unterdessen stellt sich die Frage, was genau als „zurückgewonnen“ zählt, als noch problematischer dar. Mit welcher Recycling-Quote sämtliche Nebenaggregate zu bewerten sind, die anderen Recycling-Routen zugeführt werden, geht nicht aus der EU-Batteriedirektive hervor. Kabel und Elektronik zum Beispiel, deren Materialien nicht zu 100 % zurückgewonnen werden, können bis dato dennoch als vollständig recycelt betrachtet werden.
Neben den vorgeschriebenen Mindestsammelquoten und Mindest-Recycling-Effizienzen sind die Definitionen der Begriffe „Behandlung“ und „Recycling“ sowie deren Abgrenzung voneinander von besonderem Interesse. Laut Artikel 3, Punkt 10 (EG-Richtlinie 2006) umfasst die Behandlung „alle Tätigkeiten, die an Altbatterien und -akkumulatoren nach Übergabe an eine Anlage zur Sortierung, zur Vorbereitung des Recyclings oder zur Vorbereitung der Beseitigung durchgeführt werden“.14 Außerdem muss laut Anhang III Teil A Punkt 1 „die Behandlung mindestens die Entfernung aller Flüssigkeiten und Säuren erfassen“. Demgegenüber wird das Recycling in Artikel 3 Punkt 8 als „die in einem Produktionsprozess erfolgende Wiederaufarbeitung von Abfallmaterialien für ihren ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke, jedoch unter Ausschluss der energetischen Verwertung“ definiert.15
Die europäischen Behörden diskutieren neue Vorschläge, die die Kernprobleme der EG-Richtlinie 2006 überwinden sollen, und berücksichtigen Szenarien, in denen die Verbreitung von Elektromobilität eine 19-fache Steigerung der Batterieproduktion vorsieht. Diese Vorschläge sind Bestandteil des „Green Deal“16 und in Synergie mit dem „Strategischen Aktionsplan für Batterien“,17 dem neuen „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“,18 der neuen „Industriestrategie für Europa“19 und der „Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität“.20 Der neue Vorschlag ergänzt die geltenden Richtlinien 2000/53/EG über Altfahrzeuge, die Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle, die Richtlinie 2012/19/EU Elektro- und Elektronik-Altgeräte, die Richtlinie 2011/65/EU zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, die Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen sowie die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. In dem Vorschlag steht die Nachhaltigkeit während des gesamten Lebenszyklus sämtlicher Batterietypen im Vordergrund. Dazu existieren verbindliche Vorgaben für den Material- und Rezyklateinsatz, die Haltbarkeit, die Sammlung und das Recycling von Batterien in der EU. Die Sammelquote für Gerätebatterien soll Mitte des laufenden Jahrzehnts 65 % und zu Beginn der 2030er-Jahre 70 % betragen.21 Alle gesammelten Batterien sollen wiederverwertet oder recycelt werden. Beim Recycling soll vor allem bei den wertvollen Nichteisenmetallen ein hoher Rückgewinnungsgrad erreicht werden.
43.2 Überblick zu Batterie-Recycling-Verfahren
Prinzipiell können Lithium-Ionen-Batterien auf hydrometallurgischem Weg (nasschemische Prozesse bei niedrigen Temperaturen) oder auf pyrometallurgischem Weg (Einsatz von Schmelzaggregaten bei hohen Temperaturen) recycelt werden; auch eine Kombination aus pyro- und hydrometallurgischen Prozessschritten ist möglich.
Generell lässt sich das Batterie-Recycling-Verfahren in vier Stufen unterteilen: die Vorbereitung, die Vorbehandlung, die Aufbereitung und die Metallurgie. In den ersten beiden Schritten werden die Lithium-Ionen-Batterien gesammelt und bis auf Modulebene demontiert. Für den Transport und den Recycling-Prozess selbst müssen spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Der Grund dafür liegt in der hohen Brand- bis hin zur Explosionsgefahr, hervorgerufen durch äußere oder innere Kurzschlüsse. Diese Gefahren sind bei Lithium-Primärbatterien wegen des enthaltenen metallischen Lithiums zwar größer, aber auch Lithium-Ionen-Batterien werden speziellen Behandlungsschritten zur „Deaktivierung“ vor dem eigentlichen Recycling-Prozess unterzogen.
