In diesem Kapitel geben wir zum einen einen Überblick über die Aufgaben und Ziele von Führen als zentrale Funktion entlang des gesamten Projektspiels. Wir gehen dabei der Frage nach, wie die beiden Pole einer guten Führung, generelle Plan- und Zielorientierung versus situativer Adaption durch das Konzept situativen Handelns verbunden werden können. Außerdem diskutieren wir unter Bezug auf das Hemisphären-Modell, wie Führen – angesichts der Crux der Digitalisierung – dennoch gelingen kann. Zum zweiten beschreibt dieses Kapitel die Ressourcenkarten, in denen wir für typische weiche Faktoren in einem Digitalisierungsprojekt Reflexionshilfen und Handlungsansätze vorstellen, sodass Emotionales in unseren Projekten nicht mehr stört, sondern als hilfreiche Ressourcen genutzt werden kann. Wir beschreiben dafür insgesamt fünf Ressourcenkarten, nämlich Emotionen nutzen, Mit Frustrationen umgehen, Selbsttäuschung vermeiden und die beiden zueinander komplementären Karten Durchhalten und Sich von Zielen lösen. Die Ressourcenkarten sind entlang des ganzen Projektspiels einsetzbar und nicht an einen einzelnen Spielzug gebunden.
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Das Phänomen der Illusion-of-control wird z. B. auch von Latham (2015), Bayoumy (2014) und Meinzer (2017) aufgegriffen. Sie weisen alle darauf hin, dass der Lösungsansatz des immer genaueren Planens das dahinterstehende grundsätzliche Problem aller Planungsaktivitäten nicht lösen kann, sondern zwangsläufig in eine Endlosschleife führt.
Dazu führte Suchman unter anderem umfangreiche empirische Studien des Benutzungsverhaltens von Menschen an Kopierern durch. Sie untersuchte, identifizierte und kontrastierte menschliche und maschinelle Lösungsstrategien für Aufgaben wie beispielsweise das Erkennen und Abgleichen des Papierformats der Vorlage und des dafür geeigneten Papierformats des Kopierers. Das zentrale Ergebnis ihrer Untersuchungen ist: Menschen gehen solche Aufgaben (trotz aller Planung) situativ an, Maschinen dagegen planmäßig. Bis heute ist deshalb beispielsweise die Gestaltung von interaktiven Benutzungsführungen an Kopierern kein einfaches Thema.
Niklas Luhmann (2000) hat im Anschluss daran den Begriff der Autopoiese für die Analyse und für das Verständnis sozialer Systeme wie z. B. Organisationen fruchtbar gemacht. Nach Luhmann reproduzieren sich soziale Systeme in Analogie zu biologischen, das heißt lebenden Systemen alleine aus sich heraus – und zwar vermittelt über die darin stattfindenden Kommunikationen. Die von uns an anderer Stelle herausgearbeitete zentrale Rolle von Erzählungen und narrativen Methoden im Projektspiel hat hier ihren theoretisch-konzeptionellen Ursprung.
Die Schnelligkeit unserer unbewussten Denkprozesse kann jedoch auch negative Auswirkungen auf die Entscheidungs- und Handlungsqualität haben. Mehr zu dieser Ambivalenz z. B. bei Grams (2016) und Sauerland (2018).
Trotz und Reaktanz sind Emotionen, die mit der Beschneidung von Freiheit wider Willen und mit der Einschränkung von Handlungsfreiheiten zu tun haben. Der Trotzbegriff ist vor allem im Kontext der kindlichen Entwicklung gebräuchlich, in der Psychologie ist allgemein auch der Begriff der Reaktanz gebräuchlich. Vgl. näher hierzu z. B. Arnold (2015, S. 833) und Petzold (2007, S. 413) In unserem Projektspiel verwenden wir beide Begriffe synonym.
Die Sozialpsychologen Frank Gatling und zuvor Saul Rosenzweig (1938) gelten als Begründer der Frustrationsforschung und haben vor allem auch den für unsere Ressourcenkarte wesentlichen Begriff der Frustrationstoleranz geprägt. Für eine aktuelle Einführung in die Frustrationsforschung unter Berücksichtigung neuerer Ergebnisse der Hirnforschung vgl. z. B. Gorr und Bauer (2018).
Es gibt hierzu eine Vielzahl von Meinungen und Aufzählungen. Eine erschöpfende Aufzählung ist hier nicht möglich, sie variiert von Autor zu Autor. Pink (2011) beispielsweise nennt Beherrschung der Aufgabe, Autonomie und Sinnhaftigkeit als Grundbedürfnisse. Die von Ryan und Deci (2000) vorgeschlagenen drei Aspekte Kompetenz, Autonomie und soziale Eingebundenheit sind aus unserer Sicht in besonderer Weise hilfreich, um mit Frustrationen aktiv umzugehen.
Daneben kann man beispielsweise eine Leistungs-, eine Macht- und eine Anschlussmotivation unterscheiden. Vgl. näher hierzu z. B. einführend die Darstellung bei (Brandstätter et al. 2018, insbes. Teil 1 – Motivation, S. 3–162).
Leon Festinger (1957) hatte dieses Konzept bereits 1957 entwickelt. Es wurde von seinem Schüler Elliot Aronson weiterentwickelt. Unsere Darstellung folgt in den nächsten Abschnitten dem gemeinsam von Aronson mit Tavris verfassten Buch (Tavris und Aronson 2010).
Diese Funktionsweise des Gehirns wird auch als Backfire-Effekt bezeichnet. Im Kontext der Forschung um die politische Meinungsbildung wurden dazu an der University of California Studien durchgeführt, in denen erhöhte Aktivitäten der Amygdala nachgewiesen wurde, wenn die Versuchsteilnehmer mit politischen Botschaften konfrontiert wurde, die ihren Grundüberzeugungen maßgeblich widersprachen (vgl. näher dazu Kaplan et al. 2016). Eine witzige Darstellung als Comicversion ist zu finden bei (Inman 2018).
Vgl. für eine ausführlichere Einführung in das Phänomen der escalating commitments und zu Anregungen für Auswege beispielsweise (Gunia et al. 2009; Jani 2011; Keil 1995; Pan et al. 2009).