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13.06.2022 | Unternehmenskultur | Schwerpunkt | Online-Artikel

Der Business-Dresscode muss neu verhandelt werden

verfasst von: Annette Speck

4 Min. Lesedauer

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Der Casual Friday ist spätestens seit Corona passé. Mit der Verbreitung des Homeoffice kleiden sich die Beschäftigten generell legerer für die Arbeit. Nicht jedem Unternehmen passt das. Wie die Rückkehr zum Normalbetrieb gelingen kann.

Wer schon lange vor Corona regelmäßig oder ausschließlich im Homeoffice arbeitete, erhielt meist den Rat: Auch zuhause lieber frisch geduscht und korrekt gekleidet an den Arbeitsplatz setzen. Diese Disziplin fördere das Selbstbewusstsein und die professionelle Ausstrahlung, was nicht nur bei Videomeetings, sondern selbst bei Telefonaten spürbar werde.

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Business Dress

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Oben hui, unten pfui?

Nichtsdestotrotz hat sich im heimischen Büro ein eher lässiger Job-Dresscode entwickelt. Solange das Styling obenrum im Kamerablickfeld stimmt, interessiert das Outfit unterm Tisch wenig – vorausgesetzt, man steht nicht bei laufender Kamera auf.

Die Modebranche hat den Casual-Büro-Trend umgehend aufgegriffen. Fashionlabels präsentieren bequeme Business-Outfits, bei denen beispielsweise stylische Jogginghosen oder Kapuzenpullis mit Blazer oder Jackett kombiniert werden. Glaubt man dem Trendanalysten des Deutschen Modeinstitutes, Carl Tillessen, ist der Anzug der große Verlierer der Corona-Krise. Davon werde er sich nie mehr erholen, zitiert ihn die "Süddeutsche Zeitung". Die Krawatte haben viele Stilberater und auch Manager ohnehin längst abgeschrieben.

Dresscode wird zum Wertekonflikt

Gleichwohl kommt die Bearingpoint-Studie "Bürokleidung der Zukunft - was trage ich morgen im Büro?" zu dem Schluss, dass Anzug und Kostüm als Business-Dress keineswegs ausgedient haben. Allerdings zeichne sich mit der Rückkehr der Angestellten in ihre Arbeitsstätten ein Wertekonflikt um die Arbeits- und Bürokultur ab, heißt es in der Untersuchung, für die zwischen August 2021 und Februar 2022 über 1.000 Bürobeschäftigte in der DACH-Region befragt wurden und an Workshops und Diskussionsrunden teilnahmen.

Viele Menschen bevorzugen inzwischen einen lockeren Kleidungsstil im Job und verbinden damit die heutige digitale und agile Arbeitswelt. Der Professor für Medienmanagement, Thomas Breyer-Mayländer, verweist etwa auf den Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner, der sich schon vor Jahren auf einer Geschäftsreise ins Silicon Valley im Hoodie ablichten ließ. Dabei gehe es "auch um eine neue Form der Nahbarkeit für die Mitarbeitenden der Generation Y und deren Erwartungshaltung", schreibt Breyer-Mayländer über den Zusammenhang von Dresscode und Erwartungen. (Seite 85/86)

Höhere Tagessätze für formal gekleidete Berater

Hingegen fürchten Anhänger des klassischen Business-Looks laut der Bearingpoint-Studie negative Auswirkungen für die Performance von Unternehmen durch den Freizeitkleidungsstil bei der Arbeit. So halten beispielsweise vier von fünf Befragten einen höheren Tagessatz für externe Berater allein dadurch für gerechtfertigt, dass diese formal korrekt gekleidet sind. Die tradierten Denkmuster, dass klassische Business-Kleidung Seriösität, Kompetenz, eine höhere Stellung und Macht bedeutet, wie Springer-Autor Breyer-Mayländer in seinem Buch "Erfolgsfaktor Macht im Management" erklärt, bestehen also durchaus fort.  

Nichtsdestotrotz wollen 62 Prozent der Befragten auch im Büro künftig T-Shirts und Sweater tragen. Und nur noch zwei Prozent können sich vorstellen, täglich mit Krawatte oder Halstuch bei der Arbeit aufzutauchen. Der Rückgang der jährlichen Ausgaben für Bürokleidung unterstreicht die Veränderungen: Gaben Beschäftigte im Jahr 2019 im Schnitt noch 1.176 Euro für Business-Kleidung aus, waren es 2020/2021 nur noch 480 Euro. Vielen Berufseinsteigern im Homeoffice fehlten zudem die sozialen Vorbilder, so die Studie. Daher verfügt nicht einmal jeder Vierte von ihnen über Business-Kleidung, die auch für sehr formale Termine geeignet ist.

Führungskräfte müssen sich mit Dresscode befassen

Alexander Schmid, Executive Advisor bei Bearingpoint und Leiter der Studie sieht die Problematik so: "Das Dresscode-Dilemma drückt sich vor allem in Arbeitssituationen mit externen Geschäftspartnerinnen und -partnern aus. Der Büro-Dresscode muss dann mit dem post-pandemischen Kleidungs- und Arbeitsverständnis im Grunde Unvereinbares irgendwie zusammenbringen." Auf diese Führungsaufgabe seien aber viele Unternehmen bislang nicht vorbereitet. Hinzu kommt die – angesichts des verbreiteten Fachkräftemangels gravierende – Befürchtung, dass ein strenger Business-Dresscode Mitarbeitende vergrault und Bewerbende abschreckt.

Höchste Zeit also für Organisationen, ihre bisherigen Business-Dresscodes auf den Prüfstand zu stellen. Für den Weg ins "New Normal" stellt die Studie folgende Ansätze vor:

Entwicklung neuer Business-Dresscodes

Anlassbezogene Dresscodes/Smart Dresscode Contracts

Dresscodes werden anlassbezogen (= smart) bestimmt und gemeinsam mit der Belegschaft ausgehandelt (= contract), damit kein Widerspruch zwischen einem Casual im Homeoffice und einem Semi Formal Business im Termin mit den Geschäftspartnern besteht.

Dresscode-Diskussion mit den Mitarbeitenden

Es müssen Anreize für die verschiedenen Typen der Bürokleidung bestimmt werden, um die Akzeptanz für die anlassbezogene Wahl der Bürokleidung sicherzustellen und auch die Ausgabe-Bereitschaft der Beschäftigten für Bürokleidung wieder zu erhöhen.

Dresscodes für die hybride Arbeitswelt

Die Bürokleidung muss die kulturell in der Organisation angestrebte Wertigkeit auch ausdrücken, wenn Mitarbeitende im Büro und im Homeoffice zusammenarbeiten und sich gegebenenfalls nur bei Videomeetings sehen. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeitenden im Homeoffice technisch so ausstatten, dass sie daran auch sichtbar teilnehmen können.

Quelle: “Bürokleidung der Zukunft - was trage ich morgen im Büro?“, Bearingpoint, 2022

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