Die Stufe der Aufbereitung lässt sich in die Auftrennung und die Separierung untergliedern. Ziel der Auftrennung ist die Vereinzelung der Komponenten, während die Separierung der Schaffung mehrerer Stoffströme mit erhöhter Reinheit dient. Auf diesem Wege wird gefahrloses Schüttgut erzeugt, das vereinfachte Folgeprozessschritte ermöglicht. Dies kann sowohl mechanisch als auch thermisch vonstattengehen. Die mechanische Zerkleinerung erfolgt im Allgemeinen durch das Schreddern. Diese Beanspruchung kann zu Kurzschlüssen führen, die eine unerwünschte Temperaturerhöhung nach sich zieht. In der Folge kommt es zur Verdampfung des Elektrolyten und zur Bildung schädlicher Gase. Um diese Risiken zu minimieren, kann die Zerkleinerung unter Intergasatmosphäre, Vakuum oder unter Stickstoffkühlung erfolgen. Alternativ kann der mechanischen Zerkleinerung auch eine thermische Auftrennung vorausgehen. Dabei werden Elektrolyt und Separator durch die hohe Temperatur im Ofen zersetzt. Im Anschluss an die Auftrennung wird das zerkleinerte Gut klassiert und separiert. Die Separation erfolgt durch verschiedene Verfahren nach physikalischen Materialeigenschaften wie Dichte, elektrische Leitfähigkeit oder Magnetisierbarkeit.
In der vierten Stufe, der Metallurgie, lassen sich die Metalle aus den zuvor separierten Stoffströmen zurückgewinnen. In diesem Zusammenhang wird zwischen der Pyrometallurgie und der Hydrometallurgie unterschieden. Bei der Pyrometallurgie handelt es sich um ein Hochtemperaturverfahren, bei dem die verschiedenen Metalle eingeschmolzen werden. Diese Vorgehensweise ist auch für nicht zerkleinerte Zellen geeignet. Die verflüssigten Metalle solidifizieren sich in zwei Schichten – der Legierung oder der Schlacke. In der Legierung sind Metalle wie Kupfer, Kobalt, Nickel und Eisen enthalten, die anschließend hydrometallurgisch aufbereitet werden. Die Schlacke beinhaltet unter anderem Lithium und Aluminium, wird jedoch meist ohne weitere Aufbereitung in die Bauindustrie abgegeben. Das hydrometallurgische Verfahren hingegen umfasst die Laugung, Anreicherung, Separation und Rückgewinnung der Metalle bei niedrigen Temperaturen. Die grundsätzlichen Vorzüge und Nachteile dieser beiden metallurgischen Verfahrensmöglichkeiten für das Recycling lithiumhaltiger Batterien werden in Tab. 43.1 aufgelistet.22,23
Tab. 43.1
Vorzüge und Nachteile hydrometallurgischer und pyrometallurgischer Prozesse
Hydrometallurgischer Prozess
Pyrometallurgischer Prozess
Vorteile
• Wiedergewinnung der unedlen Metalle, der organischen Komponenten sowie des Kohlenstoffs möglich
• Nutzung der unedlen Metalle, der organischen Komponenten und des Kohlenstoffs als Reduktions-mittel bzw. Energieträger
• Geringe Abgasmengen
• Absatzfähige Metalle als Recycling-Produkte
• Hohe Selektivität
• Hohe Raum-Zeit-Ausbeute
Nachteile
• Umgang mit großen Mengen von Chemikalien (Laugen, Säuren, Fällungsmittel etc.)
• Große Mengen von Brennstoffen oder elektrischer Energie notwendig
• Geringe Raum-Zeit-Ausbeute
• Aufwendige Abgasreinigung notwendig
• Große Mengen von Abwasser und Schlämmen
• Lithium ist in der Schlacke gebunden und erfordert hohen Rückgewinnungsaufwand
Seit dem Inkrafttreten der EU-Batteriedirektive ist eine Reihe von Batterie-Recycling-Verfahren entwickelt worden, die oftmals speziell auf die einzelnen chemischen Batteriesysteme zugeschnitten sind. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, Lithium-Ionen-Batterieschrott als Sekundärrohstoff in die Primärgewinnungsrouten von Metallen wie Kobalt und Nickel oder in die Recycling-Route von Stahl einzubringen.
43.3 Stand der Technik in Forschung und Entwicklung
Der Stand der Technik in der Forschung und Entwicklung ist je nach Reifegrad der Recycling-Prozesse äußerst unterschiedlich. Einerseits werden aus anderen Marktbereichen etablierte pyrometallurgische Verfahrensschritte weiter verfeinert, andererseits wird die Pyrolyse als weiteres thermisches Verfahren für mechanische und chemische Recycling-Methoden untersucht.24
Durch die Hydrometallurgie ist das Recycling der Aktivmaterialien möglich.25 In der Forschung werden mechanische und thermische Vorbehandlungsmethoden untersucht, um die Verwertungsquote und die Qualität des Rezyklats zu steigern.26 Ein Beispiel dafür ist die Pyrolyse als Deaktivierungsschritt zur Zersetzung des Elektrolyten und Binders, die aufgrund der Temperaturen unter 500 °C im weiteren Prozess die Rückgewinnung von Lithium und Graphit erlaubt.27 Die Qualität des Rezyklats kann durch Unreinheiten und veränderte Materialstrukturen beeinträchtigt werden, was die Re-Synthese der Aktivmaterialien vor eine Herausforderung stellt.28
Ein für das Batterie-Recycling neuer Prozessschritt zur Vorbehandlung der Materialien für die hydrometallurgische Prozesskette ist die elektrohydraulische Zersetzung („Electro-Hydraulic Fracturing“). Die bereits beim Recycling von Elektrogeräten eingesetzte Methode trennt die Verbundmaterialien an den Schnittstellen durch Schockwellen in einem flüssigen Medium. Andere untersuchte Methoden zur Skalierung der hydrometallurgischen Prozesse unter Beibehaltung der Rezyklatqualität sind die Nutzung der Zentrifugalkraft zur Materialtrennung29 und der Einsatz von Ultraschall zur Beschleunigung der Reaktionskinetik.30 Indes nutzt ein weiterer innovativer Ansatz aus dem Recycling von Elektrogeräten Bakterien zur Verarbeitung von Schwermetallen,31 wobei die Übertragbarkeit auf Batterien derzeit untersucht wird.
Die im Rahmen des „Green Deal“ erneuerten Recycling-Vorgaben schreiben in den nächsten Jahren materialspezifische Recycling-Effizienzen vor. Daher wird demnächst auch das Recycling von Lithium eine relevante Rolle spielen. Mit der „Early Stage Lithium Recovery“ beschäftigt sich das Institut für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME) der RWTH Aachen. Im Zuge des Verfahrens werden in einem energiearmen Prozess geringe Mengen toxischer Lösemittel eingesetzt und rund 50 % des Lithiums in guter Qualität zurückgewonnen. Die in diesem Prozess vorgenommene Behandlung der schwarzen Masse durch Wasser und superkritisches CO2 bietet einige Vorteile im Vergleich zur Lithiumrückgewinnung aus der Schlacke des pyrometallurgischen Prozesses32 – beispielsweise eine geringere Menge giftiger Chemikalien sowie einen niedrigeren Energieeinsatz.33,34,35
Im Fokus der Forschung steht aktuell das direkte Recycling, das durch die Entfernung von Verunreinigungen, Bindern und Elektrolytresten aus dem Aktivmaterial ohne Reduktion und Resynthese der Materialien vonstattengeht. Dadurch bleibt die ursprüngliche Materialstruktur erhalten, so dass nach der Aufreinigung durch Zugabe von Lithium nur der Lithiumverlust regeneriert werden muss. Die Vorteile liegen in einem konkurrenzfähigen Prozess mit äußerst geringer Umweltbelastung, da sowohl der benötigte Energieeintrag als auch der Einsatz von toxischen Chemikalien gering ist. Allerdings weist die Methode eine hohe Komplexität und Empfindlichkeit auf, so dass sie für eine optimale Materialaufbereitung von einem „Design-for-Recycling“-Ansatz stark profitieren würde. Derzeit werden die Entwicklungen hauptsächlich auf die Zellchemie von Lithiumeisenphosphat ausgerichtet.36,37
Auch im Hinblick auf die nächsten Generationen der Lithium-Ionen-Batterien haben Studien das Recycling von Feststoffbatterien und Lithium-Schwefel-Batterien betrachtet. Die „All-Solid-State“-Batterie unterscheidet sich durch ihren Festkörperelektrolyten und dessen Anbindung zu den Aktivmaterialien vom aktuellen Zelldesign. Zur Wiedergewinnung ließen sich entweder die starke Anbindung ausnutzen und die gesamten Elektroden regenerieren oder es könnte der Binder durch eine thermische Behandlung aufgelöst werden, um anschließend den Keramikseparator mechanisch abzutrennen. Nach dieser Vorbehandlung wäre die übliche Recycling-Prozesskette für Lithium-Ionen-Batterien geeignet.38 Auch wenn sich indes die Lithium-Schwefel-Batterie in ihrer Zusammensetzung stark von der Lithium-Ionen-Batterie unterscheidet, lassen sich beide durch ähnliche Prozessketten recyceln. Vor allem die hydrometallurgischen Schritte müssen der neuen Zellchemie angepasst werden. Die Zellen werden zunächst thermisch behandelt, wonach die Materialien mechanisch getrennt und dann chemisch auf zwei separaten Wegen zurückgewonnen werden. Obwohl mehr als 90 % des Lithiums in Recyclingprozessen zurückgewonnen werden könnten, bleibt die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Recycling-Prozesses aufgrund der Abwesenheit teurer Rohstoffe in der Lithium-Schwefel-Batterie offen.39
43.3.1 Stand der Technik industrieller Recycling-Verfahren
43.3.1.1 Beispielverfahren für das Einbringen von Rezyklaten in die Primärgewinnungsroute
Lithium-Ionen-Batterien können unter anderem durch Einbringung von Kobalt und Nickel in die Primärgewinnungsroute recycelt werden. Da diese beiden Metalle zumeist im Erz vergesellschaftet sind, ist deren Gewinnung sehr eng miteinander verknüpft. Beispielhaft wird nach ebenjenem Prinzip das Batterie-Recycling industriell betrieben: Dazu wird kobalt- und nickelhaltiger Batterieschrott in die einzelnen Prozessstufen der eigentlichen Primärgewinnungsroute von Kobalt und Nickel eingebracht.40 Die Kapazität dieses Prozesses zur Batterieverwertung wird 2019 mit 7000 t pro Jahr angegeben.41 Das Recycling-Verfahren beruht auf einer pyrometallurgischen mit anschließender hydrometallurgischer Behandlung der Altbatterien. Im ersten Verfahrensschritt erfolgt die Schadstoffentfrachtung der angelieferten Batterien durch Kalzinierung in einem Drehrohrofen. Da der leicht entzündliche Elektrolyt ein Gefahrenpotenzial für den eigentlichen Schmelzprozess birgt, werden die Batteriezellen durch die Verdampfung des Elektrolyten deaktiviert. Gleichzeitig werden enthaltenes Graphit und organische Bestandteile wie der Separator zersetzt und energetisch verwertet. Nach dem darauffolgenden Schmelzprozess in einem Lichtbogenofen bilden sich in der Solidifikation aufgrund unterschiedlicher gravimetrischer Dichten eine hauptsächlich mit Nickel, Kobalt und Kupfer angereicherte Legierungsschicht sowie eine Schlacke, die aus den restlichen metallischen Batteriebestandteilen wie Aluminium, Lithium, Mangan und Eisen besteht. Diese Fraktion wird anschließend entsorgt. Nachdem der Eisenanteil der Legierungsschicht in einem Konverter auf weniger als 2 % reduziert wurde, erfolgt die Granulation der Legierung und die Verschiffung zur Raffination. Dort beginnt die hydrometallurgische Aufbereitung. Nach der Laugung der granulierten Legierung erfolgen mehrere Ausfällungs- und Filtrationsstufen, in denen Kupfer, Eisen und Gips von der nickel- und kobalthaltigen Lösung separiert werden. Während der Entsorgung der verbliebenen Mengen von Eisen und Gips wird die Kupferfraktion in einem Wirbelschichtofen behandelt, bevor durch erneute Laugung sowie Anreicherung und Gewinnungselektrolyse reines Kupfermetall hergestellt wird. Aus der nickel- und kobaltreichen Lösung wird durch Solventextraktion Kobalt separiert. Sowohl die Kobaltlösung als auch die verbleibende nickelreiche Lösung werden anschließend von restlichen Verunreinigungen wie Zinn, Kupfer, Blei und Mangan getrennt und ebenfalls einer Gewinnungselektrolyse zugeführt.42 Dementsprechend zielt diese Recycling-Methode in erster Linie auf die Kupfer-, Kobalt- und Nickelinhalte der Batterien ab. Im Jahr 2020 wurden insgesamt rund 4600 t Nickel sowie 2000 t Kobalt produziert.43
43.3.1.2 Beispielverfahren für das Einbringen von Rezyklaten in bestehende Recycling-Verfahren
In einem weiteren Prozessbeispiel werden neben recycelten Lithium-Ionen-Batterien weitere nicht eisenmetallhaltige Akkumulatoren sowie Sekundärrohstoffe aus diversen Industriebereichen behandelt. Dazu gehören unter anderem verbrauchte Katalysatoren aus der Petrolchemie sowie Transformatoren und Galvanik-, Abwasser- und Schleifschlämme, so dass sich die potenziellen Inputmassenströme auf ein weites Spektrum verteilen.44,45,46
Die Lithium-Ionen-Batterien werden nach der Anlieferung im ersten Schritt in einem Kurztrommelofen (KTO) pyrometallurgisch behandelt. Aufgrund der hohen Betriebstemperaturen des KTO ist von einer energetischen Verwertung der kunststoffhaltigen Komponenten, des Graphits und des Elektrolyten auszugehen. Im Anschluss an den Schmelzprozess bilden sich – analog zu dem in Abschn. 43.3.1.1 beschriebenen Prozess – aufgrund unterschiedlicher gravimetrischer Dichten eine Ni-Co-Cu-reiche Legierungsschicht sowie eine Schlacke, die aus den restlichen metallischen Batteriebestandteilen und dabei wiederum vor allem aus Lithium besteht.47 Nach der Solidifikation der beiden Produktströme werden beide Produkte voneinander getrennt zerkleinert. Während die Schlacke als Baustoff im Straßen- und Wegebau Anwendung findet, wird die Legierungsschicht hydrometallurgisch aufbereitet. Nach der Zerkleinerung erfolgt eine Drucklaugung, bei der eine mit Nickel, Kobalt und Kupfer angereicherte Schwefellösung erzeugt wird.48 Nach der Ausfällung ungewünschter Restbestandteile – etwa Eisen – erfolgt eine dreistufige Solventextraktion, bei der einzeln und nacheinander Kupfer, Kobalt und anschließend Nickel extrahiert und kristallisiert werden. Auf diesem Wege können in Abhängigkeit von der Auslegung des hydrometallurgischen Verfahrens Kobaltsulfat, Nickelsulfat, Nickelchlorid, Kupfersulfat und Kupferoxichlorid in einer Reinheit von mehr als 99,8 % hergestellt werden.49 Zur expliziten Berechnung der Effizienz werden keine Angaben gemacht, es kann jedoch von einem Einbezug der energetisch verwerteten Komponenten und der Schlackephase ausgegangen werden.
43.3.1.3 Beispielverfahren für eine Kombination aus mechanischer, hydrometallurgischer und pyrometallurgischer Aufbereitung
Unterschiedliche Aufbereitungstechniken sowie die Vorteile hydrometallurgischer und pyrometallurgischer Prozessschritte können miteinander kombiniert werden. Das Verfahren zielt darauf ab, neben organischen Komponenten vor allem Metallgehalte in weitestgehend metallischer Form wiederzugewinnen. Dazu gehört unter anderem Lithium, das in rein pyrometallurgischen Verfahren häufig nur mit der Schlacke in batteriefremden Anwendungen recycelt wird. Nach der Demontage bis auf Zellniveau wird ein Pyrolyseschritt in einem bis zu 250 °C warmen Ofen unter Vakuum vorgenommen. Der Elektrolyt verdampft und die Zelle ist deaktiviert. Dadurch lässt sie sich anschließend sicher mechanisch zerkleinern. Mit Hilfe nachfolgender mechanischer Klassier- und Sortierschritte werden die Materialien in Fraktionen unterteilt. Auf diesem Wege werden drei Fraktionen – bestehend aus Eisen-Nickel, Aluminium und Elektrodenfolien – sowie eine Feinfraktion aus Elektrodenmaterialien gewonnen. Die Feinfraktion wird anschließend mit einem Binder versehen, um ein grobkörniges Agglomerat zu bilden. Vor der eigentlichen pyrometallurgischen Aufbereitung wird die Feinfraktion einer thermischen Vorbehandlung bei 800 °C unterzogen. Sie dient der Reduktion von Graphit, das die Aufbereitung negativ beeinflussen kann. Durch den Schmelzprozess entstehen eine Kobalt-Mangan-Legierung sowie ein Lithium-Konzentrat (lithiumangereicherter Flugstaub). Die Metalllegierung wird verkauft. Sie kann als Vorlegierung für Superlegierungen auf Kobaltbasis eingesetzt werden und ist somit direkt absetzbar. Aus dem Lithiumkonzentrat wird durch hydrometallurgische Verfahren wie Laugung mit anschließender Fällung und Filtration Lithiumkarbonat gewonnen, das zum Beispiel in der Batterieproduktion oder in der Glasherstellung Anwendung findet.50
43.3.1.4 Beispielverfahren für kombiniertes hydrometallurgisches und pyrometallurgisches Batterie-Recycling
Ein weiterer in der Industrie angewendeter Prozess zeichnet sich durch eine pyrometallurgische Behandlung in einem anstelle von mehreren Öfen aus. Die entsprechende Anlage ist auf 7000 t/a ausgediente Traktionsbatterien ausgelegt – für Lithium-Ionen-, Lithium-Polymer- und NiMH-Batterien.51 Dieser „Ultra-High-Temperature“-Prozess verringert durch die reduzierte Anzahl der Schachtöfen die notwendigen Investitionen und Betriebskosten, was den gesamten Recycling-Prozess kosteneffizienter gestaltet. Der Ofen besteht aus drei Temperaturzonen, die erst den Elektrolyten freisetzen und anschließend die enthaltenen Kunststoffe schmelzen. In der dritten und heißesten Zone werden die metallischen Bestandteile reduziert und eingeschmolzen. Während des Schmelzprozesses entstehen zwei Phasen, die als Legierung oder Metallschmelze und als Schlacke bezeichnet werden. Materialien wie Nickel, Kobalt und Kupfer gehen überwiegend in die Legierung ein. In der Schlacke befinden sich die restlichen Anteile der metallischen Batteriekomponenten – unter anderem Lithium, Eisen und Aluminium. Die Legierung wird anschließend als Granulat zum nächsten Standort gebracht. Dort steht eine weitere Anlage, in der die produzierte Legierung hydrometallurgisch aufbereitet wird. Um aus den gewonnenen Precursor-Produkten erneut Aktivmaterialien zu erzeugen, werden sie zu weiteren Standorten in China, Korea und Japan transportiert. Die Schlacke hingegen wird nicht weiter aufbereitet und kommt als Material im Straßenbau oder in der Betonproduktion zur Anwendung.52
43.3.1.5 Beispielverfahren für ein rein mechanisches und hydrometallurgisches Verfahren mit hoher Zurückgewinnung
Ein besonderes Verfahren ist aus den Forschungsprojekten „LithoRec I“ und „LithoRec II“ entstanden. Zu den an beiden Vorhaben beteiligten Partnern zählten unter anderem industrielle Automobil-, Recycling- und Rohstoffunternehmen sowie universitäre Institute. Das Ziel der Projekte bestand in der Entwicklung eines Batterie-Recycling-Verfahrens mit einer hohen Rückgewinnungsrate und Produktreinheit, die eine erneute Anwendung in Batterien zulässt. Die Verwertung sollte nicht energetisch oder in Form von Downcycling wie etwa als Baustoff im Straßenbau erfolgen, sondern stofflich. Aus den „LithoRec“-Projekten ging hervor, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirtschaftlich möglich ist, für sämtliche Materialien eine ausreichende Produktqualität für einen erneuten Einsatz in der Batterieproduktion zu gewährleisten. Die Ergebnisse der beiden Forschungsprojekte wurden daraufhin industriell umgesetzt. Die Besonderheit des zugrundeliegenden Verfahrens ist die Vermeidung der pyrometallurgischen Prozessierung durch den Einsatz eines mechanischen Vereinzelungsprozesses. Am Ende dieser mechanischen Recycling-Methode wird ein Zerkleinerungsgut aus Metallen wie Lithium, Kobalt und Mangan, Graphit sowie Teilen des Elektrolyten zurückerhalten und in einem nachgeschalteten hydrometallurgischen Prozess aufbereitet. Über eine erfolgreiche Skalierung der hydrometallurgischen Aufbereitungsroute vom Labor- auf einen praktikablen Industriemaßstab liegen derzeit jedoch keine Informationen vor.53,54
Der Prozess beginnt mit einer Tiefentladung der Traktionsbatterie nach der Öffnung des Batteriepacks. Die zurückgewonnene Energie wird für die weiterführenden Prozesse eingesetzt. Nach der anschließenden Demontage folgt eine mechanische Zerkleinerung in einem Schredder. Aus Sicherheitsgründen wird dabei ein Inertgas eingeströmt. Außerdem finden die meisten Prozesse dieses Verfahrens bei geringen Temperaturen statt, um die Bildung toxischer Gase durch die Freisetzung des Elektrolyten zu vermeiden. Der zweite Schritt besteht in der Trocknung des Zerkleinerungsguts bei gleichzeitiger Erwärmung, um den Elektrolyten zu verdampfen. Dieser lässt sich in einer anschließenden separaten Vakuumdestillation teilweise zurückgewinnen. Ebenso wird das Fluorid aus den Leitsalzen abgetrennt, um die Bildung von Flusssäure in weiteren Verarbeitungsschritten zu verhindern. Nach der Trocknung werden die Materialien nach physikalischen Eigenschaften klassiert und sortiert. Dabei kommen Verfahren wie die magnetische Sortierung oder die Separation nach Dichte zum Einsatz. Durch diese Methoden werden die Eisen-, Kupfer- und Aluminiumfraktionen und insbesondere die Elektrodenfolien herausgetrennt. Es verbleibt die Schwarzmasse, die aus den Aktivmaterialien und dem Leitsalz besteht. Diese Fraktion wird in hydrometallurgischen Prozessen weiterverarbeitet.55 Die Rückgewinnung von Kobalt und Nickel ist bereits weithin erprobt, jedoch wird momentan an der Rückgewinnung von Lithium, Mangan und Graphit aus der Schwarzmasse geforscht. Mit der Rückgewinnung von Graphit erreicht der Prozess eine Recycling-Effizienz von 91 %. Auch ohne das nachgeschaltete hydrometallurgische Verfahren lässt sich noch eine Effizienz von 72 % erzielen.56,57 Neben der hohen Recycling-Effizienz und Reinheit der recycelten Materialien birgt das mechanische Verfahren einen weiteren Vorteil: Es kann sowohl stationär als auch in speziell dafür gebauten Containern mobil vorgenommen werden. Dadurch wird der Elektrolyt vor Ort von dem geschredderten Material getrennt. Durch diese Schadstoffentfrachtung kann der Transport dieser Materialien nun in Standardbehältern erfolgen und muss nicht mehr, wie bei Batteriezellen bislang üblich, als Gefahrgut eingestuft werden. Somit lassen sich die Kosten für den Transport signifikant senken.58
43.3.1.6 Beispielverfahren für hydrometallurgisches Batterie-Recycling
Durch seine Entstehung in den frühen 1990er-Jahren ist dieser Prozess eines der ersten kommerziell umgesetzten Verfahren für das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien. Er basiert auf Tieftemperaturzerlegung und wurde ursprünglich für Lithium-Primärbatterien entwickelt. Neben ihrer langen Anwendung weist die Methode eine weitere Besonderheit auf: das Recycling von sowohl Primär- als auch Sekundärbatterien in einem Prozess. Das Verfahren eignet sich für alle Typen lithiumhaltiger Sekundärbatterien und damit sowohl für alle unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen als auch für sämtliche Dimensionen von klassischen Gerätebatterieformaten bis hin zu Spezialbatterien für militärische Anwendungen.59
Durch die hohe Reaktionsfreudigkeit des Lithiums – vor allem in Lithium-Primärbatterien – findet die Bearbeitung der Zellen aus Sicherheitsgründen fast ausschließlich ferngesteuert und in einer flüssigen Umgebung statt. Zur Deaktivierung der Zellen werden sie in ein Bad mit flüssigem Argon (Tb = − 186 °C) oder Stickstoff (Tb = − 196 °C) eingetaucht – je nach Größe bis zu 24 h. Die Zerkleinerung erfolgt in einem Schredder oder in einer Hammermühle und findet in einer Natriumhydroxid- oder Lithiumhydroxid-Lösung (NaOH beziehungsweise LiOH) statt, um saure Komponenten zu neutralisieren und die Wasserstoffbildung zu minimieren. Batteriesysteme werden meist in einem vorgelagerten Schritt demontiert, damit sie die gleichen Zerkleinerungszyklen wie kleine Zellen durchlaufen. Es werden drei Fraktionen zurückgewonnen: metallische Feststoffe, eine mit Metallen angereicherte Lösung und eine Leichtfraktion aus Stahl und Kunststoff („Li-Ion-Fluff“). Der Fluff wird bei der Zerkleinerung direkt abgeschieden; der Stahl lässt sich magnetisch abtrennen und weiterverwenden. Die verbleibende Lösung mit den metallischen Feststoffen wird nach der Hammermühle entweder in einen Rütteltisch gegeben oder mittels einer Filterpresse gefiltert. Dabei entsteht einerseits eine Mischung aus Kobalt, Kupfer und Aluminium und andererseits ein Schlamm aus Lithium, Kobalt und Graphit. Aus dem entstandenen Schlamm wird das Lithium in einer Lösung herausgetrennt. Daraus lässt sich später ein Lithiumkarbonat mit hoher Reinheit ausfällen. Das gewonnene Lithiumkarbonat kann direkt an die Batterieindustrie verkauft werden, was dem Ziel eines Closed-Loop-Recyclings sehr nahekommt. Der verbleibende Filterkuchen („Cobalt Filter Cake“) enthält das Kobalt und wird zur Gewinnung einer Kobaltverbindung mit einer Reinheit von 99 % getrennt weiterverarbeitet. Im Prozessverlauf anfallende Metallfraktionen werden an Metall-Recycling-Unternehmen abgegeben.60,61,62
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